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Anlässlich des 125. Jubiläums des HSV war der FC Barcelona am 24.07. zu Gast in der Hansestadt, um das erste Vorbereitungsspiel zur Saison 12/13 auszutragen. Es war das erste Spiel unter der Regie von Tito Vilanova, der zum ersten Mal als Cheftrainer an der Seitenlinie stand und die vollumfängliche Verantwortung für Erfolg und Misserfolg übernahm. Zahlreich sind die deutschsprachigen Barça-Fans zusammengekommen, um den neuen Trainer willkommen zu heißen. Auch viele Barçawelt-Mitglieder versammelten sich zu diesem Zweck in der Imtech-Arena, um den Beginn einer womöglich großen Ära mitzuerleben. Mit großen Bannern wurde Tito in Empfang genommen und geehrt. Seine Mannschaft startete in Abwesenheit der großen EM-Stars und ohne den verletzungsbedingt fernbleibenden Lionel Messi zwar wenig glanzvoll, aber siegreich in den neuen Zeitabschnitt. Die Vorbereitung sollte makellos verlaufen, trotz namhafter Gegner wie Paris St. Germain oder Manchester United. Die Mannschaft präsentierte sich in einer guten Verfassung, sowohl der erste als auch der zweite Anzug passte einwandfrei. Die erste Ernüchterung sollte aber nicht lange auf sich warten lassen. Ende August stand die Supercopa-Auseinandersetzung mit Real Madrid auf dem Programm und nicht wenige verbreiteten nach den Spielen die Meinung, dass eine Wachablösung in der spanischen Hierarchie bereits in vollem Gange sei.
Supercopa: Rückspiel Kehrseite des Hinspiels
Mourinho gestand die Überlegenheit des FC Barcelona ein
Doch zunächst einmal gab es nur wenig Veranlassung, eine Verschiebung der Machverhältnisse im spanischen Profifußball zu propagieren. Im Hinspiel der Supercopa im Camp Nou setzte sich der FC Barcelona mit 3:2 durch und verschaffte sich eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel. Es war aber weniger das Ergebnis, das viele Anhänger des Vereins freudig stimmte. Die Art und Weise, wie der FC Barcelona über den madrilenischen Widersacher hinweggefegt ist, imponierte sehr, ungeachtet der beiden Gegentoren, die durchaus vermeidbar und eher unglücklichen Ursprungs waren. Die nur sehr widerwillige Bereitschaft von C. Ronaldo, nach hinten zu arbeiten, hat die Heimmannschaft eindrucksvoll für ihre Zwecke genutzt und frequentiert hinter den Raum des Portugiesen gespielt. Xabi Alonso konnte diese Lücke nicht zeitnah schließen, was einen erheblichen Freiraum von Dani Alves zur Folge hatte, den dieser wunderbar nutzen konnte. Auch darüber hinaus stimmte vieles im katalanischen Spiel. Das Angriffs- und Gegenpressing funktionierte hervorragend und führte dazu, dass der FC Barcelona dieses Spiel nach Belieben dominierte. Dies musste auch Mourinho auf der anschließenden Pressekonferenz eingestehen.
Trotzdem gelang es seiner Mannschaft, zwei wichtige Auswärtstore zu erzielen, die sich im Rückspiel noch rächen sollten. Das waren einfache Gegentore, Geschenke an die Gegner, die im Verlauf der Saison nur allzu häufig ein Ärgernis bilden sollten. Glücklicherweise konnte durch eine ausgezeichnete Interaktion zwischen Mascherano und Pedro der sofortige Ausgleichstreffer erzielt werden, nachdem Real Madrid sogar in Führung gegangen war. Die Abwehr der Madrilenen stand ein einziges Mal in dieser Partie relativ weit vorne, um die von Mourinho veranlasste größere Kompaktheit herzustellen. Prompt spielte Mascherano einen herrlichen Ball in den Lauf des durchstartenden Pedro, der diesen dank seiner herausragenden technischen Möglichkeiten zu verarbeiten wusste. Es stand 1:1, Lionel Messi drehte das Spiel kurze Zeit später mit seinem einzigen Treffer des Abends. Xavi vollendete schließlich noch zum 3:1, bevor die Madrilenen kurz vor Schluss in Gestalt von Di Maria der Anschluss gelang. Valdés hat gepatzt und so dieses Tor ermöglicht.
Die Gegentore sollten sich rächen
Das knappe Resultat bildete nur für die wenigsten Culés einen Grund zur Besorgnis. Das Team von Tito Vilanova war im Hinspiel klar überlegen und hätte sich einen deutlicheren Sieg mehr als verdient gehabt. Nur die wenigsten verspürten Zweifel an einem Triumph ihrer Mannschaft. Nach den ersten 30 Minuten waren aber wohl alle Barcelona-Sympathisanten bedient. Der FC Barcelona wurde im Santiago Bernabéu vorgeführt und gedemütigt. Nach dem 2:0 durch die Madrilenen und dem Platzverweis von Adriano mochte kaum einer mehr hinschauen. Die Befürchtung, die Königlichen würden nun für die Vorführung im Camp Nou Revanche nehmen, war allgegenwärtig. So weit sollte es allerdings nicht kommen. Der erste Torschuss der Katalanen, ein von Lionel Messi ausgeführter Freistoß in Strafraumnähe, hat Iker Casillas einmal mehr die Grenzen aufgezeigt. Mit einem 1:2-Rückstand ging es in die Kabine. Die Verschnaufpause hatten die Spieler dringend nötig, um die Erlebnisse aus der ersten Halbzeit halbwegs zu verdauen. Der stetige Wechsel zwischen einer passiven Wartehaltung und dem harten Gegenpressing setzten dem FC Barcelona stark zu. An einen geordneten Spielaufbau war in den ersten 30 Minuten nicht zu denken. Die Verletzung von Dani Alves unmittelbar vor Anpfiff der Partie war sicherlich nicht förderlich für die eigene Spielweise, ebenso wenig der Rückgriff auf Adriano, der überhaupt keine Zeit fand, sich in seine neue Rolle hineinzudenken.
