Trainerkritik: Konnte Valverde die Erwartungen erfüllen?

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Die erste Saisonhälfte ist vorbei und damit auch das erste halbe Jahr von Ernesto Valverde als Trainer des FC Barcelona. Nachdem wir den Spielern in Form unserer Spielerkritik bereits ein Zwischenzeugnis ausgestellt haben, wollen wir auch den Trainer unter verschiedenen Aspekten beurteilen und ein erstes, vorläufiges Zwischenfazit ziehen. Natürlich bleibt es aber nach wie vor bis zum Saisonende abzuwarten. Dennoch hat Valverde den FC Barcelona binnen kurzer Zeit bereits geprägt. Ob dies auf eine gute oder schlechte Weise erfolgte, betrachten in unserem heutigen Roundtable zwei unserer Autoren.

Dabei knüpfen wir an einen Roundtable an, in dem einige Autoren zu Beginn der Saison ihre Erwartungen gegenüber Valverde dargestellt haben. Einige dieser Autoren, namentlich Benjamin und Pascal, setzen sich mit den von ihnen damals angesprochenen Forderungen auseinander und ziehen auf dieser Grundlage ein Fazit.

Benni: „Pragmatisch, prakitisch, gut”

Unser Autor Benjamin hatte sich für die erste Saison gemeinschaftliches Pressing, eine ausgewogene Kader- und Rotationspolitik und feurige Leidenschaft gewünscht. Bei der Beurteilung von Valverde geht er vertieft auf einzelne Spieler einerseits und den Mannschaftsgeist andererseits ein. Sein erstes Fazit: „Jetzt – auf der Hälfte der Etappe – haben sich meine Wünsche nur zu Teilen erfüllt und doch bin ich restlos zufrieden.

Gemeinschaftliches Pressing: Seit Neymars Abgang empfinde ich den Spielstil der Katalanen als pragmatisch, praktisch und gut. Verkörperte der Brasilianer zu seiner Zeit noch das spektakuläre Element der Blaugrana, so agieren Messi und Co. nun mit einer nüchternen Effizienz. Auch wenn die Einzelleistungen des Argentiniers und seiner Kollegen Umtiti, Ter Stegen, Paulinho und Alba herausragen, sehe ich darin keine Abhängigkeit wie vom südamerikanischen ‚Dreizack‘ in den letzten Spielzeiten. Zu Gunsten der Mannschaft greift das Team heuer gemeinsam an und verschiebt im Kollektiv nach hinten. Der Vorwärtsgang funktioniert in der eigenen Hälfte etwas schleppender als bei Enrique und vor dem gegnerischen Strafraum zügiger als unter Guardiola. Die Mischung macht’s! Vor allem für die defensive Stabilität im Mittelfeld fühlen sich neuerdings auch die Offensivkräfte verantwortlich. Vorbildlich sehe ich hier Messi und Deulofeu, die dem Gegner kurz vor dem eigenen Sechzehner den Ball abluchsen.

Ausgewogene Kader- und Rotationspolitik: In der Kaderrotation ist der blaurote Nachwuchs bislang nicht relevant. Im Tabellen-Vorsprung auf die Ligakonkurrenz erkenne ich für die Talente Carles Aleñá und José Manuel Arnáiz die Chance auf so machen Rückrunden-Einsatz. Barças Reservebank bleibt hingegen Durchschnitt- nicht mehr nicht weniger: Paco Alcácer hat mit acht Scorer-Points in zwölf Pflichtspielen einen ganzen Kanister an Selbstvertrauen getankt und dürfte nach der Verletzungspause seinen Wert als Stürmer weiter unter Beweis stellen. Wie Alcácers Zukunft auf lange Sicht beim FCB aussieht, bleibt aufgrund seiner minimalistischen Spielweise vor dem Tor jedoch ungewiss. Lucas Digne erweist sich im Gegensatz zu Aleix Vidal, seinem Pendant auf der rechten Seite, als passables Backup für die Außenbahn, kommt an einem Jordi Alba in Überform aber nicht vorbei. Auch von Andre Gomes sah man bislang nicht viel – wenn, dann trat er zu mindestens nicht so nervös und ziellos wie im letzten Jahr auf. Ein Fragezeichen bleibt für mich allen voran die Akte ‚Semedo-Roberto‘. Ginge es nach mir, müsste der Spanier im Mittelfeld häufiger vor dem defensiv stärkeren Rakitić zum Einsatz kommen. Sergi Robertos Tempoläufe und Flankenbälle in die Spitze schätze ich als unbezahlbar im Weltfußball ein. Nelson Semedo hat hingegen aufblitzen lassen, dass er sich sowohl im Konterspiel als auch im Abwehrverhalten als physisches Biest erweisen kann. Was die Kommunikation mit den Mitspielern angeht, habe ich dem Portugiesen trotz seiner Abgeklärtheit noch so manches Missverständnis angemerkt.

