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Mehr als zu einem zähen Unentschieden gereichte es dem FC Barcelona am gestrigen Abend gegen den FC Valencia nicht. Das Spiel war sehr intensiv und anspruchsvoll, beide Mannschaften erspielten sich Torchancen. Ein Sieg der Katalanen hätte womöglich durch eine frühere Einwechslung von David Villa realisiert werden können. Dahingehend äußerten sich nicht wenige im Anschluss an die Partie. Erst in der 71. Spielminute konnte Villa zur Tat schreiten und feierte damit sein 100. Spiel für die Blaugrana.
Alba nicht immer eine Lösung
Das Überangebot an technisch versierten und ballsicheren Mittelfeldspielern hat beim FC Barcelona nicht nur Auswirkungen auf das Aufgebot, sondern auch auf die taktische Komponente. In antizipierten schweren Partien pflegt der Trainerstab diese Spieler auch tatsächlich einzusetzen, sodass eine Koexistenz von Fàbregas, Iniesta, Xavi und Busquets auf dem Platz ermöglicht wird. Iniesta besetzt dabei den linken Flügel, zumindest in der Theorie. Faktisch hingegen zieht sich Iniesta häufig in seine natürlichen Gefilde zurück, wendet sich dem Zentrum hin und unterstützt sein Team beim Spielaufbau. Dabei tritt seine natürliche Spielveranlagung umso mehr zum Vorschein, wenn der Gegner den Spielaufbau der Katalanen früh stört und damit Bedarf für Anspielstationen schafft. Dann droht die linke Flanke des FC Barcelona zu verwaisen und das Ziel, das Spiel bei eigenem Ballbesitz auseinanderzuziehen, rückt in weite Ferne – wenn es Jordi Alba nicht gäbe.
Alba kommt in solch einem Gefüge die Bedeutung zu, Iniestas Ausflüge in andere Spielfeldregionen durch eine höhere Positionierung auf dem Feld aufzufangen. Wenn der Gegner allerdings die linke Barça-Seite hart attackiert und Alba hinten einspannt, gleicht diese Aufgabe der Quadratur des Kreises. Sicher, der Gegner kann nicht permanent angreifen, sondern muss bei gegnerischem Ballbesitz verteidigen. Ihm stehen aber gewisse strategische Mittel zur Verfügung, um Albas Funktion zu konterkarieren, wie z.B. Pressing, Gegenpressing, Mittelfeldpressing, systematische Asymmetrien.
Wenn sich Fàbregas oder Iniesta in diesem Fall nicht auf den Flügel begeben, dann besteht aus Sicht des gegnerischen Rechtsverteidigers keine Notwendigkeit mehr für eine Deckung im Raum mit der Folge, dass der Gegner den Raum für den FC Barcelona sehr eng gestalten kann. Dermaßen abgesichert durch einen Rechtsverteidiger, dem von rechts keine Gefahr droht, können die Innenverteidiger risikoreicher agieren und gegebenenfalls Löcher im Mittelfeldverbund stopfen oder gefährliche Spieler zwischen den Linien stellen. Für den rechten Mittelfeldmann des Gegners gelten analoge Überlegungen, auch er kann mehr einrücken und das Spiel für den FC Barcelona sehr eng machen.
Je stärker der Druck, desto größer die “Kontraktion”
Was also veranlasst die Trainer, eine derartige Ausrichtung zu wählen? Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass ein Verwaisen des linken Flügels Teil ihres Kalküls ist. Tito Vilanova und Jordi Roura dürften stets mit dem Bewusstsein in eine Partie gehen, dass ihre Mannschaft dominant auftreten wird und Phasen des gegnerischen Drucks nur sporadischer Natur sind. Wenn der Gegner aber starken dauerhaften Druck erzeugt, bewirkt das beim FC Barcelona eine starke permanente “Kontraktion” im Sinne eines Zusammenziehens der Spieler, um eine Fortsetzung im Spielaufbau zu gewährleisten. Damit aber passiert das, was vermieden werden soll – die Spieler werden genötigt, das Spiel eng zu machen. Sich aus dieser Kontraktion zu befreien und das Spiel breit zu machen, erfordert bei Gegnern wie dem FC Valencia ein nahezu perfektes Aufbauspiel; kleinste Fehler enden in einem sofortigen Ballverlust.
Mit einem Flügelstürmer wie David Villa würde diese Kontraktion nicht so stark ausfallen, er würde auf seiner angestammten Position bleiben und bei Notwendigkeit die Defensive ähnlich wie Pedro auf der gegenüberliegenden Seite stabilisieren. Käme der Ball zu Villa und würde dieser den Ball sauber verarbeiten, könnte ein schneller Raumgewinn und ein ruckartiges Zurückdrängen des Gegners die Folge sein. Der Gegner kann aber Vorkehrungen treffen, damit das nicht passiert. Das Pressing kann auf diese Situation angepasst und der Weg in die Spitze versperrt bzw. mit einem erhöhten Risiko für einen Ballverlust versehen werden. Auch kann der direkte Gegenspieler Villa bereits bei der Ballannahme bedrängen, sodass aus dem ursprünglichen Ballbesitz eine 50%ige Chance auf eine Fortsetzung bestünde. Das Spiel könnte in diesem Fall sehr schnell werden.
Mit den voranstehenden Ausführungen soll keine Wertung erfolgen, welche Anordnung die beste ist. Es gibt aber weitere Punkte zu beachten, wenn eine Entscheidung zugunsten Fàbregas oder eines Flügelstürmers fällt:
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- Das Verwaisen birgt nicht nur Probleme, sondern auch Chancen. Wenn der Gegner nicht mehr mit Gefahr auf der – aus seiner Sicht – rechten Außenbahn rechnet und zu stark einrückt, könnte Platz für einen Überraschungsmoment durch Jordi Alba entstehen.
- Fàbregas ist ein sehr hilfreicher Spieler beim Spielaufbau. Er beherrscht das Tiki Taka nahezu perfekt und das Zusammenspiel mit den anderen Mittelfeldspielern funktioniert gut. Daneben ist Fàbregas aber noch torgefährlich, er kann zentral oder diagonal durchbrechen und die gegnerischen Abwehrreihen überraschen.
- Andererseits handelt es sich bei Villa um einen echten Stürmer, der gewiss vor dem Tor noch mehr zu bieten hat. Wenn der FC Barcelona sich aus den Fängen des Gegners befreit und sich in der gegnerischen Hälfte festgesetzt hat, kann sich Villa in die Spitze begeben und die gegnerischen Verteidiger binden, um beispielsweise Messi zwischen den Linien Luft zu verschaffen.
- Mit seiner Präsenz im Sturmzentrum kann das Gegenpressing für den Gegner noch gefährlicher gestaltet werden.
Ob die gestrige Begegnung anders gelaufen wäre, wenn Villa von Beginn an auf dem Feld stünde, ist reine Spekulation. Allerdings war nicht verkennbar, dass Fàbregas gegen Valencia nicht seinen besten Tag erwischt hat. Er wirkte körperlich und mental nicht frisch und hatte Schwächen im Defensivverhalten. Villa hätte die linke Flanke sicherlich etwas mehr stabilisieren und nach vorne hin mehr Druck erzeugen können. Der personelle Verlust beim Spielaufbau aus der Abwehr heraus hätte durch eine noch engere Verknüpfung des Trios Iniesta, Xavi und Busquets und eine stärkere Einbindung von Lionel Messi in den Spielaufbau kompensiert werden können.