Nach den bitteren Niederlagen von Gastgeber Brasilien und den Niederlanden stand für beide Mannschaften das viel geächtete Spiel um Platz 3 bevor. Dabei ging es besonders für die angeschlagene Seleção um Wiedergutmachung und eine Reaktion bei den Fans für das fürchterliche 1-7 gegen die DFB-Elf. Doch diese blieb aus: Mit einer erneut schwachen Leistung und ohne die Akteure des FC Barcelona Dani Alves und Neymar verliert Brasilien ein Spiel geprägt von einer desolaten Schiedsrichter-Leistung mit 0-3. Brasilien beendet die Heim-WM auf einem enttäuschenden vierten Rang. Die Elftal hingegen bleibt in diesen Turnier ungeschlagen und feiert einen versöhnlichen Abschied.
Niederländischer Blitzstart
Van Gaal brachte folgende Elf auf das Spielfeld:
Cillessen – Kuyt, Martins Indi, Vlaar, De Vrij, Blind – Clasie, De Guzman, Wijnaldum – Van Persie, Robben
Schon vor Anpfiff musste Van Gaal einen herben Rückschlag hinnehmen. Spielgestalter Wesley Sneijder verletzte sich beim Aufwärmen und wurde kurzerhand durch De Guzman ersetzt. An der grundsätzlichen Spielauslage veränderte sich dadurch nicht allzu viel. Wieder setzte man auf die bewährte Manndeckung der Mittelfeldspieler. De Guzman deckte dabei Paulinho, Wijnaldum kümmerte sich um Gustavo und Clasie folgte Willian auf Schritt und Tritt. Van Persie und Robben deckten die Passwege auf die Außenverteidiger ab, wobei sie situationsbedingt auch die Passwege ins Zentrum zustellten. Kuyt und Blind passten auf Oscar bzw. Ramires auf, während Jo die Aufmerksamkeit der beiden Innenverteidiger Vlaar und De Vrij auf sich zog. Somit pendelte man zwischen einem 5-2-3 und einem 5-3-2.
Bei eigenem Ballbesitz bildete sich hinten eine Dreierkette, die Außenverteidiger schoben nach vorne. Ein Novum im Vergleich zum Spiel gegen Argentinien war das Einrücken von Superstar Robben, was sich beim Elfmeter für die Oranje auszahlte. Freigeist Robben lässt sich fallen und prompt rückt David Luiz aus seiner Position heraus und geht ins Kopfballduell. Der Niederländer kann das Duell für sich entscheiden und leitet die Kugel weiter auf Van Persie. Dieser behauptet den Ball gegen Thiago Silva und passt ihn direkt weiter in die entstandene Lücke zum heransprintenden Robben. Silva konnte sich bei dieser Situation nur mehr mit einem Foul außerhalb des Sechzehners behelfen, die Konsequenz war für alle klar – außer für den Unparteiischen Jamel Haimoudi. Er zeigt Silva Gelb und gibt einen Elfmeter, eine in jeglicher Hinsicht doppelte Fehlentscheidung. Denn Silva hätte für den Torraub Rot bekommen müssen und die Niederlande einen Freistoß. Van Persie interessierte dies wenig; er haute den Ball mit einem scharfen Schuss rechts oben ins brasilianische Gehäuse (2′).
Felipao, lern doch aus deinen Fehlern!
Bondscoach Scolari setzte im letzten WM-Spiel auf diese elf Spieler:
Cesar – Maicon, Silva, Luiz, Maxwell – Gustavo, Paulinho – Oscar, Willian, Ramires – Jo
Ein großes Manko im Spiel der Brasilianer gegen die deutsche Nationalmannschaft war der Spielaufbau. Die Außenverteidiger waren zu weit von den Innenverteidigern entfernt und konnten leicht aus dem Spiel genommen werden. Das blieb in diesem Spiel unverändert, mit einem feinen Unterschied. Oscar ließ sich tief in die Lücken der Außen- und Innenverteidiger fallen und bot sich somit als zusätzliche Anspielstation an. Auch Willian band sich vermehrt in den Spielaufbau ein, während die Doppelsechs allein oder gar zusammen nach vorne rückte. Damit wollte man der niederländischen Manndeckung vorbeugen und die gegnerischen Spieler aus ihren Positionen hervorlocken. Es folgten dann lange (flache) Bälle auf Jo, der aufgrund seiner Größe und Physis für Kopfballduelle den Vorzug gegenüber Fred bekam. Doch war Jo oftmals zu gut zugestellt bzw. ihm bot sich keine Unterstützung an, da die weiteren Offensivakteure noch hinten standen.
