Mehr denn je befindet sich der FC Barcelona im Zwiespalt zwischen den entgegengesetzten Polen ‘Wahrung von Traditionen’ sowie ‘Kommerzialisierung’ – dabei wird die Gesinnung des künftigen Präsidenten – der am 18. Juli gewählt wird – zu einem dieser Pole hin die Marschroute des Vereins vorgeben. Insbesondere die Fans spaltet dieses Thema enorm – häufig wird die Meinungsbildung jedoch durch mangelnde Ehrlichkeit sich selbst gegenüber sowie populistische und intransparente Aussagen der Präsidentschaftskandidaten geprägt.
Wahrung der Traditionen um jeden Preis
Vor einer Annäherung an diese Debatte sollte sich jeder Anhänger in Selbstreflexion üben und überlegen, wo die eigenen Prioritäten liegen bzw. welche Szenarien in der Realität denkbar sind. Wer sich als radikaler Befürworter der Wahrung von Traditionen im Sinne von La Masia, Katalonien und kaum bis gar keine Sponsoren befürwortet, muss diesen Weg auch konsequent zu Ende denken und einen wahrscheinlichen Abfall der Leistungsfähigkeit akzeptieren. Denn nicht jeder Jahrgang wird Genies wie Xavi, Iniesta, Busquets oder Messi hervorbringen. Und ohne große Sponsoren wird man auf dem Markt kaum noch Wunschspieler verpflichten bzw. ausreichend Gehalt zahlen können, möchte der Verein nicht bald als zahlungsunfähig gelten. Was den Hardcore-Traditionalisten dann noch bleibt, ist womöglich nur noch das längs gestreifte Trikot.
Radikale Kommerzialisierung
Auf der anderen Seite der Medaille gibt es die Möglichkeit, eine extreme Kommerzialisierung zu befürworten. Hier gibt es kaum Grenzen – auf eine zu starke Moralisierung im Sinne von ‘més que un club’ muss hier gänzlich verzichtet werden. Die Trikots werden dann im Stile von Eishockey-Mannschaften nur so von Sponsoren wuchern, die Namensrechte sämtlicher Spielstätten – insbesondere des Camp Nou – verkauft und viele weitere externe Geldquellen angezapft werden, die dann in Verbindung mit dem FC Barcelona stehen. Das Stadion wird von Anhängern aufgrund horrender Eintrittspreise sowieso nur noch von außen begutachtet werden können und die Mannschaft wird kaum noch aus Eigengewächsen bestehen. Am Ende dieses Weges steht der Verlust jeglicher Identität – als Fan kann man sich dann nur noch bedingt mit dem Verein seines Herzens identifizieren.
Mittelweg
Selbstverständlich gibt es auch einen Mittelweg dieser beiden Extremvarianten, der wohl grundsätzlich von den meisten Anhängern befürwortet wird. Der Verein könnte sich hier auf der einen Seite auf La Masia und die Wahrung offensiver Fußballkunst fokussieren und gleichzeitig gezielt Sponsoren an Land ziehen, die es erlauben, sich punktuell auf dem Transfermarkt zu verstärken, Gehälter zu bezahlen oder auch die Infrastruktur zu erhalten bzw. zu erweitern. Die Wahl der Sponsoren könnte dann jedoch wieder an die so häufig zitierten noblen Werte des Vereins angepasst werden.
‘Més que un club’, so lautet das geflügelte Wort; mittlerweile zu einem billigen Slogan verkommen, der nur noch politisch instrumentalisiert und ad absurdum geführt wird. Der erste Schritt muss daher von den Culés höchstpersönlich getan werden – wer sich mit diesem Motto identifiziert, muss diesem also nach bestem Wissen und Gewissen treu bleiben. Dazu gehören auch unliebsame Entscheidungen, wie etwa auf den Kauf eines offiziellen Trikots zu verzichten. Als Mitglied des FC Barcelona sollte natürlich vor allem der Wahlpflicht nachgegangen und im Wohle des Vereins gewählt werden.
Quintessenz
Einem Präsidenten darf weder zugejubelt werden, wenn er den Verein finanziell in neue Höhen katapultiert, dabei aber sämtliche Identität zerstört, noch umgekehrt. Es gilt letzten Endes den Balanceakt zwischen Wahrung von Traditionen auf der einen sowie Kommerzialisierung auf der anderen Seite zu halten. Es wäre sozusagen ein Weg der Wahrung tatsächlich positiver Traditionen sowie Werte und einer sanften Kommerzialisierung samt moralischem Antlitz.
Fazit
Insbesondere als Anhänger des FC Barcelona muss man sich dieser Tage intensiv mit dem Zwiespalt der Wahrung von Werten sowie der Kommerzialisierung auseinandersetzen, bestimmt doch die grundsätzliche Gesinnung des künftigen Präsidenten maßgeblich die Marschroute kommender Jahre. Dabei darf man sich allerdings von Vernebelungen und inhaltsleeren Worten sowie Versprechungen der Präsidentschaftskandidaten nicht zu leicht aus der Bahn werfen lassen.
Ganz allgemein wirft diese Debatte die Frage auf: Ist man (eher) Idealist oder (eher) Pragmatiker? Zwischen diesen beiden Extremen existiert jedoch auch ein (oftmals) gesunder Mittelweg. Im konkreten Fall wäre dies der Weg der Wahrung tatsächlich positiver Traditionen sowie Werte und einer sanften Kommerzialisierung samt moralischem Antlitz.