Der Schiedsrichter lud zur zweiten Halbzeit und mit etwas Verspätung folgten die Spieler seinem Ruf. Die Mannen von Tito Vilanova hatten sich die Quadratur des Kreises zum Ziel gesetzt. In Unterzahl galt es für Messi und Co., einen Rückstand zu drehen, und das auf fremden Terrain. Zur allgemeinen Verwunderung konnte der FC Barcelona den Madrilenen in der zweiten Halbzeit Paroli bieten. Die Forcierung des Tempos in der ersten Halbzeit hat den Spielern von José Mourinho viel abverlangt, sie mussten nun deutlich kürzer treten. Angeführt von einem erstarkten Lionel Messi hat sich der FC Barcelona zwei hochkarätige Torchancen erspielt, mit denen das Spiel hätte gedreht werden können. Jordi Alba und Pedro Rodríguez waren die Protagonisten, welche die Beherrschung über ihre Gebeine verloren und kläglich vergaben. Das Team musste sich Real Madrid mit 1:2 geschlagen geben und konnte die Supercopa nicht verteidigen. Die Leistung in der zweiten Halbzeit war trotzdem aller Ehren wert. Mit zehn Mann ließen sie den Ball zirkulieren und waren im Umschaltspiel brandgefährlich. Die Zuschauer im Bernabéu frohlockten sicherlich ob der 2:0-Führung ihrer Mannschaft und befanden sich in froher Erwartung eines Kantersiegs. Die Blaugrana sollte ihnen diesen Gefallen aber schuldig bleiben. Mit aufopferungsvollem Einsatz wäre es der Mannschaft ihrerseits beinahe gelungen, die Königlichen bloßzustellen.
La Liga: Ein Rekord für die Ewigkeit
16 Siege aus 17 Spielen – Die Welt verneigt sich
Die Niederlage in der Supercopa war kein standesgemäßer Auftakt in die neue Saison. Das Obsiegen in der Supercopa sollte Neutrainer Tito Vilanova einen angenehmen Einstand als Chefcoach bescheren und der Mannschaft Aufwind für die bevorstehenden Aufgaben verleihen. Die Niederlage hat aber eine Debatte darüber entfacht, ob diese wundersame Mannschaft ihren Zenit bereits überschritten hätte. Der Weggang von Pep Guardiola soll demnach der Anfang vom Ende einer glamourösen Ära gewesen sein, an deren Ende sich eine Epoche madrilenischer Vorherrschaft anschließen sollte. So zumindest deuteten einige Journalisten die Zukunft auf Grundlage des Ausgangs der Meisterschaft sowie der Supercopa. In der ex post Betrachtung kann es sich hierbei nur um ein redaktionelles Versehen gehandelt haben, natürlich wollten die einschlägigen Kreise nur auf die Vormachtstellung des FC Barcelona aufmerksam machen.
Nach 17 Spielen stehen unglaubliche 16 Siege zu Buche. Lediglich ein Unentschieden trennte die Mannschaft von einem makellosen Saisonverlauf. Überflüssig zu erwähnen, dass es sich hierbei um einen absoluten Rekordwert handelt, der wohl für alle Ewigkeit Bestand haben wird. Mit 57 Toren schoss der FC Barcelona auch die meisten Tore in der Primera División und musste nur 19 Gegentore hinnehmen – ein guter Wert, Atlético und Real Madrid standen hinten aber noch sicherer und brachten es auf lediglich 17 Gegentore. Wenige Gegentreffer nutzen einer Mannschaft freilich nur wenig, wenn die Offensivleistung hinter der Defensivvorstellung zurückbleibt. Letztlich kommt es nur darauf an, mehr Tore zu erzielen als der Gegner und drei Punkte zu verbuchen. In dieser Disziplin trennten die Katalanen und ihre engsten Verfolger viele Welten. Neun Punkte Vorsprung hat sich der FC Barcelona auf den Zweitplatzierten Atlético Madrid herausgearbeitet, unfassbare 16 Punkte trennen den Verein von dem größten Widersacher namens Real Madrid. Das ist mehr als eine Genugtuung für die verpasste Supercopa, es handelt sich hierbei vielmehr um eine Vorentscheidung, wenigstens im Hinblick auf Real Madrid.
29.9. – Die Culés flippen aus
Die Bilanz spricht eine eindeutige Sprache zugunsten der Katalanen, doch war die bisherige Rekordjagd keineswegs ein leichtes Unterfangen. Vielfach mussten die Spieler einem Rückstand hinterherlaufen und dem Spiel eine günstigere Wendung verleihen. Bereits der zweite Spieltag hatte es in sich und verlangte der Mannschaft alles ab. Nach dem 5:1 Auftaktsieg im heimischen Camp Nou über Real Sociedad erwartete den Copa del Rey-Sieger am 26.8. das hartnäckige Osasuna. Mit ihrem gezielten Pressing hat Osasuna dem FC Barcelona bereits in der Vorsaison mächtig eingeheizt und es stand zu erwarten, dass das Spiel auch diesmal einem Feuertanz gleichen würde. Gleich zu Beginn der Partie zog Osasuna ein hohes Pressing auf und störte das Aufbauspiel der Katalanen damit empfindlich. Folgerichtig gingen die Hausherren in Minute 17 in Führung und es sollte eine halbe Ewigkeit vergehen, bis Barcelona auf dieses Ereignis eine passable Antwort finden würde. Erst die Schlussviertelstunde brachte das ersehnte Happy-End, in der 80. Spielminute stellte Messi mit seinem zweiten Tor des Abends den Endstand her. Schon in der Frühphase der Saison stand also der damals noch unverhoffte Rekord auf der Kippe.
