Welch ein Spiel! Und welch ein Auftakt der spanischen Nationalmannschaft! Mit 3:3 endet das Spitzenspiel der Gruppe B zwischen Portugal und Spanien und es kann schon jetzt gesagt werden, dass diese Partie eine der besten der Weltmeisterschaft bleiben wird. Zumindest ist es nur schwer vorstellbar, dass noch viele Spiele ein vergleichbares Spektakel bieten werden. Wir lassen euch Culés natürlich auch während der WM nicht im Stich und liefern euch einen umfassenden Spielbericht sowie eine detaillierte Kritik der eingesetzten Barçaspieler.
WM-Zeit ist auch Blaugrana-Zeit bei Barçawelt
Wie bereits in einem Artikel erwähnt wurde, werden verschiedene Autoren sich jeweils einem Team mit Beteiligung eines Barçaspielers widmen und dazu Überblicke und Spielberichte verfassen. Mir persönlich bleibt hierbei die Ehre, mich mit Spanien auseinanderzusetzen, und aufgrund der Tatsache, dass ich zurzeit selbst in Spanien wohne, habe ich einen besonderen Bezug zu der Euphorie, die im Moment in diesem Land herrscht.
Nachfolgend werde ich sowohl einen Blick auf das Spiel allgemein werfen, als auch die Leistung aller Blaugrana-Akteure näher analysieren. Dazu habe ich eine Neuerung eingeführt: Während der WM werden alle Spanier, wie es auf der iberischen Halbinsel üblich ist, mit Noten zwischen null und zehn bewertet, wobei zehn die beste Note darstellt und fünf einem „Genügend“ gleichgesetzt wird.
Das Spiel: Aufstellung und Taktik
Spanien startete mit allen vier im Nationaltrikot vertretenen Spielern Barças von Beginn an. Die Aufstellung lautete wie folgt: De Gea – Alba, Piqué, Ramos, Nacho – Busquets, Koke – Iniesta, Isco, David Silva – Diego Costa. Auf dem Papier wurde mit einem 4-2-3-1 gespielt, bei dem Isco den Zehner gab und Iniesta und Silva auf dem Flügel vertreten waren und hinter dem Stoßstürmer Costa agierten. In der Praxis zog es Iniesta und Silva oft ins Mittelfeld, wo sie sich bereits früh die Bälle abholten und so eine Überzahlsituation erzwingen wollten.
Halbzeit 1: Furioser Beginn und viele dubiose Entscheidungen
Nach nicht einmal drei gespielten Minuten zog Ronaldo an die Strafraumkante, fand Nachos Beine vor und ließ sich fallen – Strafstoß! Ein Kontakt war ohne Zweifel vorhanden gewesen, daher kann man diesen Pfiff nachvollziehen und es wäre falsch, dem Schiedsrichter eine absolute Fehlentscheidung aufzubürden. Allerdings wäre Ronaldo auch ohne Zweifel nicht gefallen, hätte er nicht die Intention gehabt, sich fallen zu lassen. So kam es jedoch zum Elfer, den Ronaldo ohne große Mühe, dafür mit genügend Spektakel im Tor unterbrachte – 1:0 für Portugal.
In der Folge benötigte Spanien ein wenig Zeit, um sich zu fangen, doch sie übernahmen immer mehr die Spielkontrolle. In der 24. Minute wurde Diego Costa auf die Reise geschickt und nach einem schönen Tanz mit den Verteidigern im Strafraum schloss er trocken ins linke untere Eck ab – Ausgleich! Vorangegangen war jedoch höchstwahrscheinlich ein Foulspiel Costas an Pepe.
Nur wenige Sekunden später hatte die Furia Roja die Führungschance: Isco hämmerte einen wuchtigen Schuss an die Latte, der Ball sprang genau auf der Linie auf, überquerte sie aber nicht. Der Nachschuss Jordi Albas schien zuerst auf reguläre Art abgewehrt worden zu sein, doch war, wie aus einigen Kameraeinstellungen herausging, unter Umständen eine portugiesische Hand daran beteiligt gewesen. Mit viel Unglauben und einigen Protesten ging es mit dem 1:1 weiter. Spanien kontrollierte das Spielgeschehen nun eindeutig und kam noch zu weiteren Chancen durch Iniesta und Isco, doch es konnte vorerst kein weiterer Treffer erzielt werden.
Als schließlich alle an den Halbzeitpfiff dachten, kam Ronaldo in der 44. Minute noch einmal zum Abschluss, traf den Ball allerdings nicht richtig und brachte daher einen eher mageren Schuss mittig auf den Torwart zustande. De Gea schien selbst bereits abgeschaltet zu haben, denn anstatt das Leder unter sich zu begraben, lenkte er es an seinen Beinen vorbei ins eigene Tor. CR7 ließ sich feiern und die geschockten Spanier mussten nun mit einem 1:2 Rückstand in die Kabine gehen.
Halbzeit 2: Das Spektakel ging ohne Verschnaufpause weiter
Direkt nach dem Wiederanpfiff war der Selección anzumerken, dass sie den neuerlichen Rückstand erst einmal verdauen musste. Nach etwa zehn Minuten fingen sie sich jedoch und nach einem Freistoß leitete Busquets das Spielgerät per Kopf an Diego Costa weiter, der den Ball ins Tor hineingrätschte. Die Uhren wurden somit wieder auf Null gestellt.
Nur drei Zeigerumdrehungen später fiel die Kugel Nacho am Strafraumeck vor die Füße, dieser nahm sich ein Herz und verfrachtete den Ball mit einem strammen Weitschuss per Innenstange ins Tor. Rui Patricio war machtlos und konnte dem Traumtor nichts entgegensetzen. Mit diesem Treffer revanchierte sich Nacho auch für den von ihm verursachten Elfmeter aus der dritten Spielminute.
