In der Neuauflage des WM-Finals von 2010 empfing der Welt- und Europameister Spanien die niederländische Auswahl. Viel wurde im Vorfeld der Partie über den ersten Kracher der WM spekuliert – am Ende setzte es ein desaströses 1-5 für die enttäuschenden Iberer. Gleich fünf Barça-Spieler fanden sich in der Stammelf wieder und mussten am eigenen Leibe erfahren, wie es ist, von einer furios aufspielenden niederländischen Mannschaft überrollt zu werden.
Rustikale Niederländer
Die ‘Elftal’ begann dieses Turnier mit einer Systemänderung im Vergleich zu den letzten Weltmeisterschaften: Bondscoach Van Gaal wendete sich vom traditionellen 4-3-3 ab und ließ seine Mannschaft mit einer international sehr unerfahrenen Fünferkette auflaufen. Davor spielte eine Dreierkette bestehend aus den De Jong, De Guzmann und Sneijder. Vorne hatten die Offensivkräfte Van Persie und Robben alle Freiheiten der Welt und blieben von den vielen Defensivaufgaben verschont.
Geprägt war das Spiel der Niederländer von harten und grenzwertigen Fouls – ein Spiegelbild zum letzten Aufeinandertreffen im WM-Finale 2010. Durch das Herausrücken von Spielern des Mittelfeldbundes wollte man die Spanier vom eigenen Sechzehner fernhalten. Diese Vorstöße auf den ballführenden Spieler waren rustikal – und selten im Rahmen des Erlaubten. Nach einem Ballgewinn wurde oftmals der hohe Ball auf Robben oder Van Persie gesucht und auch gefunden. Das 1-1 und das 1-2 aus Sicht der Spanier resultierten einerseits aus einem tollen Flugkopfball von Van Persie nach langem Pass nach vorne und andererseits holte sich Robben die Kugel, wieder nach einem langen Pass, mit einer Weltklasse-Annahme aus der Luft herunter und tanzte sowohl die Innenverteidigung als auch den Torhüter Spaniens aus.
Spanien selten hui, aber oft pfui
Dabei lief die Partie anfangs durchaus zugunsten des Weltmeisters. In der ersten Halbzeit hatten die Iberer das Heft unter ihrer Kontrolle. Die einzig nennenswerte Möglichkeit der Niederländer entstand aus einem Fehlpass, den Robben schnell an den sprintenden Van Persie weiterleitete. Mit einem tollen Reflex wehrte Casillas die Kugel ab – es sollte einer der ganz wenigen Glanzmomente von San Iker in einem rabenschwarzen Spiel sein.
Das Herzstück der Spanier – das Mittelfeld – zeichnete sich durch häufige Rochaden aus. Iniesta übergab seinen linken Flügel an Alba, um von außen ins Zentrum vorzustoßen. Die Sechserposition wurde meistens von Busquets übernommen, wobei diese Rolle von Xabi Alonso und bei niederländischem Mittelfeldpressing auch von Xavi kurzzeitig besetzt wurde. Da Alba den Raum von Iniesta einnahm, agierte Azpilicueta wesentlich defensiver als sein Pendant. Vorne wurde der vom brasilianischen Publikum gnadenlos ausgepfiffene Diego Costa vom Mittelfeld gesucht. Costas Rolle der ‘Echten Neun’ schien der spanischen Auswahl zu gefallen – öfter als vermutet suchte man den Lochpass zum gebürtigen Brasilianer, der schlussendlich auch den durchaus fragwürdigen Elfmeter herausgeholt hat (29.). Die Riesenchance zum 2-0 von Silva war auch eine Co-Produktion, an der Costa beteiligt war: Der Neo-Teamspieler ließ sich ins Mittelfeld fallen und schuf somit einen Passweg für Silva (43.). Insgesamt fällt das Resümee von Costas WM-Debüt aber eher enttäuschend aus. Das Bemühen kann man ihm ganz und gar nicht absprechen, die Integration ins iberische System fiel ihm aber über seine gesamte Spielzeit gesehen sichtlich schwer. Da Van Persie im direkten Gegenzug kurz vor der Pause noch ausglich, ging es mit einem für die Spanier nicht ganz zufriedenen 1-1 in die Pause.
2. Halbzeit: Tiki-Taka-Maschine gerät häufig ins Stocken
Die zweite Hälfte begann schwungvoller als die erste. Die Niederländer agierten in Form von Van Persie und Robben mit mehr Zug zum Tor – ein Umstand, von dem die Spanier überrascht schienen. Und der Aufwand wurde belohnt: In der 53. Minute schießt Robben nach toller Ballannahme den Ball in die Maschen und brachte die Niederländer erstmal in diesem Spiel auch in Führung.