An den Rand einer Niederlage wurden die Mannen von Tito Vilanova bei einem weiteren Auswärtsspiel gegen den FC Sevilla getrieben. Am 29.9. lagen die Blauroten kurz nach der Pause schon mit 0:2 zurück und die meisten Culés haben bereits abgewunken. Die Mannschaft aber kämpfte verbissen und kam in der 53. Spielminute zum Anschlusstreffer. Vier Stürmer auf dem Spielfeld sollten dafür Sorge tragen, dass der Ball ein weiteres Mal die Torlinie passiert, doch lange Zeit tat sich nichts mehr. Der Anbruch der letzten Spielminute sollte der Auftakt zum größten Spektakel der Saison werden und eine dekadente Fankultur begünstigen. Nicht wenigen schießt der Puls auch heute noch nach oben, wenn sie sich an die letzten Sekunden dieses Spiels zurückbesinnen, und ein breites Grinsen verrät die Gemütslage, welche ihnen in jenen Momenten innewohnte. Fàbregas komplettierte seine tolle Vorstellung an diesem Abend mit seinem zweiten Treffer. Bei ihm konnte man den unbedingten Siegeswillen am deutlichsten ablesen. Er übernahm Verantwortung und führte das Team an, das Spiel sollte seine Auferstehung darstellen. Das Estadio Sánchez Pizjuan glich einem Hexenkessen, die Zuschauer konnten nicht wahrhaben, dass dem FC Barcelona doch noch der Ausgleichstreffer geglückt ist, nachdem ihre Mannschaft alles in ihrer Macht stehende getan hat. Damit war der Abend aber noch nicht beendet, die Pointe sollte in buchstäblich letzter Sekunde folgen. Der eingewechselte David Villa beförderte das Spielgerät in der 93. Spielminute vorbei am gegnerischen Schlussmann ins Tor. Der Jubel der Spieler kannte keine Grenzen, während der FC Sevilla am Boden zerstört war. Das Spiel bot alles, was das Fußballherz begehrt. Und wieder hieß der Sieger FC Barcelona.
Auch am 20.10. sollte der FC Barcelona ungeschlagen bleiben und drei Punkte aus der Ferne mit nach Hause nehmen. Gegen Deportivo La Coruna setzte sich die Mannschaft mit 4:5 durch. Zahlreiche leichtfertige Fehler haben das Spiel zu einer engeren Angelegenheit werden lassen, als sie es tatsächlich war. Mit viel Dusel triumphierten die Katalanen auch am 9.12. gegen Real Betis. Angesichts der schweren und engen Auswärtspartien meinte Vilanova, dass die Gegner die Spielweise seiner Mannschaft immer besser verstehen und sich insbesondere daheim zu aufmüpfigen Konkurrenten erheben würden. Am Ende setzte sich der FC Barcelona mit 2:1 bei Real Betis durch. Wann immer die Katalanen aber in anderen Städten gastierten, konnte man sich auf eine enge Angelegenheit einstellen.
Madrilenische Teams zu Gast im Camp Nou
Glücklicherweise durfte das Team seine Spiele gegen Atlético und Real Madrid vor heimischer Kulisse austragen. Am 7. Oktober war Real Madrid zu Gast und knüpfte den Katalanen ein 2:2 ab – jene zwei Punkte, die am Ende zu einer perfekten Hinrunde fehlen könnten. In der 23. Spielminute brachte Superstar C. Ronaldo seine Mannschaft in Führung, keine zehn Minuten später egalisierte Lionel Messi diesen Treffer. Mehr noch, in der 61. Spielminute konnte er sogar den Führungstreffer markieren, bevor C. Ronaldo den Hoffnungen auf einen Sieg einen herben Dämpfer verpasst hat. Es entsprach aber nicht dem Wesen des FC Barcelona, vorzeitig das Handtuch zu schmeißen. In allen engen Partien waren die Ballzauberer stets in der Lage, noch einen draufzulegen und den Sieg zu erzwingen. Auch im Liga-Clásico war ein Sieg in Sichtweite. Alle hielten den Atem an, als Pedro dazu ansetzte, den letzten Angriff der Begegnung abzuschließen. Seine Mannschaft hatte blitzschnell umgeschaltet und es lag nur noch an ihm, dem Ball die Richtung hin zum Tor vorzugeben. Der Ball streifte rasant den Boden entlang und verfehlte das Tor um Zentimeter – Glück für die Madrilenen. Wenige Minuten zuvor hätte Montoya beinahe die Führung besorgt; sein Schuss landete am Aluminium. Schlussendlich blieb es beim leistungsgerechten Remis, ein Ergebnis, mit dem der FC Barcelona gut leben konnte. Acht Punkte betrug der Vorsprung vor der Partie, die Königlichen waren in der Pflicht, den Rückstand in der Meisterschaft zu verkürzen.