Ein weiteres Problem war die hektische mannorientierte Verteidigung gegen die Deutschen, was sich in diesem Spiel nicht grundlegend veränderte. 19. Minute: Die ‘Elftal’ durchdringt die brasilianische Manndeckung auf der linken Seite und passt zu Robben. Dieser sieht den heransprintenden De Guzman und steckt den Ball perfekt auf ihn zu. Van Persie läuft unterdessen in den Strafraum und zieht die gesamte Viererkette mit. Mit einer missglückten Kopfballklärung von Luiz landet der Ball beim alleingelassenen Blind, der ihn nur mehr an Cesar und den Verteidigern vorbeischieben muss. Und was war mit der Offensive? Da die Niederländer immer noch stark mannorientiert verteidigten, nahm Oscar das Heft in die Hand und wagte vermehrt Solo-Läufe. Die entstandenen Schüsse brachten nichts ein. Die letzten 20-25 der ersten Spielhälfte kontrollierte die Seleção, ohne nennenswerte gefährliche Aktionen zu erzeugen.
2. Hälfte: Brasiliens Sololäufe und niederländisches Abwehrbollwerk
Die zweite Hälfte schloss nahtlos da an, wo die erste aufgehört hatte. Brasilien agierte nun mutiger mit den Sololäufen. Nicht nur Oscar, sondern auch Ramires, Wilian und der eingewechselte Hulk bemühten sich, Druck auf die Defensive der Oranje zu erzeugen. Ein Schuss von Ramires geht weit am Kasten vorbei (49′). Beim nächsten Versuch macht er es besser, ein Torerfolg sprang jedoch nicht heraus (60′). Eine weitere Stärke der Seleção waren die Standards. Obwohl Vlaar seinen Gegenspieler Luiz gleich zweimal elfmeterverdächtig am Trikot hielt, blieb die Pfeife des Schiedsrichters stumm. Die Aufbauprobleme der Seleção blieben auch in dieser Spielhälfte bestehen. Durch ständiges Rochieren auf der Sechserposition zogen die brasilianischen Akteure zwar ihre Gegenspieler aus ihren Positionen, doch es fehlten die Anspielstationen im letzten Spielfelddrittel. Selbst Luiz ließ sich davon anstecken und rannte blind nach vorne. Die Szenen, die dadurch entstanden, waren bizarr: Auf den Flügeln bot sich den Außenverteidigern ein riesiger Raum, während das Zentrum mit zehn Spielern überfüllt war.
Desolate Schiedsrichter-Leistung lässt das Spiel abflachen
Das Spiel wurde mit Fortdauer immer unattraktiver. Vermehrt gab es ruppigere Fouls, die Schiedsrichter Hamoudi nicht ahndete. Die Niederlande agierte hektischer bei eigenen Konterangriffen und wurde nicht mehr sonderlich gefährlich. Brasilien rannte weiter gegen eine gut gestaffelte Defensive an. Doppelpass-Versuche fingen die niederländischen Akteure sehr gut ab. Und in der 92. Minute wurde die gute Leistung der zweiten Halbzeit noch mit einem Tor belohnt. Die brasilianischen Offensivleute laufen nicht mehr zurück und lassen fünf Mitspieler hinten stehen. Robben erhält den Ball und passt auf den eingewechselten Janmaat. Dieser rennt bis zur Grundlinie und bringt das Spielgerät zu Wijnaldum. Letzterer braucht die Kugel nur noch zum 0-3 in den Kasten einzuschieben, die letzte nennenswerte Aktion in diesem Spiel.
Fazit
Die Heim-Weltmeisterschaft ist für Brasilien damit beendet – und wie! Die Seleção konnte zu Beginn durchaus begeistern und die Massen für sich gewinnen. Ein überragender Neymar avancierte zum Superstar dieser WM. Sein Ausfall war sicherlich ein Knackpunkt in dieser brasilianischen Mannschaft, die bis auf wenige Ausnahmen nicht die nötige Qualität besaß, um den goldenen Pokal zu gewinnen. Die fürchterliche Leistung gegen Deutschland und die Niederlande stürzen das Land des Fußballs ins Tal der Tränen. Sowohl im Trainerstab als auch beim Spielermaterial wird es einen Umbruch bzw. Veränderungen geben müssen, wenn man in vier Jahren die so heiß ersehnte ‘Hexa’ (Anm. sechster WM-Titel) holen will. Van Gaal hingegen bleibt mit seiner Oranje in diesem Turnier nach regulärer Spielzeit ungeschlagen – ein Novum in der Geschichte des niederländischen Fußballs. Der Taktikfuchs erreicht mit seiner Mannschaft mehr, ja gar viel mehr, als man vor Beginn des Turniers gedacht hätte. Ein gelungener Umbruch bzw. WM-Abschied – so wird wohl das positive WM-Fazit lauten.