„Més que un club“ oder „Mehr als ein Verein“ lautet das Vereinscredo des FC Barcelona. Doch wo hat dieses Credo seinen Ursprung? Was für eine Bedeutung hat es? Wie ist ein solches Credo umzusetzen? Und: Was bedeutet es für mich als Fan? Die Antworten auf diese Fragen sind nur schwer in einen Artikel zu fassen und vielleicht auch nicht vollends mit Worten auszudrücken. In diesem Artikel werden diese Themen daher nur kurz angerissen und einige Ausführungen angestellt, die diese weltbekannte Parole betreffen.
Wenn von einem Credo die Rede ist, dann versteht man darunter eine Art Glaubensbekenntnis oder – weniger religiös formuliert – eine tiefe Überzeugung, einen Leitsatz, hinter welchem jeder Anhänger steht. Der Leitspruch „Mes que un club“ ist das Motto, welches vom FC Barcelona getragen und gepflegt wird. Für die katalanischen Anhänger bezieht sich die Bedeutung dieses Mottos an erster Stelle auf die politische Ebene und ist mit der Rolle des Vereins im Streben nach der Unabhängigkeit Kataloniens verbunden. Dieser Aspekt hat das Bild des FC Barcelona wohl am meisten geprägt.
Doch gibt es auch andere Seiten und Bedeutungsebenen, die vom Credo „Mes que un club“ einbezogen werden. Der folgende Artikel wirft einen Blick auf die finanzielle und sportliche Ebene sowie auf die Werte, die der Verein gegenwärtig vertritt. Dabei wird aber auch auf die Frage eingegangen, inwiefern ein solch verantwortungsvolles Vereinsmotto umgesetzt werden kann. Wenn Du ein langjähriger Anhänger bist, dann könnte dieser Artikel deine Identifikation mit dem größten Verein der Welt noch intensivieren. Bist du aber ein erst kürzlich hinzugekommener Fan, so werden die nachfolgenden Gedanken dein Interesse für den Verein noch weiter ausbauen können.
Ursprung
Bevor wir auf die Bedeutung eingehen, lohnt sich ein Blick auf den Ursprung des Credos. Von der Herkunft des Mottos lassen sich nämlich Rückschlüsse auf die Bedeutung machen. Urheber des Vereinsmottos ist Ex-Präsident Narcís de Carreras. In seiner Antrittsrede am 17. Januar des Jahres 1968 sagte er die Worte, die bis zur heutigen Zeit als zentrales Motiv des Vereins fungieren.
Dass Barça jedoch mehr als nur ein Klub oder eine sportliche Organisation ist, zeigte sich bereits früher in den Werten, die der Gründervater Joan Gamper vertrat: Ihm ging es um die Schaffung einer Organisation, in der jeder willkommen und erwünscht war – genauso wie er als gebürtiger Schweizer in Katalonien willkommen geheißen wurde. Diese demokratisch-freiheitlichen Grundwerte und seine mit der Zeit immer stärker gewordene Verbundenheit mit Katalonien tragen auch heute, mehr als 100 Jahre später, zur Identität des Vereins bei. So bekam der FC Barcelona seine politische und soziale Dimension.
Damit sieht sich der Verein nicht einfach als Anlaufstelle für Fußballbegeisterte, sondern als gesellschaftliche Institution von weitreichender politischer Bedeutung. In den Herzen der Anhänger war Barça immer mehr als nur ein Klub. Vor allem zur Zeit des Franco-Regimes boten die Spiele des FC Barcelona der katalanischen Gesellschaft die Möglichkeit, ihre Sprache zu sprechen und das eigene Nationalgefühl auszuleben. Zur selben Zeit wurde der Verein – auch außerhalb Kataloniens – zu einem Symbol von Demokratie.
Komplexe Bedeutung
Nach dem Tod Francisco Francos im Jahre 1975 und dem Ende des Franquismus wurde in Spanien der Demokratisierungsprozess eingeleitet. Seit 1978 besitzt Katalonien den Autonomiestatus innerhalb Spaniens. Und obwohl der Verein sich immer noch zur Region Katalonien bekennt und zum nationalen Selbstverständnis beiträgt, beschränken sich die Worte „Més que un club“ nicht nur auf diesen Aspekt.
Mit der Globalisierung entstanden neue Wege und Gelegenheiten, sich sozial zu engagieren, und das auf der ganzen Welt. Barça arbeitet beispielsweise seit 2006 mit dem Kinderhilfswerk UNICEF zusammen. Für das Tragen des UNICEF-Logos auf seinem Trikot erhielt Barça 2007 den FIFA Fairplay-Preis und ist damit der einzige Verein, dem diese Ehre erwiesen wurde.