Die Spanier schienen sich von diesem Schock nur langsam zu erholen – und das anscheinend zu langsam. An der rechten Strafraumecke stehend, haut Van Persie die Kugel mit einem richtigen Kracher an die Latte (61.) – Glück im Unglück für die Spanier, denn Van Persie stand zuvor im Abseits. Doch die Niederländer machten keine Anstalten aufzuhören. Nach einem Casillas-Patzer bei einem Freistoß braucht De Vrij nur mehr neben der Stange per Kopf einzuschieben (65.) – 1-3 aus Sicht der Iberer. Allerdings hätte der Treffer auf keinen Fall zählen dürfen, Casillas wurde bei seinem Versuch, den Ball zu fangen, von Van Persie behindert – ein Stürmerfoul wäre die logische Konsequenz gewesen. Aber es kam noch schlimmer für den Titelverteidiger. Nach einem totalen Black-Out von Casillas, der sich den Ball zu weit nach vorne gelegt hatte, verliert er die Kugel an Van Persie. Dieser braucht nur noch den Ball an den heranrauschenden Innenverteidigern vorbei reinzuschießen (72.) – nun lag die ‘Furja Roja’ bereits mit 1-4 hoffnungslos zurück. Und dieses Ergebnis wirkte sich massiv auf die Leistung der spanischen Auswahl aus. Die Abstände zwischen der Abwehr und dem Mittelfeld konnten einen kaum besseren Anlass zum Kontern geben. Und dies tat die ‘Elftal’ auch. 80 Minute: Robben wird mit einem Diagonalpass von Sneijder auf die Reise geschickt und überläuft sogar noch den zehn Meter vor ihm liegenden Ramos. Er spielt Casillas schwindelig und schiebt routinemäßig den Ball ins Tor. Fans mussten sich beim Blick auf die Anzeigetafel sicherlich die Augen reiben – 1-5 lautete das erschreckende Ergebnis. Und dieses hätte durchaus noch höher ausfallen können, aber mit zwei Glanzparaden verhinderte der sichtlich benommene Casillas ein noch schlimmeres Debakel (87.). Die letzte nennenswerte Chance vergab der eingewechselte Torres kläglich. Vor dem Tor alleinstehend vertändelt er die beste Möglichkeit der Südeuropäer in der zweiten Halbzeit (91.).
Die Barça-Stars im Einzelcheck
Nach so einem Ergebnis ist es wahrlich schwer, Einzelne zu kritisieren. Zu groß war der Leistungsabfall der gesamten spanischen Mannschaft mit Fortdauer des Spiels. Mit Xavi, Iniesta, Busquets, Piqué und Alba brachte Del Bosque gleich fünf Barça-Spieler in die Startelf. Die Mittelfeldzange Iniesta/Xavi/Busquets schien vom rustikalen und körperbetonten Spiel der Niederländer nicht sehr angetan zu sein. Iniesta war einer der Wenigen, die den nötigen Zug zum Tor nicht vermissen ließen. Einer allein kann aber ein ganzes Team nicht retten. Man suchte vergebens nach einem genialen Moment, in dem Xavi seine Weltklasse aufblitzen lässt. Und Busquets ließ sich zu oft von provokanten Fouls mitreißen, ein Umstand, der sicherlich auf Kosten der Konzentration ging. Alba kann man schlecht etwas ankreiden. Erneut übernahm er den wesentlich offensiveren Part der Außenverteidiger und erfüllte diesen auch gut. In der Rückwärtsbewegung agierte er flinker als seine Gegner – er war noch einer der Besseren in dieser spanischen Mannschaft. Und was mit Piqué los war, kann man schlecht in Worte fassen. Wie ein Kreisliga-Verteidiger ließ er sich immer wieder von den Offensivkräften der Niederländer austanzen. Des Weiteren war er es, der bei der Abseitsfalle hin und wieder nicht aufpasste und dem Gegner somit gute Chancen ermöglichte. Man kann von Piqué sagen, was man will, aber diese Leistung war auf gar keinen Fall WM-würdig. Pedro und der im kommenden Jahr bei Chelsea spielende Fàbregas wurden in der zweiten Hälfte eingewechselt, doch die nötigen Akzente konnten auch die beiden Spieler nicht mehr bringen. Wie auch, wenn die gesamte Mannschaft nie so richtig auf der Höhe war bzw. geblieben ist.
Die Diskussionen über das Tiki-Taka werden sicherlich wieder aufkochen. Nach der Demontage von Barça gegen die Bayern und jener von Peps Team gegen Real in der abgelaufenen Champions-League-Saison, erlebt das Tiki-Taka einen weiteren herben Rückschlag im Gewand der spanischen Nationalmannschaft. Es lässt sich mittlerweile nicht mehr abstreiten, dass defensive Bollwerke dieser ästhetischen Spielweise ohne große Bemühungen leicht den Zahn ziehen können. Und die Iberer müssen sich in baldiger Zeit mit der großen Frage konfrontieren, ob die Zeit für diese Form des legendären Tiki-Taka nicht bereits vorbei ist.
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