Enger beieinander lagen Atlético Madrid und der FC Barcelona, als es zum Showdown im Camp Nou kam. Der Erstplatzierte empfing den Zweitplatzierten aus Madrid, der in der Tabelle sechs Punkte zurücklag. Ursprünglich betrug der Rückstand lediglich drei Punkte, im Stadt-Derby gegen Real Madrid konnte Atlético dem Stadtrivalen aber nur wenig entgegensetzen und verlor verdient mit 2:0. Auch im Camp Nou gab es für Atlético nur wenig zu holen. Eine couragiert gespielte Halbzeit ist nicht hinreichend, um gegen den FC Barcelona zu bestehen. Radamel Falcao brachte Atlético in Halbzeit eins in Führung, nachdem er schon zuvor die ein oder andere Großchance ausgelassen hatte. Stellungsfehler und Unkonzentriertheiten prägten das Spiel des Meisterschaftsfavoriten bis dahin. Mit dem Ausgleich durch Adriano und dem Führungstreffer von Busquets noch kurz vor der Pause war es aber um Atlético geschehen. In der zweiten Halbzeit spielten nur noch die Hausherren und fertigen den Gast mit 4:1 ab. Der Vorsprung auf Atlético betrug nunmehr neun Punkte und sollte auch in den Folgespielen nicht mehr dezimiert werden. Eine beruhigendes Polster für die Rückrunde, auf das die Katalanen sicherlich hin und wieder zurückgreifen werden.
Champions League: Abzüge in der B-Note
Diskussionen um einen “Plan B”
Auch die Vorstellungen in der Champions League geben nur wenig Anlass zur Rüge. Relativ souverän marschierte die Mannschaft zum Gruppensieg und qualifizierte sich für das Achtelfinale. 13 Punkte konnte der FC Barcelona seinem Konto gutschreiben, was gleichbedeutend mit vier Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage ist. In Glasgow gereichte es den Katalanen nicht zum Punktgewinn, 1:2 verloren sie im Celtic Park. Das Spiel nahm allerdings einen recht unglücklichen Verlauf, zu keinem Zeitpunkt war der FC Barcelona seinem Kontrahenten unterlegen. Celtic Glasgow parkte den “Bus” vor das Tor und wartete schlichtweg auf den “Lucky Punch”, der gegen die Katalanen gleich doppelt folgen sollte. In der 21. Spielminute wurde der Grundstein für eine passive Abwehrhaltung des Gastgebers gesetzt, in der 83. Minute das Kunstwerk vollendet. Der Anschlusstreffer von Lionel Messi in der Nachspielzeit kam zu spät. Ähnlich wie nach der Niederlage gegen den FC Chelsea im Champions League Halbfinale der vergangenen Saison entfachte sich eine Diskussion über die Notwendigkeit eines “Plan B” im Spiel der Katalanen. Verkannt wurde dabei allerdings, dass Tito Vilanova in dem besagten Spiel bereits mit einem “Plan B” auftrat. Messi agierte zumeist auf dem rechten Flügel und übergab das Zentrum an die Doppelspitze Sánchez-Pedro. Damit sollten im Zentrum die Durchschlagskraft erhöht und die Voraussetzungen für ein unkonventionelles Spiel geschaffen werden. Mehr gibt das Spielermaterial bei Barcelona einfach nicht her. Im Spieltagsthema haben die Barçawelt-User zu Recht darauf hingewiesen, dass es keinen Sinn macht, einen Barça-untypischen Spielertyp für maximal ein bis zwei Partien in der Saison zu verpflichten.
Diese Niederlage soll aber das Gesamtbild, dass der FC Barcelona in der Champions League hinterlassen hat, nicht trüben. Im Spiel gegen Celtic ging es bereits um die vorzeitige Qualifikation für die Ko-Runde, die dann im darauffolgenden Spiel gegen Sparkak Moskau perfekt gemacht wurde. Im letzten Spiel gegen Benfica Lissabon bekamen jene Spieler die Chance sich zu beweisen, die bisweilen selten zum Zug gekommen bzw. nach einer Verletzung wiedergenesen waren. Das Stammmittelfeld pausierte, Messi war im Kader vertreten, spielte aber nicht von Beginn an. In der 65. Spielminute war es endlich soweit, “La Pulga” betrat das Spielfeld und sollte den Uralt-Rekord von Gerd Müller pulverisieren. Der Abend aber endete in einer halben Tragödie. Messi bekam im Zweikampf mit dem gegnerischen Torhüter einen Schlag aufs Knie und musste mit dem Verletztenwagen heraustransportiert werden. Es stand zu befürchten, dass er sich das Kreuzband im Knie gerissen hatte, was einer monatelangen Abwesenheit gleichkäme. Ein Schnelltest konnte diese Befürchtung aber nicht bestätigen, Messi hatte sich lediglich eine Prellung zugezogen und konnte bereits im nächsten Spiel in der Liga mitwirken.
Siegtreffer in der 94. Spielminute
Das Nervenkostüm der katalanischen Fans wurde auch im Hinrunden-Spiel gegen Spartak Moskau auf die Probe gestellt. Dem russischen Vertreter gelang es im Camp Nou das Spiel zu drehen und den FC Barcelona herauszufordern. Ein Doppelpack von Lionel Messi rückte die Kräfteverhältnisse wieder zurecht und bescherte dem FC Barcelona den ersten Heimerfolg in der Champions League Saison 12/13. Zehn Minuten vor Ende der Begegnung gelang dem kleinen Argentinier sein zweiter Treffer. Dramatischer war nur noch die Hinspielbegegnung gegen Celtic Glasgow. Erst in der 94. Spielminute gelang Jordi Alba der verdiente Siegtreffer gegen den tiefstehenden Gegner aus Glasgow. Diese Beschreibung suggeriert äußerst schwere Partien für den FC Barcelona, das waren sie zum Teil auch. Allerdings darf diese Betrachtung nicht darüber hinwegtäuschen, dass der FC Barcelona in jedem Spiel die dominierende und taktgebende Mannschaft war, die nur allzu häufig versäumt hat, ihre Überlegenheit in Zählbares umzumünzen. Auch ein FC Barcelona kann nicht für sich vereinnahmen, jedes Spiel locker und leicht mit drei Toren Unterschied zu gewinnen. Aus diesem Grund kann man von einer durchaus erfolgreichen und souveränen Champions League-Gruppenphase sprechen.
