Bildquelle: fcbarcelona.com
Zur neuen Saison wird Ex-Barça-Coach Pep Guardiola den FC Bayern München übernehmen, aber bis es so weit ist, nimmt er sich Zeit für andere Dinge. So war er erst vor kurzem in Argentinien und hielt dort am 05.05. einen Vortrag, bei dem er gewisse taktische Entscheidungen während seiner Zeit beim FC Barcelona erörterte. Größtenteils ging es hierbei um Lionel Messi und der Veränderung seiner Rolle weg vom inversen Flügelstürmer hin zur “Falschen Neun”.
Glücklicherweise filmte einer der Zuhörer diesen Vortrag, wodurch nun auch wir in den Genuss von Guardiolas Aussagen kommen können. Guardiola verwendete einige Bilder von Spielszenen, um seine Ausführungen zu veranschaulichen. Ich werde im Folgenden immer in eckigen Klammern angeben, an welcher Stelle im Video das entsprechende Bild zum gerade ausgeführten Aspekt zu finden ist. Vorneweg sei aber schon einmal erwähnt, dass die Qualität des Videos nicht die allerbeste ist, dennoch hoffe ich, dass die grundlegenden Dinge zu erkennen sind.
[1:18] Guardiola erklärt, dass für ihn der beste Spieler ins Zentrum gehört und dass dies der Hauptgrund dafür war, Messis Rolle zu verändern. Messi sollte mehr in das Spiel der Mannschaft eingebunden werden, was teilweise in Guardiolas erster Saison (2008/09) nicht so war. Barças ehemaliger Übungsleiter merkt an, dass die Mannschaft mindestens 15 Pässe spielen muss, um einen guten Übergang zwischen Defensive und Offensive zu haben. Zudem muss die Mannschaft komplett als Einheit aufrücken. Der Schlüssel hierzu ist, das Spiel durch das Zentrum aufzuziehen. Und genau hier liegt das Problem: Messi wirkte in einigen Spielen der Saison 08/09 zu isoliert und bekam laut Guardiola zu wenig Ballkontakte.
[2:28] Als Beispiel führt Guardiola den Clásico aus jener Saison an (2-0 für Barcelona im Camp Nou). Barcelona agierte wie gewohnt in einem 4-3-3 mit Messi auf dem rechten Flügel. Real Madrid verteidigte so, wie es damals laut Guardiola 99% der Gegner machten: Sie spielten mit Manndeckung gegen Barcelona. Jeder katalanische Akteur wurde individuell gedeckt. Jeder Madrilene hatte seinen Gegenspieler bis auf einen der beiden Innenverteidiger, schließlich spielte Barcelona nur mit einem Stürmer. Zudem musste Madrids Stürmer beide Innenverteidiger von Barcelona decken.
[3:40] Guardiola erklärt, dass Barcelona versuchte Real Madrid dadurch zu “provozieren”, dass einer der beiden Innenverteidiger – logischerweise immer der, der gerade nicht vom gegnerischen Stürmer gedeckt wurde – nach vorne schob. So erzielte Barcelona wieder eine Überzahl im Zentrum, was für Guardiola immer das große Ziel war. “Pep” merkt hierbei auch an, dass dieses “provozieren” natürlich ein großes Risiko birgt, da der Gegner bei einem Ballverlust des aufrückenden Innenverteidigers sehr viel Platz vorgefunden hätte. Letztlich müsse der Trainer entscheiden, ob er bereit ist, dieses Risiko einzugehen.
[4:40] Nun beschreibt Guardiola eine Spielszene von Messi. Der Argentinier zog mit dem Ball nach innen, während der Außenverteidiger, also Dani Alves außen blieb. Zu der damaligen Zeit war es einfach Messi zu jagen, da sein Bewegungsradius vor allem durch die Seitenauslinie eingegrenzt war, welche laut Guardiola der beste Verteidiger sei.
[5:15] Als nächstes Spiel führt Guardiola das Rückspiel aus der Saison 08/09 gegen Real Madrid im Santiago Bernabéu (6-2 für Barcelona) an. Er erklärt, dass er und sein Trainerteam damals zum ersten Mal darüber nachdachten, was passieren würde, wenn der Außenstürmer nicht nach innen zieht, sondern sich der Stürmer tief fallen lassen würde. Hätten die gegnerischen Innenverteidiger den Mut, Messi (der den eben beschriebenen Stürmer spielte) zu verfolgen?
