‘Tata’ Martino – Kein unbeschriebenes Blatt

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Bildquelle: www.newellsoldboys.com.ar

Aller Voraussicht nach wird er der neue Trainer des FC Barcelona werden, Gerardo Daniel Martino, ‘Tata’ Martino genannt. Den meisten Culés dürfte seine Erscheinung unbekannt sein, kaum jemand besitzt Kenntnis davon, wofür der 50-jährige in Argentinien gebürtige Trainer einsteht, ob er eine bestimmte Fußballphilosophie verkörpert und was seine menschlichen Wesenszüge sind. Obschon wir alle diesbezüglich etwas im Dunkeln tappen und womöglich auch mit etwas Unbehagen seiner Verpflichtung entgegenblicken, ist ‘Tata’ kein unbeschriebenes Blatt, zumindest innerhalb gewisser geografischer Grenzen. Der katalanischen Tradition entsprechend ist auch er ein Verfechter des Totaalvoetbal und verlangt seiner Mannschaft sehr viel ab.

Informationen über ‘Tata’ Martino sind rar gesät und es ist schwer, die diffusen Tatsachen über seine Person zu einem einheitlichen Ganzen zu verbinden. Einige wackere englische Blogger haben den Versuch unternommen, ‘Tata’ näher zu charakterisieren und einen Überblick über seine Fußballphilosophie zu geben. Auf diese Blogger beziehe ich mich in diesem Artikel und gebe demzufolge keine Gewähr für Richtigkeit, da eine Verifikation aller Informationen mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist.

Wenig hinterfragungswürdig ist zunächst einmal der Umstand, dass Martino unter Marcelo Bielsa gespielt hat und maßgeblich von seiner Denkweise im Hinblick auf die Art, wie Fußball gespielt werden sollte, beeinflusst worden ist. Ein intensives Offensivpressing gehört bei Martino zum Standardrepertoire jeder Mannschaft genau so wie das 4-3-3-System, das er zu spielen pflegt. Seiner Auffassung nach müsse eine Mannschaft als Einheit angreifen und als Einheit verteidigen, eine weitere Anleihe des Totaalvoetbal, der wahrscheinlich schönsten Form des Fußballspiels. Die Außenverteidiger müssen sich demzufolge in das Offensivspiel einschalten und selbstverständlich defensive Aufgaben wahrnehmen. Die Flügel dagegen werden angehalten, am Pressing teilzunehmen und darüber hinaus die Mannschaft defensiv zu unterstützen. 

Diese Anforderungen zu realisieren erfordert eine hohe taktische Disziplin. Martino besitzt eine Affinität für Spieler, die den ihnen übertragenen Verbindlichkeiten auf dem Feld diszipliniert nachkommen. Er ist sehr fordernd und es soll in der Vergangenheit schon vorgekommen sein, dass er seine Mannschaften physisch “verheizt” hat. Dies wird aus den Leistungsschwankungen geschlossen, denen seine Mannschaften unterworfen waren. Ich möchte aber diesbezüglich darauf hinweisen, dass diese Schlussfolgerung nicht unbedingt auf seinen Willen schließen muss, den Spielern permanent alles abzuverlangen. Es ist nicht auszuschließen, dass ihm einfach die Mittel fehlten, um ein erfolgreiches Rotationsmodell einzuführen, wie es in Barcelona ohne Schwierigkeiten zu realisieren ist. Martino mag ein Spieler mit einer bestimmten Ideologie sein und einen physisch sehr anspruchsvollen Fußball propagieren, doch wird auch er sich gewiss der Tatsache nicht verschließen, dass die physische Leistungsfähigkeit einer Mannschaft und damit die Möglichkeit, die Vorgabe eines intensiven Pressings durchzusetzen, maßgeblich von den Ruhe- und Erholungsphasen abhängig ist, dies vor allem in einer langen Saison, wie sie dem FC Barcelona jetzt wieder bevorsteht.

Wie Bielsa möchte Martino stets drei vertikale Anspielstationen zur Verfügung haben. Wenn man sich die Spiele von Barça in den letzten Jahren vergegenwärtigt, war dies nicht immer gewährleistet. Insbesondere zu Zeiten von Pep Guardiola hatte das Spiel der Katalanen immer stärker den Hang zu horizontalen Elementen, die vor allem im letzten Spielfelddrittel dominiert hatten. Mit der Übernahme des Trainerpostens von Tito Vilanova  wurde das Spiel von Barça deutlich vertikaler, drei vertikale Anspielstationen waren vergangene Saison immer vorhanden. Das Credo der drei vertikalen Anspielstationen wird für Barça daher keine große Umstellung bedeuten. Bereits Vilanova hat einen Umkehrprozess in Gang gesetzt, der auf mehr Vertikalität aufbaute. 

Als ‘Tata’ Martino 2012 die Newell’s Old Boys übernahm, Messis Jugendverein, fand er eine marode Truppe und defizitäre Strukturen vor. Ihm ist es jedoch gelungen, der Mannschaft neues Leben einzuhauchen, aus Spielern, die gewiss nicht zu den besten zählten, das Maximum herauszuholen. Jetzt kommt er zu einer Mannschaft, deren Spieler zu den besten der Welt zählen, er kommt zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, die hervorragend Fußball spielen kann, der es jedoch in der Vergangenheit an einer besseren Führung mangelte, zumindest was bestimmte Bereiche anbetrifft. Rotation, Konkurrenz, moderne Trainingslehre, Nachwuchsarbeit und Unbefangenheit – wenn Martino für diese Aspekte steht, kann er in Barcelona sehr erfolgreich sein.

Nach meiner bescheidenen Meinung war es die richtige Entscheidung, ihn Luis Enrique vorzuziehen. Mit Luis Enrique als Trainer gäbe es keine Gewähr für Unbefangenheit im Amt, mit Martino ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass in Zukunft nur Leistungsgesichtspunkte einen Platz in der Startformation rechtfertigen.

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