Entscheidung im Fall Luis Suárez erwartet: Kann der Barça-Stürmer auf Milderung hoffen?

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Am kommenden Montag wird die Verkündung des Urteils des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) in der Causa Luis Suárez erwartet. Während des WM-Vorrundenspiels seiner Uruguayer gegen die Italiener am 24. Juni hat er seinem Gegenspieler Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen und für einen heftigen Eklat gesorgt. Die FIFA-Disziplinarkommission hat das Fehlverhalten des Barça-Neuzugangs mit heftigen Sanktionen geahndet und keine Milde walten lassen. Wird das harte Urteil der Kommission auch vor dem Internationalen Sportgerichtshof Bestand haben?

Die Beißattacke von Luis Suárez gegen Giorgio Chiellini könnte den Stürmer teuer zu stehen kommen: Die FIFA-Disziplinarkommission (Art. 62 FIFA-Statuten) hat unmittelbar nach dem Spiel Uruguay-Italien Ermittlungen gegen den Neuzugang von Barça aufgenommen und ein Sanktionspaket erlassen, das es in sich hat. Es verwundert daher nicht, dass sich der Spieler vehement dagegen zu Wehr setzte und ein Einspruchsverfahren bei der Berufungskommission in die Wege leitete. Der am 3. Juli bei der Berufungskommission (Art. 64 FIFA-Statuten) eingehende Einspruch wurde allerdings binnen einer Woche abgeschmettert – bei der FIFA scheint man nicht gut auf den Spieler zu sprechen zu sein.

Die Sanktionen im Überblick

  • Sperre für 9 Pflichtspiele der Uruguayer
  • Verbot jeglicher in Zusammenhang mit dem Fußball stehender Tätigkeiten (4 Monate)
  • Stadionverbot für den ganzen Stadionbereich (4 Monate und 9 Spiele der Uruguayer)
  • Geldstrafe in Höhe von CHF 100.000

Die letzte Hoffnung von Luis Suárez und dem FC Barcelona ist der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne. Nach Art. 66 der FIFA-Statuten erkennt FIFA das CAS (Court of Arbitration for Sport) als unabhängiges Schiedsgericht an. Seit dem Jahr 2002 ist das CAS als letzte Instanz für die letztinstanzlichen Entscheide der FIFA zuständig. Berufungen gegen die Entscheide der FIFA müssen innerhalb von 21 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidungen eingereicht werden. Ist eine Sperre Gegenstand der Berufung, so darf das CAS nur dann angerufen werden, wenn die Sperre eine Zeit von drei Monaten und die Zahl von vier Spielen übersteigt. Mit seiner Länderspielsperre von 9 Pflichtspielen und der Globalsperre von vier Monaten durfte sich Suárez also an das Internationale Sportgericht wenden. Seine Berufung hat allerdings nach Art. 67 Ziffer 4 der FIFA-Statuten keine aufschiebende Wirkung, sodass die Sanktionen im Zeitpunkt ihrer Verkündung in Kraft getreten sind.

Die Anhänger des FC Barcelona und die Sportwelt warten nun gebannt darauf, ob das CAS das harte Maßnahmenpaket der FIFA-Disziplinarkommission zumindest teilweise kippt. Nach Art. 66 Ziffer 2 der FIFA-Statuten gelten für Schiedsgerichtsverfahren die Bestimmungen des Reglements für das Schiedsverfahren des CAS. Entscheidend ist der zweite Halbsatz: „Das CAS soll in erster Linie die verschiedenen Reglemente der FIFA sowie ergänzend das Schweizer Recht anwenden.“ Für das CAS geht bzw. ging es also vor allem darum, die Entscheidung der FIFA auf Rechtsfehler (Art. 121 FIFA-Disziplinarreglement) zu untersuchen, unterstellt, bei den Tatsachenfeststellungen sind ihnen keine Fehler unterlaufen; davon kann man angesichts der klaren Videosequenzen, die voll verwertbar sind, ausgehen.