[5:55] In dieser Szene kann man sehen, wie Barcelonas Flügelstürmer von Madrids Außenverteidigern gejagt wurden, während die Innenverteidiger ihre Position hielten und Messi nicht bis ins Mittelfeld verfolgten. Sie taten dies nicht, da sie hinter sich keinen Raum entblößen wollten, den dann Barcelonas Außenstürmer oder Mittelfeldspieler nutzen könnten. Die Außenverteidiger haben es hier viel leichter, erklärt Guardiola. Sie können ihre Gegenspieler (also die Außenstürmer) verfolgen, wenn diese einziehen, da sie von der Seitenauslinie unterstützt werden.
[7:10] Dadurch, dass Messi sich ins Mittelfeld fallen ließ, hatte Barcelona dort nun eine numerische Überlegenheit mit Xavi, Iniesta und Messi gegen Madrids Doppelsechs Gago und Diarra. Laut Guardiola kann man sowohl das Offensiv- als auch das Defensivspiel besser kontrollieren, wenn man das Zentrum beherrscht, und genau dazu war diese numerische Überlegenheit da. Guardiola sagt weiter, dass man in dem Falle, dass der Gegner versucht den Platz sehr eng zu machen, auf außen viel Platz finden würde.
[9:08] Das nächste Spiel, auf das sich Guardiola bezieht, ist wieder ein Clásico; welcher, ist nicht ganz klar. Ich persönlich meine, dass es das Hinspiel der Saison 09/10 im Camp Nou (1-0 für Barcelona) war, bevor der Siegtorschütze Ibrahimovic eingewechselt wurde. Jedenfalls sagt Guardiola zu diesem Spiel, dass Barça ein Risiko einging und defensiv viel Raum entblößte. Barcelona stand höher, und dies taten die Katalanen, weil die gegnerischen Innenverteidiger nun damit anfingen, Messi zu jagen und es so für Barcelona wieder etwas schwerer wurde, die gewünschte numerische Überlegenheit im Zentrum herzustellen. Guardiola: „Ich wurde Trainer, um herauszufinden, was der Gegner macht und um darauf Antworten zu finden.”
Update
[11:00] Dies ist das letzte Beispiel, das Guardiola anführt. Es handelt sich um den Hinspiel-Clásico der Saison 11/12 (3-1 für Barcelona). In diesem Spiel nahm Guardiola eine weitere Änderung vor: Er „opferte“ einen der vier Verteidiger und setzte ihn als Flügelstürmer ein. Dadurch konnte einer der beiden nominellen Außenstürmer, in diesem Fall Alexis Sánchez, vom Flügel in die Sturmspitze ziehen. Somit nahm er den Innenverteidigern von Real Madrid die Möglichkeit Messi zu jagen. Sollte nämlich einer der beiden Innenverteidiger herausrücken, so würde er damit Sánchez enorm viel Raum offenbaren. Guardiola erklärt, dass es hilfreich ist, Überzahl im Zentrum zu haben, man jedoch defensiv eine Drei-gegen-drei-Situation gegen die besten Stürmer der Welt (gemeint sind die Stürmer Real Madrids) hätte. Laut Guardiola muss der Trainer entscheiden was er möchte, aber er muss auch wirklich daran glauben, ansonsten würde er die Spieler nicht überzeugen können. Guardiola: „Fussball ist wie Schach. Du musst wissen, was der Gegner macht, seine Bewegungen, um dann Anpassungen vorzunehmen.“
[12:45] In dieser Szene rückt ein Madrider Innenverteidiger heraus und verfolgt Messi. Nun müssen beide Teams in einem Drei-gegen-drei verteidigen. Laut „Pep“ ist nun sein eigenes Team entblößt, das des Gegners aber auch. Guardiola: „Nun muss man schauen, wer mehr daraus macht.“
[13:07] Nun kehrt der herausgerückte Innenverteidiger zurück auf seine angestammte Position, wodurch Madrid wieder in Überzahl (vier-gegen-drei) verteidigt. Jedoch hat Barcelona jetzt im Mittelfeld eine Vier-gegen-drei-Situation und damit genau das, was Guardiola möchte: Numerische Überlegenheit im Zentrum.
Ein großer Dank gilt dem Twitter-User @migerucb, der sich die Mühe machte die Aussagen Guardiolas aus dem Spanischen ins Eglische zu übersetzen und mir somit erst die Möglichkeit bot den Vortrag zu verstehen und nun ins Deutsche zu übersetzen. Seine Zusammenfassung, angereichert mit einigen persönlichen Meinungen findet ihr HIER.
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