Die Woche der Vorentscheidungen für die Auswahl von Pep Guardiola ist angebrochen. Zunächst einmal muss der Titelverteidiger nach England reisen und dort um eine ideale Ausgangsposition für das Rückspiel kämpfen. Es wird nicht leicht gegen ein FC Chelsea, das Revanche üben will.
Von Raphael Lugowski
Chelsea – Rechnung offen
Kaum einer hat den FC Chelsea im Champions League-Halbfinale gegen den FC Barcelona auf der Rechnung. Nicht einmal Außenseiterchancen werden dem englischen Schwergewicht zugerechnet, das sich in den letzten Wochen stabilisiert hat und konstant gute Leistungen abruft. Zahlreiche Siege verbuchte der FC Chelsea in letzter Zeit und konnte gegen Tottenham am Wochenende dank einem 5:1 ins FA-Cup-Finale einziehen. Keine schlechten Voraussetzungen für die bevorstehende Auseinandersetzung mit dem FC Barcelona, zumindest aber ein hinreichender Grund, um selbstbewusst in die Partie zu gehen. An Motivation dürfte es dem FC Chelsea ohnehin nicht fehlen. Noch ist das bittere Ausscheiden gegen den FC Barcelona im Champions League-Halbfinale 2009 allgegenwärtig und dürfte einen besonderen Anreiz bieten, um über sich hinauszuwachsen, wenngleich die Spieler beteuern, dass die Vergangenheit keinen Einfluss auf die kommende Aufgabe übe. So ganz kann man ihnen diese Worte nicht abkaufen, skandalierten die Spieler damals doch betrügerische Methoden und es vergingen Wochen, bis endlich Ruhe einkehrte. Tatsächlich hatten die Spieler damals allen Grund zum Lamentieren. Durch zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen wurden die Engländer eindeutig übervorteilt und durch Iniestas Hammer in den letzten Minuten des Spiels des Wettbewerbs verwiesen.
Wie wird der FC Chelsea spielen?
Es ist nur menschlich, angesichts dieser Vergangenheit das Spiel gegen den FC Barcelona dazu nutzen zu wollen, um sich für das damalige Ausscheiden zu rehabilitieren. Mit reinem körperlichen Einsatz allein wird man den Katalanen jedoch nicht beikommen können. Der FC Chelsea aber spielt einen physisch betonten Fußball und wird auch im Duell am Mittwoch diese Tugend in die Waagschale werfen. Darüber hinaus müssen sie aber auf intelligentere, filigranere taktische Konzepte zurückgreifen, um gegen die Blaugrana zu bestehen. Es bieten sich hier zwei Extreme an: Zum einen könnten sich die Spieler von Chelsea weit vorne positionieren und versuchen, die Katalanen über ein druckvolles koordiniertes Pressing zu Fehlern zu bewegen und das Spiel aus der Abwehr heraus zu stören. Zum anderen könnte man den FC Barcelona kommen lassen, tief stehen und auf Konter lauern. Beide Ansätze haben ihre Vor-und Nachteile. Die Katalanen haben ein meisterliches Verständnis davon, wie man sich auch aus allergrößten Drucksituationen befreit und den Ball nach vorne trägt. Des Weiteren besteht bei der ersten Alternative die Gefahr von hohen Pässen hinter die Abwehrlinie auf die Spitzen Messi und Sanchez. Die zweite Alternative vermittelt mehr Sicherheit, kann allerdings nicht auf Dauer ein Zu-Null-Spiel verhindern. Die Erfahrung lehrt uns, dass mit zunehmender Spieldauer Messi & Co. die nötigen Schlupflöcher finden und zuschlagen. Auch würde hiermit das Offensivspiel stark beeinträchtigt werden. Eine Zwischenlösung erscheint daher vorzugswürdig, birgt aber auch ein größeres Fehlerpotenzial in der Umsetzung.
Verdienter Halbfinalteilnehmer
Es ist wahrlich nicht leicht, gegen dieses FC Barcelona zu bestehen. Totales Pressing, perfektes Passspiel, umsichtiges intuitives Aufbauspiel – all das sind Attitude, welche die Katalanen beherrschen. Hinzu kommen Spieler wie Messi, die ohne weiteres drei Gegenspieler aussteigen lassen und Räume schaffen können. Solch einer Hausnummer stand der FC Chelsea schon lange nicht mehr gegenüber. In der Champions League Gruppenphase mussten sie sich mit Leverkusen und Valencia messen und beendeten dieses Stadium des Wettbewerbs als Sieger. Im Achtelfinale erwartete sie mit Napoli ein unangenehmer Gegner, der bereits Bayern München in der Gruppenphase ziemlich zu schaffen gemacht hat, trotz der damals herausragenden Verfassung des Teams. Im Viertelfinale wurde sodann Benfica Lissabon aus dem Weg geräumt. Der Weg von Chelsea ins Halbfinale war damit wahrlich kein Spaziergang, wie es etwa bei Real Madrid zu beobachten war. Die Engländer haben sich durchgebissen und stehen verdient im Halbfinale. Derweil läuft es in der Liga weniger gut. 25 Punkte beträgt der Rückstand auf Spitzenreiter ManU und es ist angesichts des sechsten Tabellenplatzes fraglich, ob man die Mannschaft auch nächstes Jahr wird in der Champions League beobachten können. Für den FC Barcelona hat dies allerdings keinen Wert. Sie müssen wie immer mit ihrer Topform aufwarten, um auch diesmal als Sieger aus der Begegnung hervorzugehen. Englische Mannschaften liegen der Blaugrana; mit ihrem technisch versierten Spiel konnten sie ManU im letztjährigen Finale in die Schranken weisen. Und auch sie beherrschen das intensive Spiel, dominieren den Gegner aber überwiegend mit ihrer brillanten Grundordnung. Freuen wir uns auf ein Fußballfest. Visca el Barca!