FIFA kann Sanktionen kombinieren und auf CL sowie Liga erstrecken

Hierbei sind zunächst einmal einige grundsätzliche Feststellungen zu treffen, bevor der Strafrahmen und die konkrete Strafzumessung in den Blick genommen werden. Gemäß Art. 32 des FIFA-Disziplinarreglements sind Kombinationen von zur Verfügung stehenden Sanktionen möglich. Der FIFA war es damit gestattet, Luis Suárez für 9 Länderspiele zu sperren, ihn global für 4 Monate zu sperren, ihm eine Geldstrafe aufzuerlegen und ein Stadionverbot für vier Monate bzw. 9 Spiele der Nationalmannschaft zu erteilen. Auch kann die Entscheidung der FIFA-Disziplinarkommission samt der Bestätigung durch die Berufungskommission nicht mit dem Einwand gerügt werden, die Sanktion gehe über Länderspiele hinaus. Die UEFA ist nämlich ein Kontinentalverband der FIFA, während sich der spanische Verband als Nationalverband der FIFA anschloss. Art. 13 Ziff. 1 lit. a der FIFA-Statuten: „Die Mitglieder haben folgende Pflichten: jederzeitige Einhaltung der Statuten, Reglemente, Weisungen und Entscheidungen der Organe der FIFA sowie der Entscheide des Court of Arbitration for Sport (CAS) bei Berufungen in Übereinstimmung mit Art. 66 Abs. 1 der FIFA-Statuten.“ Und um es rund zu machen: Nach Art. 39 Ziff. 2 FIFA-Disziplinarreglement kann die Sanktion auf eine geografische Region oder eine bestimmte Kategorie/bestimmte Kategorien von Spielen oder Wettbewerben begrenzt sein. Hieraus folgt eine umfassende Strafgewalt der FIFA in Ansehung des Anwendungsbereichs des Disziplinarreglements.

Wie hoch ist der Strafrahmen der Einzelstrafen?

Kommen wir nun zu den einzelnen Strafen. Um einen Eindruck von der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der FIFA-Disziplinarkommission zu bekommen, bietet sich ein Studium der Strafrahmen an.

1. Sperre für 9 Länderspiele

Der Strafrahmen für eine Spielsperre folgt aus Art. 19 FIFA-Disziplinarreglement. Nach Ziffer 3 ist eine Sperre bis zu 24 Spielen oder 24 Monaten möglich. Hier ist also alles im grünen Bereich – die Strafe bewegt sich in der Nähe des mittleren Bereichs.

2. Geldstrafe in Höhe von 100.000 Schweizer Franken

Art. 15 Ziffer 2 sieht eine Geldstrafe von mindestens CHF 300 und höchstens 1.000.000 vor. Die Strafe befindet sich damit eher im unteren Bereich.

3. Doppeltes Stadionverbot

Luis Suárez darf vier Monate lang kein Stadion betreten. Zusätzlich ist ihm der Zutritt zum gesamten Stadionbereich für die nächsten 9 Spiele der Uruguayer verboten. Die Möglichkeit der Verhängung eines Stadionverbots folgt aus Art. 11 lit. 3 FIFA-Disziplinarreglement; die Konkretisierung in Art. 21 gibt keinen Strafrahmen vor.

4. Verbot jeglicher in Zusammenhang mit dem Fußball stehender Tätigkeit

4 Monate ist es Luis Suárez untersagt, jegliche mit dem Fußball im Zusammenhang stehende Tätigkeit auszuüben. Die Konkretisierung in Art. 22, die sich auf den administrativen, sportlichen und andere Bereiche bezieht, gibt über den Strafrahmen keinen Aufschluss.


 

Zumindest zwei der vier Strafen liegen innerhalb des Strafrahmens. Beim Stadionverbot und bei dem Globalverbot ist im Disziplinarreglement kein Strafrahmen vorgegeben, was jedoch nicht bedeutet, dass nach oben hin alles offen ist. Die FIFA ist gehalten, eine schuldangemessene Bestrafung zu verhängen und bei der Strafzumessung ihre eigens auferlegten Vorgaben einzuhalten. Zudem ist die Dauer einer Sanktion nach Art. 39 Ziffer 3 des FIFA-Disziplinarreglements immer beschränkt. Ziffer 4 ist die Kernnorm der Strafzumessung: „Die zuständige Instanz misst die Strafe unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren nach dem Verschulden zu.“ Hierzu äußerte sich Claudio Sulser, Vorsitzender der FIFA-Disziplinarkommission: 

Ein solches Verhalten kann auf keinem Fußballplatz toleriert werden, insbesondere nicht bei einer FIFA Fußball-Weltmeisterschaft, wenn sich die Blicke von Millionen von Zuschauern auf die Stars auf dem Feld richten. Die Disziplinarkommission berücksichtigte in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen des Kodex alle Faktoren des Falles und den Grad der Schuld von Herrn Suárez. Die Entscheidung tritt im Moment der Mitteilung in Kraft

Hat die FIFA bei der Strafe über die Stränge geschlagen?

Fußballgrößen wie Diego Maradona und auch das Opfer selbst, Giorgio Chiellini, bezeichneten die Strafe im Nachhinein als überzogen. In Uruguay entlud sich ein Sturm der Entrüstung im Hinblick auf die Entscheidung der FIFA. Anderen ging die Strafe hingegen nicht weit genug. Sie forderten weitergehende Maßnahmen dahingehend, den Spieler einer therapeutischen Behandlung zu unterziehen, damit Entgleisungen wie zuletzt in Zukunft nicht mehr vorkommen. Eine solche Möglichkeit sieht der Maßnahmenkatalog der FIFA allerdings nicht vor.

