Der Showdown im Champions-League-Halbfinale zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern München steht kurz bevor. Vor zwei Jahren gab es exakt die gleiche Paarung schon mal – damals schieden die Katalanen mit einem Gesamtscore von 0:7 aus. Unter Barça-Fans wird viel über die Revanche diskutiert. Um auch einen anderen Blickwinkel zu bekommen, haben wir mit Stefan einen 17-jährigen Bayern-Fan interviewt, der sich über viele spannende Themen seiner Lieblings-Mannschaft äußerte und einen Blick ins Fanlager des Gegners gewährte.
Hallo Stefan, danke, dass du dich bereit erklärt hast, für Barçawelt ein Interview zu geben. Ich komme gleich zu meiner ersten Frage: Wie war deine Reaktion, als du erfahren hast, dass der FC Bayern im Halbfinale auf den FC Barcelona trifft? War die Blaugrana dein Wunschlos oder wolltest du, dass Barça vermieden wird?
Danke für die Einladung. Es freut mich sehr, dass du mir angeboten hast, ein Interview über die Bayern zu führen, welches auf Barcawelt erscheinen wird. Da ich Barcelona in dieser Saison als die stärkste Mannschaft Europas sehe, wäre ich lieber erst im Finale – falls beide das erreicht hätten, wovon ich ausgegangen wäre – auf sie getroffen. Dennoch freue ich mich auf diese Hammer-Spiele.
Im Jahr 2013 fügten die Bayern Barcelona zwei schmerzvolle Niederlagen zu: Glaubst du an ein ähnliches Szenario oder wird es dieses Mal ausgeglichener?
Ich denke, die beiden Halbfinalspiele 2013 müssen als zwei ganz spezielle Spiele angesehen werden. Ich glaube nicht, dass sich so etwas wiederholen wird, denn die Karten sind völlig neu gemischt. Im Hinspiel haben es die Bayern geschafft, Barcelona am ruhigen Spielaufbau zu hindern und Messi, der zugegebenermaßen auch nicht fit war, aus dem Spiel zu nehmen. Es ist in diesen Duellen vieles bis alles für die Bayern gelaufen. Barça ist heuer auf einem weitaus höheren Niveau als 2013 und ich bin mir relativ sicher, dass sich so etwas nicht wiederholen wird.
Wo werden die Bayern Barça wehtun können, in welchen Bereichen liegen ihre Stärken?
Normalerweise ist man sehr stark über die Flügel, doch ohne Robben und vielleicht auch Ribéry wird es deutlich schwieriger. Das schnelle Umschalten, sowohl nach vorne als auch nach hinten, ist eine große Stärke von Bayern. Beim Tor von Lewandowski gegen Dortmund hat man das gut erkennen können. Außerdem präsentiert man sich vor dem Tor zumeist kaltschnäuzig. Guardiola verlangt von seinen Spielern hohe Flexibilität und schafft es in jedem Spiel aufs Neue, seine Mannschaft taktisch genau auf den Gegner einzustellen. Die Mannschaft beherrscht viele verschiedene taktische Systeme und deshalb ist es für den Gegner sehr schwierig, sich auf die Bayern einzustellen.
Ein weiterer Pluspunkt: Die Bayern können selbst bei einem schlechten Resultat im Auswärtsspiel zu Hause über sich hinauswachsen und fast jeden Rückstand aufholen. Insofern ist es durchaus als Vorteil zu sehen, dass sie das Rückspiel zuhause bestreiten dürfen.
Wo sind die Bayern anfällig, wo liegen ihre Schwächen?
Was in den letzten Monaten auffiel, war, dass Mannschaften, die ihre Stärken im Konterspiel haben bzw. gegen die Bayern auf Konterspiel setzten, ihnen Schaden zufügen konnten, wie beispielsweise Wolfsburg oder Gladbach. Grund dafür ist, dass Guardiola sehr riskant spielen lässt. Er lässt sehr hoch verteidigen und somit müssen die Spieler sehr auf der Hut sein, wenn sie den Ball in ungünstigen Situationen verlieren. Wenn Mannschaften sehr hoch pressen, fällt es den Münchnern oft sehr schwer, einen flüssigen Spielaufbau zu gestalten und man muss mit langen Bällen operieren. Da vorne allerdings Spieler sind, die den Ball gut halten können, ist das manchmal gar kein Nachteil.