Innerhalb weniger Minuten hatte Spanien das Spiel gedreht und lag plötzlich in Führung. Obwohl sie weiter sehr aktiv blieben, mobilisierte Portugal noch weitere Kräfte und gewann immer mehr Spielanteile, ohne dabei aber eine klare Möglichkeit herauszuspielen. Auf diese Art verlief die Partie ziemlich genau eine halbe Stunde lang. Portugal bemühte sich, während Spanien die Entscheidung suchte, aber nicht mehr so feldüberlegen war.
Wie man es sich von diesem Spiel erwarten durfte, blieben beide Mannschaften gefährlich, so auch, als Piqué in der 88. Minute knapp vor dem eigenen Strafraum einen hauchzarten Kontakt mit Ronaldo nicht verhindern konnte und der Portugiese in dieser Situation ohne Zweifel eine Schwalbe beging. Beim folgenden Freistoß sorgte Ronaldo dann aber nach zwei eher geschenkten Toren wieder mit Können für Aufsehen. Er zirkelte den Ball über die Mauer in die rechte obere Ecke; De Gea sah zwar nicht glücklich aus, da er der Kugel nur hoffnungsvoll nachschaute, aber er wäre wohl kaum an den Ball gekommen. Nach diesem späten 3:3 blieb nur noch wenig Zeit und die Partie endete mit einem Unentschieden, mit dem Portugal eher zufrieden sein dürfte als Spanien. Die Furia Roja hatte grundsätzlich mehr vom Spiel und erspielte sich auch klarere Chancen. Im Großen und Ganzen können aber beide Mannschaften mit der Punkteteilung leben, weil in beiden Lagern mit sicheren Siegen gegen Marokko und Iran gerechnet wird.
Gerard Piqué
Der Katalane wurde wie das gesamte Team am Anfang überrumpelt und die Situation vor dem Elfmeterpfiff hätte sicher besser verteidigt werden können. Allerdings hatte er an dem Gegentreffer keine Schuld. Das Gleiche gilt für den zweiten Gegentreffer. Auch hier war Piqué mit von der Partie und ließ Ronaldo zum Abschluss kommen. Dass De Gea diesen Ball jedoch ins Tor durchließ, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ansonsten wirkte er abgeklärt und gewann einige wichtige Kopfballduelle. Sein Aufbauspiel war solide und er hatte zusammen mit Ramos die Verteidigung gut im Griff. Unglücklicherweise verursachte er den Freistoß vor Ronaldos Tor. In diesem Fall hätte der Schiedsrichter zwar kein Foul pfeifen müssen, aber Piqué wäre durchaus in der Lage gewesen, den Portugiesen zu stoppen, ohne ihm eine Fallmöglichkeit zu gewähren.
Trotz einer eigentlich guten Vorstellung sorgen die drei Gegentore für einen schlechteren Gesamteindruck.
Barçawelt-Note: 7-
Jordi Alba
Unser flinker Außenverteidiger spulte auch bei der Nationalmannschaft fleißig seine Kilometer ab und machte deutlich, warum er die Linksverteidigerrolle so schnell nicht hergibt. Alba lief viel und war in einigen Situationen in der Defensive sehr wichtig. So verhinderte er zum Beispiel in der ersten Halbzeit nach einem Konter der Portugiesen einen möglichen Gegentreffer. In der Offensive war er immer anspielbar und sorgte mit seinen Läufen für Gefahr. Nach Isco Lattentreffer hätte „El Ferrari“ sogar beinahe ein Tor erzielt. Aufgrund der Tatsache, dass er die Defensive nicht vernachlässigen durfte, war er zwar nicht ganz so präsent wie in anderen Spielen, doch er fand eine gute Balance zwischen Angriff und Verteidigung.
Barçawelt-Note: 9
Sergio Busquets
Unnötiger Weise holte er sich schon früh eine gelbe Karte ab und war daher im Laufe des Spiels ein wenig eingeschränkt. Eine Hemmung war ihm dennoch nicht anzumerken. Er ließ sich oft zwischen die Innenverteidiger fallen, wie das seine Art ist, und baute das Spiel von dort aus auf. Defensiv war er mit seinem Stellungsspiel und seiner Antizipation wichtig und er war einer der wenigen, die das Spiel zumindest ansatzweise beruhigen konnten. Busquets beschränkte sich aber nicht nur auf sein gewohntes Spiel, sondern sorgte sogar im gegnerischen Strafraum für Gefahr. Mit seinem Assist zum 2:2 stellte er ungewohnte Offensivqualitäten zur Schau. Alles in allem ein wirklich ordentliches Spiel des Defensivgenies.
Barçawelt-Note: 8+
Andrés Iniesta
Die Barça-Legende wurde ebenfalls in die Startelf berufen und trug seinen Teil zur Kontrolle des Spiels bei. In der ersten Halbzeit dribbelte er einige Male auf der linken Seite in Richtung Mitte und kreierte damit Chancen. Ein Tor hätte er erzielen müssen, aber er verzog knapp.
Auch defensiv half er seiner Mannschaft und ging aktiv ins Pressing. Nach Wiederanpfiff schienen ihm allerdings ein bisschen die Kräfte auszugehen, denn er zeigte immer seltener seine Klasse. Folgerichtig wurde er in Minute 70 für Thiago ausgewechselt. Allgemein lieferte er ein gutes Spiel ab, bei dem er aber nicht der entscheidende Mann war.
Barçawelt-Note: 8-
Fandet ihr das Spiel genauso unterhaltsam und spannend wie wir? Seid ihr mit der Leistung der Barçaspieler zufrieden? Was meint ihr, kann Spanienin dieser Verfassung zu den absoluten Titelfavoriten gezählt werden?