Copa del Rey: El Clásico rückt näher
Vor dem Hintergrund der vorgenannten Zeilen gliche es einem Wunder, wenn der FC Barcelona nicht auch in der Copa del Rey noch gut dabei wäre. Der Titelverteidiger traf in der ersten Runde auf Deportivo Alavés und setzte sich gegen den Drittligisten mühelos mit einem Gesamtscore von 6:1 durch. Auch die zweite Runde der Copa del Rey vermochte bisher nur wenig Spannung zu vermitteln. Córdoba CF erwartete die Blaugrana im heimischen Estadio Nuevo Arcángel, verlor das Hinspiel jedoch mit 0:2. Das Rückspiel steht zwar noch aus, berechtigte Hoffnungen auf ein Weiterkommen wären aber aus Sicht des Zweitligisten utopisch. Trotzdem war die Vorstellung von Córdoba mutig und ehrenvoll. Mit einem hohen Pressing gelang es ihnen in der ersten Hälfte vorzüglich, den Rhythmus von Barcelona zu stören und sie nicht zur Geltung kommen zu lassen. Einschränkend sei aber gesagt, dass die Startformation der Katalanen weit von einer Bestbesetzung entfernt war. Allem voran fehlte Defensivstratege Sergio Busquets, ein Schlüsselfaktor beim Umspielen des gegnerischen Pressings. In der zweiten Halbzeit konnte Córdoba das Pressing aber nicht aufrechterhalten und ging teilweise unter. Nimmt der FC Barcelona auch die Hürde des Viertelfinals, so erwartet uns im Halbfinale ein Copa-Clásico, unter der Bedingung, dass Real Madrid seine Hausaufgaben erfüllt.
Spieler: Leistungsträger unter Beschuss
“La Pulga” überragend, Kritik an Víctor Vadés
Dass der FC Barcelona die ihm obliegenden Aufgaben bisher vorbildlich gemeistert hat, liegt nicht zuletzt an dem hohen Niveau und der hohen Disziplin der Spieler. Trotz zeitweiligem Verletzungspech konnte die Mannschaft unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Spiele eine eindrucksvolle erste Saisonhälfte spielen, was für den Kader des FC Barcelona spricht. Nahezu auf jeder Position sind die Katalanen hervorragend besetzt und können punktuelle Ausfälle von Leistungsträgern auffangen – mit einer einzigen Ausnahme. Einen Ausfall von Superstar Lionel Messi kann aller Voraussicht nach kein Team der Welt kompensieren. In Barcelona ist das Spiel bis ins kleinste Detail auf den dreifachen Weltfußballer zugeschnitten, das Ziel besteht darin, Messi in Position für einen Torabschluss zu bringen. Das ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass das Toreschießen für Messi ein Selbstläufer ist. Das System arbeitet für ihn, Messi aber arbeitet gleichsam für das System und nur aufgrund seiner individuellen Sonderklasse können verschiedenste Mechanismen funktionieren. Die Präzision in seinen Aktionen und Interaktionen ist unerreicht und es mag daher nicht verwundern, dass er derjenige ist, der Gerd Müllers Uralt-Rekord übertrumpfte. Kein Zweifel, auch in dieser Saison hat Messi sein schier unerschöpfliches Talent aufblitzen lassen und gehört damit zum erlesenen Kreis der besten Spieler der bisherigen Saison. Einen Kritikpunkt muss La Pulga aber über sich ergehen lassen. Seine Dribblings sind seltener zu bewundern und die Beweglichkeit vergangener Tage scheint abhandengekommen zu sein. Unter Umständen ist der Ursprung dieser Beobachtung aber im System zu finden.
Auch die übrigen Größen spielen eine ausgezeichnete Saison. Xavi, Busquets und Iniesta agieren immer noch auf einem hohen Niveau und konnten dem katalanischen Spiel ihren Stempel aufdrücken. Zwar gab es mitunter auch Spiele, in denen das Trio weniger zu überzeugen wusste. Überwiegend aber meisterten sie ihre Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit und stimmen die Culés hoffnungsfroh, dass ihr Zauber längst noch nicht verwirkt ist. Zuletzt konnte auch die katalanische Mauer Piqué-Puyol wieder mit erfreulichen Leistungen aufwarten. Nach ihren Verletzungen befinden sich beide Spieler auf einem guten Weg und konnten mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen. Mascherano hingegen scheint nach seinem Einsatz-Marathon in der Innenverteidigung physisch etwas angeschlagen zu sein. Seine physische Präsenz und die Giftigkeit im Zweikampf lässt er zurzeit etwas vermissen, was auf Profi-Niveau aber nichts Ungewöhnliches ist. Leistungszyklen charakterisieren eine Formkurve und es steht außer Frage, dass Mascherano nach einer Verschnaufpause wieder an seine alte Form anknüpfen wird. Viel Kritik musste Víctor Valdés nach seinem Patzer gegen Real Madrid einstecken. Seine Wohltaten für den Verein dagegen wurden elegant unter den Tisch gekehrt. Einige tollkühne Fanseelen forderten so kurzsichtig wie sie sind gar seinen Rausschmiss, ungeachtet der Leistungen, die er auch in dieser Saison für den Verein erbracht hat.