Arjen Robben wird genauso wie David Alaba und Holger Badstuber für beide Spiele ausfallen. Die Einsätze von Franck Ribéry und Robert Lewandowski sind ungewiss. Wie sehr werden die drei erstgenannten Spieler fehlen und wäre ein Ausfall der zwei letztgenannten verschmerzbar?
Es ist ganz klar, dass diese hochkarätigen Ausfälle das Spiel der Bayern schwächen werden. Vor allem der Ausfall von Robben tut sehr weh, da er einer der Spieler ist, der durch geniale Ideen und tolle Einzelaktionen den Unterschied ausmachen kann und gerade in den wichtigen Spielen oft trifft. Der Ausfall von Alaba ist sicherlich auch eine Schwächung, weil er sehr vielseitig einsetzbar ist und Guardiola mit der Positionierung von Alaba immer überraschen kann. Ob als Innen- oder Außenverteidiger oder auch als Sechser – Alaba weiß immer zu überzeugen – sei es mit seinem Passspiel, seiner Ballsicherheit oder seinem guten taktischen Verständnis. Falls Badstuber fit gewesen wäre, hätte er voraussichtlich seinen Platz in der Abwehr gehabt. Sein Ausfall fällt aber nicht so stark ins Gewicht, da mit Boateng und Benatia sowieso zwei gute Innenverteidiger zur Verfügung stehen.
Ein Fehlen von Ribéry und Lewandowski wäre natürlich noch eine weitere herbe Schwächung. Auf dem linken Flügel würde somit Götze spielen – in meinen Augen kein gleichwertiger Ersatz. Falls Lewandowski ausfallen wird, wird wohl Müller die Rolle im Sturmzentrum übernehmen. Müller ist immer für Tore gut und spielte in letzter Zeit oft im Doppelsturm mit Lewandowski. Jedoch muss man sagen, dass er nicht wirklich die notwendigen Fähigkeiten hat, um der Rolle einer klassischen Sturmspitze gerecht zu werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Herausforderung durch die Ausfälle noch um einiges größer geworden ist. Ich denke man kann sich auf die eine oder andere Überraschung, was die Aufstellung oder die Taktik betrifft, gefasst machen. Gerade in den wichtigen Spielen bewies Guardiola, dass er hochkarätige Ausfälle mit überraschenden taktischen Ausrichtungen kompensieren kann.
Wie glaubst du wird Pep Guardiola gegen den FC Barcelona aufstellen? Wird er mit einer Viererkette spielen oder vielleicht doch mit einer Dreierkette?
Ich denke, Guardiola wird auf eine Viererkette setzen. Wenn er mit einer Dreierkette spielt, wäre es wahrscheinlich, dass er Dante aufstellen wird. Dass dieser spielen wird, kann ich mir aber nicht vorstellen, da er in den vergangenen Spielen ein zu großer Unsicherheitsfaktor war. Außerdem setzte Guardiola in den letzten Spielen vermehrt auf eine Viererkette, weshalb ich von einer Umstellung, ausgerechnet gegen Barça, überrascht wäre.
Im Ligaspiel in Dortmund überraschten die Bayern mit einer sehr defensiven Grundausrichtung: Glaubst du auch im Camp Nou an ein ähnliches Auftreten?
Nein. Ich glaube, dass eine so defensive Ausrichtung wie in Dortmund gegen Barça nicht zielführend ist. Dafür ist Barça im Sturm zu hochkarätig besetzt und ich denke, dass man eher darauf schauen soll, selbst Tore zu erzielen.
Im DFB-Pokal-Halbfinale schied man gegen Borussia Dortmund aus. Glaubst du an Auswirkungen dieses Spiels für die Partie gegen Barça?