Der Verein ist also in dem Sinne mehr als nur ein Verein, in seinem Fall gehören Sport, Politik und soziales Engagement zusammen – etwas, was nicht selbstverständlich und sogar einzigartig in der heutigen Welt ist. Der FC Barcelona umfasst Bereiche, die über den Sport hinausgehen und zeigt damit, dass auch Sportorganisationen positiv zum gesellschaftlichen Geschehen beitragen sollten. Dies unterstreicht die Vorbildfunktion des Vereins.
Unter dem Aspekt der Vorbildfunktion kommt den Spielern des FC Barcelona eine große Rolle zu. Wenn man „Més que un club“ konkretisiert, dann bedeutet das Motto auf die Spieler angewandt auch, dass sie mehr als nur Spieler sind. Man kann getrost sagen, dass das Spiel um einiges fairer wäre, wenn sich jeder Akteur auf dem Platz an Iniesta oder Messi orientiere. Regelmäßig stellen die Blaugranas die fairste Mannschaft der Saison. Abseits des Platzes müssen die Spieler sich vergegenwärtigen, dass alles, was sie tun, auch auf den Verein zurückstrahlt – eine enorme Verantwortung, deren sich der Großteil wirklich bewusst ist. Doch über diese soziale und politische Ebene hinaus hat das Vereinscredo auch noch eine weitere Bedeutung.
Das Dreieck der Barça-Identität
Denn „Més que un club“ bedeutet auch, dass der Verein in den Bereichen Wirtschaft und Sport eine herausragende Rolle einnimmt. Der FC Barcelona ist mehr als ein Verein, weil er sowohl finanziell als auch in sportlicher Hinsicht und in sozialem Engagement außergewöhnlich ist. Nur wenn der Verein seine Ziele in allen dieser drei Felder gleichermaßen und gleichzeitig umsetzt, kann er auch dem Vereinscredo weiterhin gerecht werden. Denn soziale Projekte kosten Geld und Geld gibt es nur, wenn man aus sportlicher Sicht erfolgreich ist.
Das soziale Engagement des Vereins ist unbestreitbar – und auch in den übrigen zwei Bereichen scheint alles in bester Ordnung zu sein. Vor weniger als einem Monat wurde mit 679 Millionen Euro der Rekordumsatz aus der letzten Saison verkündet, die Schulden konnten von 328 auf 271 Millionen Euro vermindert werden. Der FC Barcelona hat verkündet, dass der Verein sogar um 45.9 Millionen mehr eingenommen habe als vor der Saison geplant. Klingt erst einmal gut bis sehr gut. Demnach hat man zu Beginn der vergangenen Saison mit einem Umsatz von ca. 633 Millionen Euro gerechnet. Wie kommen denn nun die unerwarteten zusätzlichen Einnahmen zustande?
Interessanterweise ergeben die Einnahmen aus den Abgängen von Adama Traoré (10 Mio.), Marc Bartra (8 Mio.) und Pedro (27 Mio.) zusammen die Summe von 45 Mio. Euro. Heißt: Ohne diese Transfers hätte der Verein den angekündigten Umsatz von 670 Millionen Euro, der schließlich übertroffen wurde, gar nicht erreichen können. Viele Fans wundern sich über die Ausstiegsklauseln in den Verträgen der Spieler. Bei Marc Bartra wurde eine Ausstiegsklausel in Höhe von 8 Millionen Euro in den Vertrag eingebaut. Fragt sich nur, warum? Anscheinend sind diese Transfers notwendig, um die Zahlen, die man haben will, zu erreichen.
Ein weiterer Aspekt ist die Zusammenarbeit mit Qatar Airways. Sollte in den kommenden Jahren wirklich die Umbenennung des Stadions in „Qatar Airways Camp Nou“ stattfinden, würde das viel zum Image-Wandel des FC Barcelona beitragen – im negativen Sinne.
Im Bereich des Sports holt Barça weiterhin Titel um Titel, zuletzt erst den Super-Cup. Doch ein Blick auf die oben genannten Abgänge verweist auf ein anderes Problem: La Masia. Genauer gesagt die Nichtbeachtung der Jugendakademie des FC Barcelona, welcher man die besten Jahre in der Geschichte des Vereins zu verdanken hat. Während unter Pep Guardiola viele neue Spieler ihr Debüt für die erste Mannschaft gaben, sinkt das Vertrauen, welches in die Jugendspieler gesetzt wird, mit jedem neuen Trainer seit Guardiola. Unter Gerardo Martino, über den gesagt wurde, dass er sehr viel Barça-DNA in sich trage, kamen Spieler aus der eigenen Jugend nur selten zum Einsatz.