Feurige Leidenschaft: Cheftrainer Ernesto Valverde ist und bleibt bei erbrachter Leistung sowie bei erfolgslosen Auftritten seiner Mannschaft Mr. Cool. Erst vor Kurzem habe ich gemeinsam mit unserem Autor David darüber gewitzelt, dass sich Valverde selbst bei einem 10:0-Auswärtssieg im Bernabeu keine überschwänglichen Emotionen in seinem Gesicht erlauben würde. Und tatsächlich blieb sein Gesicht im Weihnachts-Clasico fast stumm. Diese reduzierte Ausdrucksform und die Abkehr vom Medienrummel machen ‚Die Ameise‘ für mich sympathisch. Dass derweil die Spieler ihr verlorenes Feuer widerentdeckt haben, lässt sich mitnichten abstreiten. Wie ergreifend es ist Jordi Alba endlich wieder lachen zu sehen, konnte ich an fast jedem Spieltag spüren. Ohne einen überstarken Flügelstürmer auf seiner Seite blüht der Außenverteidiger förmlich auf und begeistert Publikum und Teamkollegen gleichermaßen. Neben ‚El Ferraris‘ sportlichem Revival scheint Valverde generell ein Händchen dafür zu haben den schwächelnden Stammkräften neues Selbstbewusstsein einzuimpfen. Dafür spricht die aufsteigende Formkurve von Busquets, Piqué und Suárez. Insgesamt macht die Teamatmosphäre während der Spiele auf mich einen sehr ausgewogenen Eindruck. Es ist vielleicht nicht die Euphorie aus dem jüngsten Triplejahr zu verspüren aber Barcelonas Fußballspiel wurde unter Valverde eben sogar im Duell gegen Real Madrid einer gewissen Nüchternheit unterzogen. Man bemerke: sogar abseits des Platzes gab es in den vergangenen Monaten von Gerard Piqué keine Sticheleien mehr in Richtung der spanischen Hauptstadt.”

Pascal: „Valverde macht aus der Not eine Tugend”

Der zweite Autor Pascal sehnte sich nach Dominanz und Spielkontrolle sowie danach, dass endlich wieder der Nachwuchs eine größere Rolle spielt. Der bisherige Saisonverlauf überraschte ihn genau wie wohl jeden anderen Fan sehr. „Die Forderungen wurden nur bedingt erfüllt, dennoch würde ich Valverde ein positives Zwischenfazit ausstellen. Die Kritik vieler Culés zu Beginn der Saison ist mittlerweile verstummt und in Jubel über dieses Barça umgeschwungen.

Zunächst mal hatte es Valverde besonders schwer, da sich Barças Rekordtransfer Dembélé früh verletzte und sein Ersatz Deulofeu nicht recht funktionieren wollte. Er machte aus der Not eine Tugend und ließ nicht mehr im gewohnten 4-3-3 spielen, sondern stellte auf ein 4-4-2 um. Dies funktionierte prächtig, denn das Mittelfeld Barças war deutlich gefestigter als noch letzte Saison, was sich auch in der starken Defensive widerspiegelte.

Den Punkt „mehr Dominanz“ kann man nicht klar beantworten, da es auch des Öfteren Spiele gab, in denen Barça sich auf seine neu erstarkte Defensive verließ, den Gegner kommen ließ und sich das erstmal anschaute. Auch eine starke Abhängigkeit von Messi lässt sich weiterhin nicht abstreiten. Dennoch schaue ich Barças Spiele viel lieber als noch unter Enrique, da ich das Gefühl habe das Team hat das Spiel auch in schwächeren oder defensiveren Abschnitten mehr unter Kontrolle.

Leider findet weiterhin keine Einbindung von Talenten aus La Masia statt. Außer Aleña, welcher zu einigen Kurzeinsätzen kam, konnte keines der Talente Spielanteile sammeln. Obgleich es die Chance in manchen Spielen gab, in denen Barça früh sehr hoch führte. Woran das liegt, weiß wohl nur Valverde selbst. Dennoch muss man sich möglicherweise auch eingestehen, dass aktuell kein Barças Talent die Klasse hat sich in die erste Elf zu spielen.

Das Gesamtfazit für das erste halbe Jahr unter Valverde fällt dennoch überaus positiv aus, denn ich habe beim besten Willen nicht eine solch starke Leistung Barças vorausgesehen. Die Champions League Gruppe wurde souverän als erster vor Juventus Turin beendet. Zudem hatte noch nie Barça zu einem solchen Zeitpunkt einen solchen Vorsprung vor seinen Kontrahenten in der Liga und auch das letzte Classico wurde in starker Manier gewonnen. Wenn nun der verletzte Dembélé zurückkehrt, wird es Valverdes Aufgabe sein, diesen schnell zu integrieren.”

Ihr seid gefragt: Wie bewertet ihr die bisherige Saison? Und wie optimistisch seid ihr angesichts der kommenden Herausforderungen in der Campions League? Wird Valverde wieder auf ein 4-3-3 umstellen, sobald Dembélé einsatzbereit ist?

 

 

 

 

 

 

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