Sollte der Internationale Sportgerichtshof den Biss von Luis Suárez feststellen, wovon angesichts des Videomaterials auszugehen ist, so dürfte nicht mehr viel Raum für eine Korrektur der Strafe nach unten bestehen. Suárez hat eine vorsätzliche Tätlichkeit verübt und ist deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Streng genommen handelt es sich hierbei sogar um eine Körperverletzung, die in Deutschland unter Umständen sogar von Amts wegen nach § 223 Abs. 1 StGB verfolgt worden wäre. Der Uruguayer hat zielgerichtet zugebissen und es kam ihm augenscheinlich sogar darauf an, seinem Gegner Schmerzen zuzufügen. Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass der Stürmer negativ in Erscheinung tritt. 2010 und 2013 gab es ebenfalls Beißattacken in der niederländischen Eredivisie sowie in der Premier League. Ein Wiederholungsfall nach Artikel 40 des FIFA-Disziplinarreglements liegt dem Grunde nach vor; allerdings ist der Anwendungsbereich des Reglements nach Artikel 2 auf „für alle von der FIFA organisierten Spiele und Wettbewerbe“ beschränkt. Trotzdem konnten die Disziplinarkommission und die Berufungskommission der FIFA das Fehlverhalten der Vergangenheit in ihre Erwägungen mit einfließen lassen.

Das spricht für den Barça-Stürmer

Auf der anderen Seite ist die verhängte Strafe auch mit Blick auf den Handlungs- und Erfolgsunwert von Suárez sehr hart. Es wurden gleich vier Maßnahmen verhängt, um dem Spieler ein solches Verhalten abzugewöhnen und das begangene Unrecht zu vergelten. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Bestrafung insbesondere vor dem Hintergrund der laufenden Fußball-WM derart hart ausgefallen ist und die FIFA damit ihren Ruf ein wenig aufpolieren wollte. Zum Vergleich: Vor einem deutschen Strafgericht wäre Suárez wahrscheinlich mit einer Geldstrafe davongekommen. Von einem Verbrechen kann somit nicht im Entferntesten die Rede sein.

Ferner ist die öffentliche Entschuldigung von Suárez in die Waagschale zu legen und strafmildernd zu berücksichtigen. Auch die Stellungnahme des Opfers Chiellini ist zu beachten, der die verhängte Strafe für überzogen hielt und das Geschehen herunterspielte. Relativiert wird die Entschuldigung allerdings dadurch, dass eine geständige Einlassung fehlt. Suárez bestreitet bis heute, absichtlich zugebissen zu haben. Es sei vielmehr ein Zusammenstoß gewesen, der unglücklicherweise Bissspuren bei Chiellini hinterlassen habe. Wenn das CAS die Videoaufnahmen anders wertet, könnte es Suárez mangelnde Einsicht unterstellen. Mit einem klaren Geständnis hätte Suárez womöglich bessere Karten auf der Hand.

Wird ein Teil der Strafe zur Bewährung ausgesetzt?

Alles in allem sieht es danach aus, als müsste der FC Barcelona noch eine ganze Weile auf Luis Suárez verzichten. Die Kommission hat zwar gleich mehrere Sanktionen verhängt, der Strafrahmen der Einzelstrafen bewegt sich aber doch eher am unteren bzw. mittleren Bereich der Skala. Der Stürmer kann sich sogar glücklich schätzen, dass die Kommission von den rechtlichen Möglichkeiten des Artikels 34 des FIFA-Disziplinarreglements keinen Gebrauch gemacht hat. Darin heißt es: „Die Laufzeit einer zeitlich definierten Sperre kann bei ruhendem Spielbetrieb und zwischen den Spielzeiten unterbrochen werden.“ Diesbezüglich hat die FIFA keine Erklärung abgegeben, sodass die Sperrfristen weiter laufen.

Ein glimpflicher Ausgang des Verfahrens ist möglich, wenn das Internationale Sportgericht Artikel 33 des FIFA-Disziplinarreglements auf dem Schirm hatte. Hier werden die Aussetzung von Sanktionen zur Bewährung und die Voraussetzungen geregelt. Maßgebend soll nach Ziffer 2 vor allem aber die Vorgeschichte der bestraften Person sein. Auch in dieser Hinsicht hat Suárez kein gutes Blatt, es ist jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Richter zumindest einen Teil der Strafe unter den Vorbehalt der Bewährung stellen. Die Bewährungsfrist, d.h. die Zeit, in der sich der Spieler kein weiteres Fehlverhalten leisten darf, beträgt zwischen 6 Monaten und 2 Jahren. Andernfalls lebt die alte Strafe wieder auf und muss verbüßt werden. Wenn das CAS ein oder zwei Monate der Globalsperre zur Bewährung aussetzt, würde dies dem Spieler und dem FC Barcelona bereits sehr zugutekommen.

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