Alba und Adriano Gewinner der Saison
Erfreulich dürfte dagegen alle Culés die Ankunft von Jordi Alba gestimmt haben. Für die fast schon lächerliche Summe von 14 Millionen Euro wechselte der Europameister von Valencia nach Barcelona. Anfangs hatte Alba noch mit einigen Schwierigkeiten in der Defensivbewegung zu kämpfen, während seine offensive Leistung über jeden Zweifel erhaben war. Inzwischen ist Alba aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken, mit seinen beherzten Antritten aus der Spielfeldtiefe heraus hat er Frische in das Offensivspiel gebracht und sich seinen Platz in der Stammelf redlich verdient. Zu Beginn der Hinrunde musste er sich die Position des Linksverteidigers mit dem starken Adriano teilen. Nach dessen Verletzung allerdings war der Weg für Alba frei, mit seinen Leistungen konnte er Vilanova nachhaltig von sich überzeugen. Womöglich hatte die Verletzung von Adriano auch seine guten Seiten. Alba und Adriano sind unterschiedliche Spielertypen, eine permanente Rotation auf der Linksverteidigerposition war einer Integration von Alba abträglich und für Adriano gleichsam eine undurchsichtige Angelegenheit. So konnte sich Vilanova endgültig festlegen und im Hinblick auf Adriano, der sich nach eigener Bekundung in der Form seines Lebens befand, über eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit nachdenken. In der Innenverteidigung und insbesondere auf der Rechtsverteidigerposition fühlte sich zunehmend wohler und überzeugte mit guten Auftritten. Alba und Adriano zählen eindeutig zu den Gewinnern der laufenden Saisonrunde.
Fünf Millionen Euro mehr kostete den FC Barcelona die Verpflichtung des hybriden Spielers Alexandre Song. Nach dem Weggang von Seydou Keita sahen die Verantwortlichen des FC Barcelona Handlungsbedarf auf der Position des defensiven Mittelfeldspielers und haben wie so oft bei Arsenal London angeklopft. In elf Partien stand Song bis dato in der Startformation und machte einen soliden Eindruck. In seine Fähigkeiten als Innenverteidiger konnte Tito Vilanova aber kein Zutrauen fassen; nur in der Frühphase der Hinrunde wurde Song in der Innenverteidigung aufgeboten, obschon die Personaldichte weiterhin zu wünschen übrig ließ. Nichtsdestotrotz war der Transfer von Alexandre Song strategisch richtig, der Wechsel von Keita hat ein Loch im defensiven Mittelfeld hinterlassen.
Flügelstürmer in der Schusslinie
Mehr als nur solide kann man die Darbietungen des “verlorenen Sohnes” nennen. Unter Pep Guardiola kam Cesc Fàbregas einfach nicht in Fahrt. Er war sichtlich unzufrieden mit seiner Rolle in der Mannschaft und Pep Guardiola hatte keine Vorstellung davon, wie er die Qualitäten von Cesc optimal zur Geltung bringen kann. Vor der Saison 12/13 hat der Zugang von Arsenal London seinen Unmut über die ihm übertragene Position des zentralen Mittelfeldspielers kundgetan. Seine körperlichen Eigenheiten vertrügen sich nicht mit den Anforderungen an einen zentralen Mittelfeldspieler. In Gesprächen wird Tito Vilanova den Spieler allerdings vom Gegenteil überzeugt haben. Cesc Fàbregas wird immer noch bevorzugt im zentralen Mittelfeld aufgestellt und nicht als “Falsche Neun”. Seine Leistungen im bisherigen Saisonverlauf lassen aber eine deutliche Steigerung erkennen. Er hat seine neue Rolle angenommen, agiert besonnener am Ball und hat überdies hinaus auch sein Defensivspiel stark verbessert. Der stillschweigende Wechsel mit Lionel Messi auf der Position im Sturmzentrum betont zudem seine vertikale Natur, die immer noch seine größte Stärke ist.
Acht Tore hat Cesc Fàbregas in der laufenden Saison erzielt, mehr als die etatmäßigen Stürmer Alexis Sánchez und Pedro Rodríguez zusammen. Beide bringen es zur Zeit auf nur zwei Tore, ein einziges Tor fand bei jedem den Weg in die Saisonstatistiken. Nach Ansicht vieler ist das zu wenig, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Stürmer die Gegner binden und Messi in Szene setzen sollen. Solch ein Standpunkt verkennt allerdings, dass sich die Funktion der Flügelstürmer in jener Aufgabe erschöpft. Weitergehende Aufgabenzuteilungen an die Flügel finden schlichtweg nicht statt. Tore sind selbstredend immer erwünscht, aber daran die Flügelstürmer zu messen, ist verfehlt. Zudem fehlt ihnen der direkte Weg zum Tor, was das Toreschießen zusätzlich erschwert, ebenso wie ihre Verbindlichkeiten in der Defensive. Richtig beurteilen kann man die Leistung von Alexis und Pedro, wenn man einen Blick auf die taktischen Implikationen ihrer Spielweise wirft. Anhand der Anzahl der erzielten Tore erschließt sich die Bedeutung dieser Spieler nicht. David Villa hat zwar acht Pflichtspieltore erzielt, die Umstände ihres Zusammenkommens waren aber besonders. Mit Villas Einwechslungen gingen zumeist taktische Umstellungen auf dem Feld einher, die dem Toreschießen zugute kommen sollten. In Rückstand kam Villa häufig als vierter Stürmer auf das Feld, der sich zum Sturmzentrum hin orientierte, mithin eine “klassische Neun” gab. Die enorme Präsenz in der Offensive verschaffte Villa viele Freiräume, die er zu nutzen wusste.