Die Mannschaft hat schon oft bewiesen, dass sie nach Niederlagen schnell aufstehen kann. Sie werden das Aus im Pokal schnell abhaken und sich wieder voll und ganz auf Barça konzentrieren. Es wird sich keine Unsicherheit breitmachen, davon bin ich überzeugt.
Vor dem Rückspiel gegen Porto gab es viel Aufregung um den Rücktritt von Klubarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Was war deiner Meinung nach die Hauptursache für die Trennung?
Natürlich ist es schade, dass so eine Vereinsikone, wie sie für mich eine war, so plötzlich zurücktritt. In den Medien liest man viele verschiedene Ursachen, die für die Trennung verantwortlich sein sollen. Deshalb kann ich nicht kommentieren, was genau ausschlaggebend und wer der Schuldige sein soll. Trotzdem glaube ich auch daran, dass es Ungereimtheiten mit Pep gab. Wahrscheinlich verlor Pep aufgrund der vielen und langen Ausfälle das Vertrauen in sein Ärzteteam und nach dem Spiel in Porto platzte ihm anscheinend der Kragen. Bei Bayern war es immer so, dass Müller-Wohlfahrt das letzte Wort hatte, was die genaue Vorgehensweise beim Genesungsverlauf der Spieler betraf. Ich denke, Guardiola war unzufrieden mit den Methoden von Müller-Wohlfahrt und dieser wollte unter diesen Bedingungen nicht mehr weiterarbeiten.
Pep Guardiola ist deshalb nicht immer ganz unumstritten. Bist du mit der Arbeit des Ex-Barça-Coaches zufrieden?
Pep hat einen frischgebackenen Triple-Sieger übernommen und in München eine hochklassige Mannschaft vorgefunden. Ich finde, er hat es geschafft, seine Ideen, die er für die Mannschaft hatte, umzusetzen und es geschafft, das Team nach seinen Vorstellungen zu verändern, was man an seinen erreichten Erfolgen sehen kann. Er ist ein Perfektionist, bei dem man immer das Gefühl hat, dass er in jeder Situation eine Antwort parat hat. Insofern bin ich sehr überzeugt von der Arbeit, die Guardiola für den FC Bayern leistet und halte ihn für einen genialen Trainer.
Fandest du das Team von Jupp Heynckes im Jahr 2013 trotzdem stärker?
Wenn man die Stärke einer Mannschaft an Erfolgen messen möchte und wenn man bedenkt, wie souverän die Mannschaft im Triple-Jahr die Titel holte, dann kann man mit gutem Gewissen behaupten, dass die Mannschaft unter Jupp Heynckes noch ein Stück stärker war. Nach den zwei titellosen Jahren waren die Mannschaft und Heynckes heiß auf Titel wie sonst wahrscheinlich nie. Sie mussten keine allzu schmerzvollen Ausfälle hinnehmen, alle Spieler waren in Topform und hoch motiviert. Ein weiterer Grund war, dass die Mannschaft eingespielt war. Auch das Wort Disziplin wurde in diesem Jahr groß geschrieben. Mit dem neuen Sportdirektor Mathias Sammer kehrte außerdem ein frischer Wind ein.
Apropos Mathias Sammer: Wie siehst du die Rolle von Mathias Sammer bei den Bayern?
Jürgen Klopp tätigte einst eine Aussage: „Ohne Mathias Sammer hätte Bayern keinen Titel weniger.“ Diesem Statement möchte ich klar widersprechen. Eine der wichtigen Aufgaben von Sammer ist es, die Moral und die Motivation der Spieler hochzuhalten. Er ist ein Siegertyp, der sich nie mit dem Erreichten zufriedengibt. Er ist sich nicht zu schade, auch die eigenen Spieler zu kritisieren und nimmt kein Blatt vor den Mund. Im deutschsprachigen Raum wird er oft als Motzki verpönt, da er selbst nach deutlichen Siegen noch Verbesserungspotenzial sieht. Für ihn stellt es kein Problem dar, der Stinkstiefel zu sein. Dass die Arbeit von Mathias Sammer sehr positive Auswirkungen auf den Erfolg der Mannschaft hat, kann man an den drei souveränen Meisterschaften erkennen. Demzufolge sehe ich Mathias Sammer als einen ganz wichtigen Funktionär bei den Bayern an. Außerdem harmoniert er gut mit Pep Guardiola.
