Zwei Elfmeter besiegelten am gestrigen Abend den Endstand in der Allianz Riviera. Vor 35.624 Zuschauern trennten sich der FC Barcelona und OGC Nice mit einem 1:1-Unentschieden. Die Katalanen hatten von Beginn an mehr vom Spiel, konnten die Feldüberlegenheit aber nur selten in Torchancen ummünzen. Im Gegenzug war Nice trotz geringer Spielanteile im Offensivgang durchaus gefährlich. Insbesondere ihr Mittelfeldpressing bereitete den Schützlingen von Luis Enrique Probleme, verflachte im Verlauf des Spiels aber zunehmend.
Bahnbrechende taktische Änderungen konnten die Anhänger des FC Barcelona im gestrigen Spiel ihrer Mannschaft gegen OGC Nice nicht beobachten. Es waren Nuancen, die den Spielansatz von jenem der letzten Saison unterschieden, gleichwohl aber in gewisser Hinsicht zu einem Problem werden sollten.
Aufstellung 1. Halbzeit
Pressing bereitet Probleme
Gehen wir direkt rein ins Geschehen und vergegenwärtigen uns das Spielbild, wenn die Blaugrana ruhig das Spiel von hinten aufziehen konnte, OGC Nice mithin in der geordneten Defensivstellung lauerte. ‘Lauern’ ist hier die richtige Umschreibung, weil sie sich nicht darauf beschränkten, Räume dichtzumachen und Akteure aus dem Spiel zu nehmen. OGC Nice verteidigte in einem 4-5-1 bzw. 4-4-2 und positionierte sich hierbei sehr variabel, weil sie im Mittelfeld sehr mannorientiert vorgingen und die Laufwege der sich freilaufenden Barça-Stars mitgingen. Zum Problem für die Barça-Stars sollte allerdings das Mittelfeldpressing durch OGC Nice werden, obwohl sich hieran nur zwei Spieler der Franzosen – ein Stürmer und eine tief hängende Halboffensivkraft – beteiligten.
Eigentlich war das kein ernsthaftes Problem, weil die Katalanen im Bereich des Mittelkreises stets in der Überzahl und als Exit-Optionen Rückpässe möglich waren. Trotzdem kamen Busquets und die spielaufbauenden Innenverteidiger in Bedrängnis, als sie eine offensive Anspielstation suchten und abdrehen mussten, weil keine zur Verfügung stand. Die Spieler von OGC Nice waren an diesem Abend sehr bissig und sofort zur Stelle, um ihrem Gegner den Ball abzuknüpfen. Vor allem Piqué war aus Sicht der Franzosen ein Akteur, den es sich zu pressen lohnte. Seine Bewegungsumsetzung dauerte sehr lange, wodurch er unter Druck den einen oder anderen schweren Ballverlust verschuldete.
Obschon bei den Ballverlusten im Mittelfeld die Unzulänglichkeit der Spieler und ihre langsamen Reaktionen eine Rolle spielten, waren taktische Missstände dafür verantwortlich, dass die aufbauenden Spieler überhaupt erst in die Bredouille kamen. Die vertikalen Abstände zu den Mitspielern waren zuweilen sehr hoch und es dauerte zu lange, bis sie sich von ihren Gegnern gelöst und am Aufbauspiel partizipiert haben. Erschwerend kam die Manndeckung hinzu, die die beharrlichen Franzosen in der ersten Halbzeit über weite Strecken durchsetzten.
Kaum Torchancen für den FC Barcelona
Dies hatte auch Auswirkungen auf das Herausspielen von Torchancen. Die Kombinationen dauerten zu lange, OGC Nice konnte sich hierauf gut einstellen. Durch extremes Einrücken der Flügelstürmer Pedro und Adama wollte Barça den Gegner locken und die extrem offensiv agierenden Außenverteidiger ins Spiel bringen. Zum Leidwesen der Blauroten war OGC Nice mit der Fünferkette im Mittelfeld, zum Teil auch in der Abwehr defensiv sehr breit aufgestellt und konnte Verlagerungen auf die Außenverteidiger zumeist parieren. Die hohe Stellung der Außenverteidiger war ungeachtet dessen mitbestimmend für den Spielaufbau von hinten, der zumeist von Busquets oder den Innenverteidigern ausging. Gute Beinahe-Möglichkeiten eröffneten sich der Mannschaft durch hohe Zuspiele in die Mitte, wo zwei Mal Pedro Rodríguez als Abnehmer wartete. Die Abwehr von Nice stand hinreichend hoch, um Zuspiele auf durchstartende Stürmer zu initiieren; am Ende fehlte immer das letzte Quäntchen bei der Ballkontrolle.
