Die Auftritte in der Champions League waren nicht gerade rühmlich für die zwei spanischen Spitzenmannschaften. Sowohl Real Madrid als auch der FC Barcelona mussten sich ihrem Kontrahenten im Halbfinale geschlagen geben. Umso mehr werden beide Teams heute um Wiedergutmachung bemüht sein und umso wichtiger ist ein gutes Resultat am heutigen Abend.
Von Raphael Lugowski
Es ist wieder einmal so weit. Ein weiteres Clasico steht vor der Tür und bittet um Einlass in unsere Gedankenwelt, um uns in den Bann zu ziehen und die Vorfreude exponentiell anwachsen zu lassen. Doch die Vielzahl der Clasicos in den vergangenen Monaten war nicht unbedingt förderlich im Hinblick auf Sonderbare und Geheimnissvolle dieses Aufeinandertreffens. Es wäre verfehlt zu sagen, dass das Clasico zu einer gewöhnlichen allwöchentlichen Ligabegegnung verkommen ist; aber den Reiz vergangener Tage kann die heutige Begegnung nicht mehr versprühen. Zu viele Dinge sind vorgefallen, die den sportlichen Aspekt des Clasico zunehmend in den Hintergrund rückten und ihn fast sogar zu einer leidlichen Angelegenheit werden ließen. Und es hat nicht den Anschein, als würde diese traurige Tendenz heute durchbrochen werden. Rüde Fouls, Provokationen und absurde Verschwörungstheorien dürfen wir daher auch heute wieder erwarten und uns jene Zeiten zurücksehnen, in denen das Clasico ein Synonym für ein sportliches Fest darstellte. An diesen Missständen wird sich allerdings sobald nichts ändern und so scheint es angebracht, die Aufmerksamkeit auf den sportlichen Teil zu legen.
Aus den Fehlern der vergangenen Clasicos lernen
Wenn man an das vergangene Aufeinandertreffen der beiden Champions League Halbfinalteilnehmer zurückdenkt, das 2-2 in der Copa del Rey im Camp Nou, das dem FC Barcelona die Finalteilnehme bescherte, dann gewinnt man eine Idee davon, was man heute für ein Auftreten von Real Madrid erwarten kann. Mit einem starkem Pressing, einer hohen Laufbereitschaft und einer hohen Intensität im Zweikampf überrannten sie die Katalanen in den Anfangsphase der Begegnung förmlich und konnten zur Verwunderung vieler diesen kraftintensiven Einsatz fast bis zur Halbzeitpause durchhalten. Die Spieler des FC Barcelona waren wie paralysiert und konnte kaum einen geordneten Spielaufbau herstellen. Obwohl viele Spieler sich zurückgezogen hatten, um am Spielaufbau aus der Abwehr mitzuwirken, gab es ob des starken Pressing des Gegners große Unsicherheiten, die bei nur etwas konsequenterem Abschlussverhalten fatale Folgen hätten haben können. Pinto suchte Anspielstationen, fand keine und kam immer wieder in Bedrängnis. Spielte er den Ball dennoch flach heraus, so handelte es sich hierbei um hochriskante Pässe, welche den Madrilenen ein ums andere Mal Hochkaräter bescherten. Wählte er die andere Lösung und spielte den Ball weit nach vorne in der Hoffnung, seine Mannschaft würde den ersten oder zweiten Ball erobern, so wurde diese Hoffnung immer wieder durch die ebenfalls weit vorne positionierte Abwehrreihe von Real Madrid enttäuscht, die mit Sanchez und Messi relativ leichtes Spiel hatte. Nur Messi und Sanchez standen auf Höhe der Mittellinie, weil die anderen Spieler in das Aufbauspiel und das Gegenpressing(Ballgewinn nach pressingbedingtem Ballverlust) eingebunden waren.
Konzepte gegen das Pressing von Real Madrid
Auch heute könnte Mourinho seine Mannschaft wieder in dieser Weise spielen lassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese aktive Rolle den Qualitäten seiner Mannschaft am Besten entspricht und dass seine Mannschaft in jenen Spielen, in denen dieser Ansatz zur Anwendung kam, gegen die Katalanen immer am Besten aussah. Bei einer passiven Haltung hingegen hatten die Madrilenen stets Probleme und konnten Gegentore nicht verhindern. Die Frage für Pep Guardiola und sein Team ist nun, wie man den suboptimalem Spielverlauf aus dem Copa del Rey-Rückspiel am heutigen Abend vermeiden kann. Es geht also darum, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sich dem gegnerischen Pressing zu entziehen oder es sogar in einen Vorteil umzumünzen. Das geordnete Spiel aus der Abwehr heraus mit vielen Anspielstationen sollte man, wenn Madrid tatsächlich wieder mit der gleichen Intensität das Pressing ausübt, als Lösungsoption verwerfen, da es schlichtweg zu riskant ist. Eine sichere Variante sind weite hohe Bälle aus der Abwehr heraus einhergehend mit einem kollektiven weiten Aufrücken aller Mannschaftsteile. Damit wäre man auf Höhe der Mittellinie mit mehr Spielern besetzt und könnte den ersten oder zweiten Ball erobern. Sollte das nicht funktionieren, würde man trotzdem nicht unmittelbar Gefahr laufen, ein Gegentor zu kassieren. Natürlich würden hierbei auch die Madrilenen zurückrücken und sich im Mittelfeld positionieren. Eine andere Option ist, die Spieler von Madrid zum Pressing zu locken und dann einen weiten hohen Ball hinter die Mittellinie auf die Angreifer zu spielen. Gerade wenn Madrid so weit aufgerückt ist beim Pressing, läuft es in der Abwehr immer auf 1vs1, 2vs2 oder 2vs3-Situation hinaus. Sanchez besitzt unheimliche Qualitäten beim Erobern des Balles und ist darüber hinaus pfeilschnell. Das wäre der direkte Draht zum gegnerischen Tor. Es ist allerdings fraglich, ob er heute spielt. Die letzte Methode, die mit der vorgenannten gewissermaßen im Zusammenhang steht, kann darin erblickt werden, dass der Ball schlicht tief in die gegnerischen Hälfte gespielt wird und die Spieler schnell aufrücken, um ihrerseits zum Pressing anzusetzen. Man opfert sozusagen den Ballbesitz, um eine günstigere Ausgangsposition zu schaffen. Wie auch immer Guardiola sich entscheidet, Madrid lässt sich aushebeln. Visca el Barca!