Schwere Zeiten für hochtalentierte Spieler
Nur wenig Angriffsfläche für eine Kritik boten die Jungspieler des FC Barcelona. Marc Bartra, Marc Muniesa und Jonathan Dos Santos haben den Sprung in die erste Mannschaft geschafft, konnten aber nur selten über ihre Qualitäten Zeugnis ablegen. Muniesa, das größte Abwehrtalent der Katalanen, verletzte sich gleich im ersten Spiel gegen den HSV schwer und fiel die gesamte bisherige Spielrunde aus. Jonathan Dos Santos kam bisher auf drei Partien, eine davon durfte er von Beginn an bestreiten. Insgesamt brachte es Dos Santos auf nur 94 Einsatzminuten, weshalb ein Urteil über seine Leistungen nicht möglich ist. Etwas besser sieht es bei Marc Bartra aus, der in sieben Begegnungen auf dem Feld stand und hiervon drei von Beginn an in Angriff nehmen konnte. Seine Leistungen waren solide und ansprechend, zu mehr gereichte es bei ihm ob der geringen Spielzeit bisher nicht. Es ist keine leichte Situation für die jungen Talente, der FC Barcelona ist auf jeder Position hervorragend besetzt. Ein langsames Heranführen der Spieler an das Niveau der Mannschaft ist nur schwer möglich, für den Verein gibt es nur wenig Spielraum für Fehler. Das ist zwar schade, aber nicht zu ändern. Während junge Spieler aus anderen Nationen bereits große Turniere wie die WM oder die EM bestritten haben und sich in der Champions League Spiel für Spiel beweisen, bleibt den Talenten der Gegenwart beim FC Barcelona nur der Platz auf der Bank – bestenfalls. Umso erfreulicher erscheint die Entwicklung von Cristian Tello, der den Sprung in die erste Mannschaft geschafft hat und regelmäßige Einsatzzeiten erhält. Isaac Cuenca hingegen steht nach seiner Wiedergenesung wohl vor dem Absprung – so schnell kann das gehen.
Trainer, Taktik und Spielweise
Tito Vilanova: Kontinuität und Nachhaltigkeit
Tito Vilanova weiß natürlich um die schwierige Situation der jungen Talente, aber auch ihm sind die Hände gebunden. Zu Saisonbeginn legte er einigen Spielern einen Wechsel nahe und wies daraufhin, dass der FC Barcelona kein Wohlfahrtsverein sei, sondern dem Erfolg verpflichtet ist. Erst wenige Monate ist Tito Vilanova Cheftrainer beim FC Barcelona, doch die Herzen der Fans hat er im Sturm erobert. Nachdem Pep Guardiola seinen Abschied aus Barcelona verkündete, begann das große Rätselraten um seine Nachfolge. Die Meinungen über einen adäquaten Ersatz gingen stark auseinander. Die einen favorisierten unter dem quälenden Einfluss der Niederlage gegen Chelsea sowie dem Verlust der Meisterschaft an den Rivalen aus Madrid eine etwas radikalere Lösung, neue Impulse von außerhalb sollten in die Mannschaft strömen. Marcelo Bielsa, nach Ansicht von Pep Guardiola einer der besten Trainer der Welt, geriet in das Sichtfeld vieler Culés und erschien ihnen als idealer Erbe des Erfolgstrainers. Pep Guardiola hingegen hatte eine andere Sicht der Dinge und kam mit der Empfehlung von Co-Trainer Tito Vilanova dem Bedürfnis zahlreicher Fans nach Kontinuität nach. Die Ernennung von Tito Vilanova zum Cheftrainer erschien dem erstgenannten Lager als eine zu einfache Lösung des Trainerproblems. Der Vorstand habe sich die Suche viel zu einfach gemacht und die Wirkungen auf die Mannschaft nicht hinreichend berücksichtigt. Mit zunehmender Saisondauer konnten sich aber auch die letzten Pessimisten für Tito Vilanova begeistern und für die Art, wie er Fußball spielen lässt, erwärmen.
An der Seitenlinie präsentierte sich Vilanova weniger explosiv und mitreißend im Verhältnis zu seinem Vorgänger. Er besitzt ein anderes Persönlichkeitsprofil und strahlt am Spielfeldrand viel Ruhe und Besonnenheit aus. Um eine schlagfertige Antwort auf unangemessene Fragen und Sticheleien der Konkurrenz ist der Neutrainer aber nie verlegen. Trotzdem bleibt Tito Vilanova stets Gentleman und zeigt sich immer respektvoll den Gegnern gegenüber. Schon in der Frühphase der Saison wurde ersichtlich, dass der Trainer auf Nachhaltigkeit in der Arbeits- und Spielweise der Mannschaft setzt. Die Spieler wurden nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Methoden von Guardiola und Vilanova sich nur geringfügig unterscheiden. Auch auf dem Platz gab es zunächst kaum Veränderungen zu bestaunen und es schien, als sei Vilanova ein Abbild des geschiedenen Erfolgstrainers, jedenfalls was die Spielweise der Mannschaft anbetrifft.
Weniger Positionsrochaden, mehr Vertikalität
Doch schon bald sollte Vilanova der Mannschaft gewisse Charakteristika einhauchen, die bisweilen im Spiel des FC Barcelona nicht beobachtet werden konnten. Seine Arbeit baut auf den Errungenschaften der Guardiola-Ära auf und hat zum Ziel, die Mannschaft weiter zu verbessern und aus dem bestehenden Spielermaterial das Optimum herauszuholen. Das 4-3-3 stellt weiterhin das nominelle Grundgerüst seiner Mannschaft dar. Die Außenverteidiger agieren immer noch äußerst offensiv, analog hierzu arbeiten die Flügelstürmer unaufhörlich stark nach hinten und sorgen für eine hohe defensive Stabilität und Überzahlsituationen. Lionel Messi ist auch unter Vilanova auf der Position der “Falschen Neun” anzutreffen und das Trio Busquets, Xavi und Iniesta vervollständigt die weitgehende Adaption der Spieleranordnung auf dem Feld. Vilanova ist demnach kein Revolutionär, seine Umstellungen sind eine Weiterentwicklung des Systems, der Gesamtheit der bestimmten taktischen Zuordnungen an die einzelnen Spieler.