Taktische Enthüllungen?
Wie viel sah man eigentlich von der Dreierkette, die in den letzten Wochen in aller Munde war? Gegen Nice ließ sich Busquets wie auch in den vergangenen Spielzeiten häufig zwischen die beiden Innenverteidiger fallen, um den Spielaufbau tief voranzutreiben oder die sich höher positionierenden Innenverteidiger beim Aufbau ins Spiel zu bringen. In den Anfangsminuten war kurzzeitig zu sehen, wie weit außen sich Mathieu und Piqué postierten. Das war von der breiten Anordnung her eine Anomalie im Vergleich zur vergangenen Spielzeit, die sich in der Folge aber nicht mehr wiederholen sollte. Die Dreierkette diente damit vor allem dem Spielaufbau und hatte darüber hinaus gesehen nur die Funktion, die Außenverteidiger offensiver auszurichten. Funktionelle Abweichungen zur vergangenen Saison waren nicht ersichtlich.
Kleinere Veränderungen waren beim Offensivpressing zu beobachten, das in der ersten Halbzeit immer noch im 4-4-2 vonstattenging. Im Gegensatz zur Amtszeit von Tata Martino bestand die erste Pressing-Linie nicht aus der Falschen Neun und einem weiteren Mittelfeldspieler. Vielmehr konnte man deutlich sehen, wie Pedro als linker Flügelstürmer zentral eingerückt war und zusammen mit Rafinha Druck ausübte. Rafinha versuchte durch klug gewählte Anlaufwege einen Spieler beim vordersten Pressing einzusparen, während Pedro zuweilen die Passwege auf die Sechserposition zustellte. Es scheint, als wolle Enrique die Eröffnung des Gegners durch das Zentrum unbedingt verhindern und stattdessen auf die Außenbahnen ableiten. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten und zu überprüfen, ob sich dieses Muster wiederholt. Ansonsten waren keine Muster im Angriffspressing zu identifizieren – häufig war es die individuelle Situation, die das Bild des Angriffspressings vorgab.
Zweite Halbzeit: Wechsel beflügeln Barça-Spiel
In der zweiten Halbzeit tauschte Luis Enrique fast komplett aus. Im Mittelfeld kamen Samper, Rakitić und Xavi ins Spiel – Wechsel, die dem Spiel der Katalanen gut taten. Die drei Mittelfeldspieler waren sehr mobil und ballsicher, ließen dem Gegner damit sehr wenig Angriffsfläche für ein Mittelfeldpressing. Es fiel der Blaugrana leichter, das zweite und dritte Spielfelddrittel zu erreichen, was gewiss auch am Gegner lag. Dieser attackierte nicht mehr so früh wie zuvor und ließ Barça kommen. Die Torchancen aufseiten des FC Barcelona nahmen zu, ohne die Fans zu verwöhnen.
Aufstellung 2. Halbzeit
Interessant waren die Laufwege von Rakitić und Halilović: Sie sind hin und wieder vertikal durchgestartet und haben im Strafraum für Aufruhr gesorgt. Das Pressing machte einen intensiveren Eindruck, was insbesondere Munir zuzurechnen war. Dieser lief die Innenverteidiger wie schon beim letzten Spiel sehr intensiv an und presste auch immer wieder seitwärts und rückwärts.
Fazit
Im zweiten Testspiel unter Luis Enrique konnte der FC Barcelona nur mäßig überzeugen. Vor allem in Halbzeit eins konnten die Herren Busquets und Iniesta dem Mittelfeld kaum Stabilität vermitteln, während Gerard Piqué ein großer Unsicherheitsfaktor in der Innenverteidigung war. Deutlich besser machten es in Halbzeit zwei Rakitić und Xavi, wobei Nice auch nicht mehr so aggressiv presste. Insgesamt konnte man auch kaum taktische Neuerungen beobachten, doch für eine Beurteilung ist es noch deutlich zu früh. Die Mannen von Trainer Luis Enrique hatten ihre erste wirklich effektive Trainingswoche hinter sich und legten dabei großen Wert auf die Physis. Dieser Test war ein guter Gradmesser und sollte dabei helfen, Fehler zu analysieren.