Schon vier Spieltage vor Schluss wurde Bayern Meister. Was sagst du zur deutschen Liga: Ist sie in deinen Augen ein Gradmesser für die Bayern oder wird es ihnen zu einfach gemacht?
Leider muss ich sagen, dass die deutsche Liga für die Bayern keine allzu große Herausforderung darstellt. Natürlich sind die Erfolge trotzdem nur durch harte Arbeit erreichbar. In den letzten paar Jahren konnte sich Borussia Dortmund als ein Konkurrent der Bayern etablieren. Die Meisterschaft wurde zu einem Zweikampf und sie konnten diese den Bayern 2011 und 2012 entreißen. Diese Saison konnte Dortmund nicht mehr an die starken Leistungen der vergangenen Jahre anknüpfen. Zwar konnte Wolfsburg etwas aufschließen, doch letztlich war es trotzdem eine durchwegs souveräne Geschichte für die Bayern.
Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich möchte mich der Meinung vieler, dass die meisten Mannschaften in der Bundesliga zu großen Respekt vor den Bayern haben, anschließen. Wenn man mit zu wenig Selbstvertrauen in ein Spiel gegen Bayern geht, hat man wenige Chancen. Die Mannschaften müssten mutiger spielen und sich selbst mehr zutrauen. Die Teams müssten mit einer ganz anderen Einstellung in die Spiele gegen Bayern gehen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass die kleineren Mannschaften die Spiele gegen den FC Bayern schon im Vorhinein als verloren ansehen und sich gar nicht erst etwas ausrechnen. Spiele wie jenes in Mainz (Anm: 2:1 Sieg durch ein Tor in der Nachspielzeit) sind ein gutes Beispiel dafür, dass, wenn man mit genügend Mut und mit einer guten Spielvorbereitung auftritt, durchaus Punkte gegen Bayern zu holen sind. Von daher denke ich nicht, dass die deutsche Liga ein Maßstab für Bayern München ist. Mittlerweile ist es schon so, dass die Meisterschaft fast schon Standard ist. Vor ein paar Tagen, als die Meisterschaft feststand, wurde sie kaum bis gar nicht gefeiert und der Blick richtete sich sofort auf das DFB-Pokal-Halbfinale. Natürlich hat man die Meisterschaft sozusagen auf der Couch gewonnen, aber man erkennt daran auch, dass sich die Freude im Verein in Grenzen hält. Das alles ist natürlich schade und die Attraktivität der Liga leidet darunter. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Jahren Mannschaften wie Dortmund oder Wolfsburg als Bayern-Jäger herauskristallisieren und so den Kampf um die Meisterschaft wieder spannender machen.
Danke für deine Stellungnahme dazu. Nun wieder zu den Spielen gegen den FC Barcelona. Mit welchem Ergebnis wärst du im Hinspiel zufrieden?
Die Aufgabe wird sehr schwer, ein knapper Sieg im Camp Nou wäre natürlich genial. Sehr wichtig wäre es aber, selbst wenn das Hinspiel verloren geht, zumindest ein Auswärtstor zu erzielen.
Abschließend möchte ich von dir natürlich noch einen Tipp hören:
Wenn Bayern alle Stammkräfte zur Verfügung hätte, hätte ich die Chancen 50:50 eingestuft. In der aktuellen Verfassung muss ich die Favoritenrolle wohl oder übel Barcelona geben. Trotzdem habe ich Vertrauen in die Mannschaft und denke, dass sie sich mit genügend Konzentration und dem nötigen Quäntchen Glück durchsetzen kann und im Finale wahrscheinlich auf Real Madrid treffen wird. Wie schon gesagt glaube ich, dass es im Gegensatz zu 2013 ein sehr enges Halbfinale wird, in dem eine falsche Entscheidung oder ein genialer Moment den Unterschied ausmachen wird.