Zu Zeiten von Guardiola konnte man im Spiel des FC Barcelona viele Positionsrochaden und einen auf absolute Kontrolle bedachten Spielaufbau beobachten. Kennzeichnend für die Spielweise waren viele horizontale Ballstafetten, bevor in unmittelbarer Strafraumnähe das Tempo forciert und der Gegner durch stetige Positionswechsel verunsichert wurde. Unter Tito Vilanova ist dagegen eine höhere Positionstreue der Spieler zu beobachten, Positionswechsel kommen zwar immer mal wieder vor, die extreme Fluidität im Spiel scheint aber vorerst der Vergangenheit anzugehören. Hier wird sich wohl die Einsicht durchgesetzt haben, dass der Nutzen der Positionsrochaden angesichts der Vollkommenheit der Raumdeckung in der heutigen Zeit nicht sonderlich hoch sein dürfte. Es ist immer besser im Einzelfall das Ausmaß der Rochaden zu bestimmen – ständige Positionswechsel kosten Kraft, Konzentration und bringen die Gefahr mit sich, dass die eigene Ordnung konterkariert wird. Des Weiteren ist das Spiel unter Vilanova wesentlich vertikaler angelegt, das ewige horizontale Hin- und Hergeschiebe des Balles kann man seltener beobachten. Das Risiko eines frühzeitigen Ballverlustes steigt damit, dafür besteht die Aussicht auf hochkarätige Tormöglichkeiten. Die erhöhte Vertikalität nimmt dem Gegner die Zeit, um die Handlungsoptionen gegeneinander abzuwägen und zwingt ihn zu Fehlern. Auch werden Phasen der Um- und Unordnung beim Gegner nun zielstrebiger für die eigenen Zwecke genutzt.
Abkehr vom wilden Angriffspressing
Einigen gehen die Umstellungen auf dem Platz aber zu weit. Durch die vertikalere Spielanlage kann es mitunter vorkommen, dass das Spiel nur noch entfernt an die vergangenen Spielzeiten erinnert. Es ist schneller und umkämpfter, Phasen der vollkommenen Spielkontrolle trifft man seltener an, obschon die Ballbesitzstatistik weiterhin eindeutig für den FC Barcelona spricht. Der Erfolg gibt Tito Vilanova aber Recht, die Gegner haben sich auf die Spielweise der Katalanen eingestellt. Für ihn galt es, die Mannschaft neu zu justieren und sie unberechenbarer zu machen. Das ist ihm sehr gut gelungen. Eine weitere Modifikation betrifft die Abkehr von dem sehr harten Angriffspressing der Vergangenheit. Es war nicht nur sehr kraftintensiv, sondern auch gefährlich wenn es umspielt wurde oder aber der Gegner den Ball einfach wegschlug und damit urplötzlich eine günstige Angriffsmöglichkeit kreierte. Das Pressing unter Tito Vilanova ist wesentlich ausgewogener, es lässt dem Gegner die Luft zum Atmen und minimiert das Risiko für die eigene Mannschaft. Unter Guardiola diente das Pressing der Balleroberung im letzten Spielfelddrittel, um eine exzellente Tormöglichkeit zu schaffen. Dazu wurde der ballführende Spieler oftmals von zwei oder drei Katalanen angelaufen und von seinen Mitspielern isoliert. Für Tito Vilanova ist es hingegen nur ein Instrument, ein unkontrolliertes Zuspiel des Gegners zu provozieren. Jeder Spieler des FC Barcelona ist bei dieser Art des Pressings einem Gegenspieler zugeordnet, die Verbindung ist eher lose, das Anlaufen erfolgt mit halber Kraft. Diese Umstellung ist womöglich auch der Erkenntnis geschuldet, dass das intensive Barça-Angriffspressing “verschlissen” ist. Nur noch wenige Mannschaften setzen gegen den FC Barcelona auf einen konventionellen Spielaufbau aus der Abwehr heraus. Für die Katalanen liegt die Bedeutung dieser Erkenntnis darin, dass man mit Scheinpressing gute Resultate erzielen kann.
Alles in allem handelt es sich bei Tito Vilanova damit keineswegs um ein bloßes Abbild von Pep Guardiola. Bereits als Co-Trainer hat er seine Vorstellungen von der idealen Spielweise an Guardiola kommuniziert und Entscheidungen wurden im Einvernehmen getroffen. Guardiola hat nie einen Hehl um das taktische Know-How von Vilanova gemacht und z.B. die Einführung des 3-4-3 seinem Geistesreichtum zugesprochen. Die Funktionäre haben mit Tito Vilanova die richtige Entscheidung getroffen. Sein Mut und seine Entschlossenheit an der Seitenlinie haben die Mannschaft in der laufenden Saison vielfach vor Punktverlusten bewahrt. Hinzu kommt, dass er bei den Spielern hoch angesehen ist und respektiert wird. Dass er darüber hinaus noch umfassende taktische Kenntnisse besitzt und Ursache und Wirkung richtig einzuordnen vermag, ist fast zu schön um wahr zu sein. Hoffentlich erfreut sich Tito Vilanova bald besserer Gesundheit und kehrt zum Team zurück.
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