Momentan gibt es jedoch Hoffnung, und diese Hoffnung hat sozusagen zwei Namen: Zum einen Denis Suárez, der ein sehr großes Potenzial besitzt, sich aber gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen muss, und zum anderen Sergi Roberto. Letzterer überzeugt auf der Position des Rechtsverteidigers. Mit ihm könnte es endlich wieder ein Jugendspieler langfristig in die Startelf schaffen. Dies war das letzte Mal vor sechs Jahren der Fall!
Barça ist mehr als ein Klub, weil man mit der eigenen Jugend der beste Verein der Welt war und ist. Es ist wichtig, die goldene Mitte zwischen La-Masia-Spielern und Spielern von außerhalb zu finden. Teilweise scheint es aber so, dass der Kader und die Startelf von Nicht-La-Masia-Spielern dominiert werden. Während es früher „Mit La Masia zum Erfolg!“ hieß, heißt es heute teils: „Erfolg oder La Masia“. Jedoch muss man weiter abwarten und wir Fans werden mit Vergnügen die weitere Entwicklung von Roberto, Suárez und Co. verfolgen.
Wie betrifft das Vereinscredo jeden einzelnen Fan?
Wir haben beleuchtet, warum Barça mehr als ein Klub ist – wegen seiner Verbundenheit mit Katalonien, wegen seinem sozialen Engagement, den Werten, die der Verein vertritt und nicht zuletzt auch wegen dem finanziellen und sportlichen Erfolg, den der Verein verzeichnen kann. Dieser Erfolg aber ist immer einer Spielidee und Philosophie untergeordnet gewesen, die seit vielen Jahren dieselbe ist. Auch das macht den Verein einzigartig. Nun stellen sich folgende zwei Fragen: Erstens, welche Auswirkungen hat das Vereinscredo „Més que un club“ auf mich als Fan? Und zweitens, wie geht man mit Fehlentwicklungen im Verein um?
Zur ersten Frage lässt sich sagen, dass man dem Vereinsmotto zufolge auch selbst mehr als ein Fan sein sollte. Wann kann man von sich behaupten, mehr als ein Fan zu sein? Ein gewöhnlicher Fan unterstützt seinen Verein, weil er den Fußball liebt. Natürlich spielt der Fußball für uns eine große Rolle und manch einer ist vielleicht nur wegen Ronaldinho oder Messi zum Fan geworden. Doch als Fan eines Vereins wie des FC Barcelona sollte man sich über seine Geschichte hinreichend informieren. Ein Blick in die Geschichte des Vereins ist auch ein Streifzug durch die Geschichte Barcelonas, Kataloniens, Spaniens. Man muss nicht mal die Unabhängigkeit Kataloniens unterstützen, aber Bescheid wissen sollte man in jedem Fall! Dann bekommen auch die Spiele des FC Barcelona eine neue Bedeutung und jedes geschossene Tor erfüllt einen mit noch größerer Freude. Ganz abgesehen davon, dass man jeden gewonnenen Clásico um einiges mehr genießt.
Zur zweiten Frage: „Mes que un club“ bedeutet nicht, dass der Verein perfekt ist. Schließlich haben alle Vereine und Organisationen der Welt eine Gemeinsamkeit – sie werden von Menschen geführt und Menschen sind unvollkommen. Fehlentwicklungen sind unvermeidlich. Außerdem können Fehlentwicklungen den Verein auch stärker machen, indem man dazulernt. Dazu braucht man nur an die ersten Jahre des FCB zurückzudenken. Kaum zehn Jahre nach der Gründung des Vereins, im Jahr 1908, war die Existenz des Vereins bedroht. Der Verein war praktisch für tot erklärt worden. Doch Joan Gamper war sich bewusst, dass der Verein weiter bestehen bleiben wird, und erwies sich zu der Zeit als Retter. Daraus wird ersichtlich, dass Fehlentwicklungen natürlich beachtet und behoben werden sollen, allerdings gehören auch sie zur Geschichte Barças dazu.
Dass der Verein jedoch trotz solcher Fehlentwicklungen und schwierigen Zeiten seine Identität bis jetzt nicht verloren hat, macht ihn wirklich zu mehr als einem Klub und zum besten Verein der Welt. Wer sich mit der Geschichte Barcelonas und aktuellen Geschehnissen rund um den Verein näher bekannt machen will, dem steht auf Barçawelt und auch abseits der Seite ein breites Angebot zur Verfügung. Hier eine kleine Sammlung von uns:
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