Eine ereignisreiche Woche geht zu Ende, die kaum positive Momente für die Katalanen bereithielt. Zuerst das unglückliche Ausscheiden in der Champions League und danach der verkündete Abgang von Pep Guardiola – beides schwere Schläge für die Seele der Sympathisanten.
Von Raphael Lugowski
Komplexe Vorgänge für das Scheitern des FC Barcelona verantwortlich
Heute Abend um 21:30 Uhr trifft der FC Barcelona auf Rayo Vallecano. Zugegeben, diese Paarung versprüht nur wenig Reiz, zumal die Meisterschaft für diese Saison bereits endgültig entschieden ist. Sieben Punkte beträgt der Rückstand auf die Hauptstädter bei noch vier verbleibenden Spielen, und man muss den Madrilenen völlig desillusioniert zur Meisterschaft gratulieren. Mit wenigen taktischen Kniffen haben sie der Blaugrana den Wind aus den Segeln genommen, ähnlich wie der FC Chelsea, der ebenso darauf bedacht war, eine Spielphilosophie vorzuführen, sie zu zerstören und dem katalanischen Selbstverständnis vom perfekten Spiel einen empfindlichen Schlag zu verpassen. Ist der Ansatz des FC Barcelona bereits zu angestaubt, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein? Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass die Gegner in der nächsten Saison vermehrt auf diese Zerstörungstaktik zurückgreifen werden, hat sich diese doch gegen den FC Barcelona gleich in drei aufeinanderfolgenden Partien als überaus wirksam erwiesen. Bei nüchterner Betrachtung fern der wilden und absurden Mediendiskussionen muss man aber erkennen, dass diese Sichtweise zu einfach ist und das komplexere Vorgänge für das Scheitern des FC Barcelona verantwortlich sind.
Kollektive Interaktion – Die vierte Dimension im Barca-Spiel
Zu sehr haftet der Fokus auf der vermeintlich brillanten taktischen Ausrichtung der Gegner, der man allerdings bei genauerer Betrachtung nicht viel mehr abgewinnen kann als eine müde Anerkennung ihrer Ängste. In Wahrheit sind die Gründe für die suboptimalen Resultate aber beim FC Barcelona selbst zu suchen. Ihre Spielphilosophie ist nicht verschlissen, wie zahlreiche hochrangige Vertreter des Fußballs zu wissen meinen. Das eigentliche Problem besteht darin, dass die Spieler des FC Barcelona ihre Philosophie nicht richtig umsetzen konnten. Es ist ein höchst anspruchsvolles Verständnis vom perfekten Spiel, das nicht nur jedem Spieler alles abverlangt, sondern außerdem zur Bedingung hat, dass die kollektiven Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Für gewöhnlich sagt man, dass der Ausgang einer Partie durch die Taktik, die Physis und die Technik bestimmt wird. Der FC Barcelona hat in den letzten Jahren verdeutlicht, dass diese traditionelle Sichtweise so nicht mehr haltbar ist. Die kollektive Interaktion spielt eine zentrale Rolle beim FC Barcelona und drängt die anderen Faktoren stark in den Hintergrund. Die Mannschaft agiert weiterhin auf einem hohen physischen und technischen Niveau. Die taktischen Vorgaben von Guardiola sind wohl durchdacht und gut abgestimmt auf die antizipierte Spielweise des Gegners.
Guardiolas letztes Geschenk an den Verein?
Gleichwohl war es den Katalanen nicht möglich, sich in dieser Saison gegen die größten Rivalen durchzusetzen. Pech bzw. Unvermögen im Torabschluss spielten dabei eine wesentliche Rolle, keine Frage. Aber die Mannschaft wirkt verändert, ihr Spiel wirkt verändert und man sehnt sich den großen Zauber herbei wie im Spiel gegen ManU in der abgelaufenen Saison. Torchancen sind weiterhin vorhanden, aber nicht mehr so viele. Ein vertikales Spiel findet statt, aber nicht mehr so oft. Die Spielphilosophie des FC Barcelona ist denkbar einfach: Tiki Taka bis zum Strafraum(relativ sicher und risikolos setzt man sich tief in der gegnerischen Hälfte fest) und dann wird das Tempo forciert. Letzteres war zuletzt immer weniger zu beobachten – es war sehr wenig Bewegung in der Spitze zu beobachten. Zu viele Spieler beschränkten sich auf das Tiki Taka und agierten recht mutlos. Mit anderen Worten wurde das Spiel immer berechenbarer – das Team ist von seiner eigenen Philosophie abgerückt. Als über die möglichen Gründe für den Abgang von Guardiola spekuliert worden war, war vor allem von Amtsmüdigkeit die Rede. Auch Guardiola selbst berief sich hierauf. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass sich mehr dahinter verbirgt, dass sein Weggang ein letztes Geschenk an die Mannschaft ist, eine Chance und eine Aufforderung, sich wieder auf die eigenen Stärken zu besinnen und sie abzurufen. Vielleicht war das nicht das Ende einer Ära, sondern die Begründung einer neuen. Lasst uns die letzten Spiele mit Pep Guardiola genießen. Visca el Barca!