„Schritt zum sozialen Tod des Vereins“: Supporter-Gruppen teilen gegen Vorstand aus

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Der FC Barcelona schließt vier Supporter-Gruppen aus dem Stadion aus. Diese melden sich nun in einem gemeinschaftlichen Statement zu Wort und teilen kräftig gegen den Vorstand aus. 

FC Barcelona: Fan-Gruppierungen reagieren nach Ausschluss

Maue Stimmung gegen Stade Brest, maue Stimmung gegen die UD Las Palmas – unabhängig von dem Geschehen auf dem Platz und den schlussendlichen Ergebnissen: Beim FC Barcelona hat sich nun auch sichtbar ein Problem mit vier Gruppierungen (Almogàvers, Front 532, Nostra Ensenya und Supporters Barça) aufgetan, die bisher stets für die ständigen Gesänge während der Partien im Estadi Olímpic Lluís Companys verantwortlich waren.

Hintergrund: Die Gruppierungen hatten durch ihr Verhalten Strafzahlungen in Höhe von 21.000 Euro angehäuft, die der Klub zunächst übernahm, selbst aber nicht von den Fanclubs zurückerhielt. Sie ließen mehrere Fristen verstreichen, woraufhin es zu der Verbannung kam. Während Barça seine Gesprächsbereitschaft mitteilte und an einer Lösung dementsprechend nach wie vor interessiert ist, scheint der Konflikt nun sogar eher schlimmer zu werden.

Almogàvers, Front 532, Nostra Ensenya und Supporters Barça veröffentlichten ein gemeinsames Statement, das neuen Zündstoff liefert. „Aufgrund der Schließung unseres Animationssektors wurden in den letzten Tagen viele Kommentare und Meinungen veröffentlicht. Und es ist an der Zeit, dass wir uns dazu äußern. Nach Jahrzehnten der Unterstützung der Mannschaft in ihren besten und vor allem in ihren schlechtesten Momenten, zu Hause und auswärts, wurde uns die Möglichkeit genommen, unser 125-jähriges Jubiläum zu feiern und zu genießen. Es geht nicht um finanzielle Strafen, die wir nicht zahlen wollen, es geht um viel mehr als das.“

„Sie verkaufen den Verein wirtschaftlich und sozial“

Dann geht es ins Detail: „Nach und nach verlieren die Mitglieder das Gewicht, das sie in der Vergangenheit immer hatten und das ihnen gehört. Die fehlende Kommunikation und das totale Desinteresse an der EDA, Vorschläge, die ohne jegliche Argumentation abgelehnt werden, die Tatsache, dass die üblichen Ticket-Weiterverkäufe immer noch erlaubt sind, die Denaturierung der Tribünen der Fußballatmosphäre durch das Füllen des Stadions mit Touristen, Olé-Wellen im Stadion beim Stand von 0:0, das Ändern der historischen Farben des Vereins aus reinem Marketing, das Treffen von Entscheidungen ohne Transparenz und ohne die Mitglieder zu konsultieren, die Verfolgung jeglicher Art von Animation und entgegengesetztem Diskurs, die Priorisierung des Spektakels ohne Platz für sentimentale und familiäre Wurzeln… Unzählige Gründe, die die Absichten dieses Vorstands zeigen, der ein Geschäftsmodell bevorzugt, das den engsten und treuesten Mitgliedern des Vereins schadet. Sie verkaufen den Verein wirtschaftlich und sozial. Die Schließung unseres Bereichs, der Stimme des Stadions, ist ein weiterer Schritt zum sozialen Tod des Vereins. Entweder wir reagieren oder sie werden am Ende das Wichtigste zerstören, was wir haben.“

Stimmungsdämpfer: Barça schließt Supporter-Gruppen bis auf Weiteres aus

„Wir werden für unsere Rechte als Mitglieder kämpfen“

Abschließend heißt es: „An der Würde der Institution ist nicht zu rütteln. Auch nicht an der Geschichte des Vereins. An den Werten des Wappens und den Gefühlen der Mitglieder und Fans schon gar nicht. Wir werden für unsere Rechte als Mitglieder kämpfen, so wie jeder andere auch. Es liegt in unserer Hand.“

Allerdings klingt das auch nach weiteren Heimspielen ohne richtige Stimmung …

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22 Kommentare

  1. Haben wir nicht durch die Blamage durch Frankfurt damals gelernt wie wichtig Fans und Stimmung im Stadion sind?
    Ich weiß jetzt nicht ob es mit diesen Gruppen Probleme bezüglich rassistischer Rufe o.ä. gab (denn dann gehören sie verbannt) aber falls nicht, sollte man schnell eine Lösung finden. Sonst sitzen im Nou Camp Nou dann genau so wie in der Allianz Arena mehr Touristen als Fans.

    • Äh, nein. Der Klub ist sehr klamm und die einzige Abteilung mit ein bisschen Gewinn sind immer noch die Frauen.

      Wenn im Stadion Gesänge, für die ich mich als Mitglied fremdschämen muss, angestimmt werden (ist ja bekannt, welche sanktioniert wurden, “puta Espanyol”, “odiamos el merengue” und ähnlich Verzichtbares, während wir mit dem Nazitransparent ja bereits vor der Weltöffentlichkeit blamiert wurden – wer bezahlt eigentlich diese Strafe?), bin ich nicht bereit, solche Strafen dann bald mit einem NOCH höheren Mitgliedsbeitrag zu tragen (kenne keinen anderen Verein, wo man über 200 Euro zahlt… nicht einmal die absurde Juventus-“Membership” – ja, auf Englisch, denn mangels Società gibt es ja gar keine Soci mehr – kostet das).

      Natürlich stört die mangelnde Gesprächsbereitschaft der Vereinsführung, aber für Streitschlichtungen zwischen Mitgliedern und Klub gibt es doch eigens den Síndic dels Socis, wurde der nicht damit bemüht? Das Argument, ein Videobeweis könnte jederzeit zeigen, wer sanktionierte Gesänge wirklich angestimmt hat, hätte doch auch frühzeitig vorgebracht werden können? Am besten, bevor die Situation überhaupt zustande kam. Diese Gruppen haben ja doch sehenden Auges, oder wohl eher ungeschaut, das Kleingedruckte unterschrieben. Als erwachsener Mensch kann man nicht einfach etwas unterschreiben, das man gar nicht in der Lage ist zu leisten, und einfach hoffen, dass es nicht schlagend wird :(

      Ich finde nicht, dass wir uns darum kümmern müssen, wenn Fans anderer Klubs über das angeblich langweilige Camp Nou lästern. “Opernpublikum” als Schimpfwort? Bin Geisteswissenschaftlerin, gehe in die Oper und gehe ins Camp Nou. Eben in der Erwartung, dass ich das auch als Frau allein genießen kann. In ein Stadion, wo man im Bierdunst, Zigarettenqualm und Böllersmog sitzt, bzw. es als Frau eh besser bleiben lässt, und wo Pöbeleien und grindige Schmähgesänge normal sind, käme ich einfach nicht auf die Idee zu gehen. DAS verstehe ich nicht unter “Stimmung”. So nach dem Motto, wer nicht grölt, ist ein Tourist? Dann bin ich halt Touristin LOL

      • Bei einem Spiel unserer B habe ich im Johan erlebt, wie ein “Fan” gegen die Linienrichterin einige Male das P-Wort gerufen hat und aufgefordert wurde, das Stadion zu aufgefordert wurde, das Stadion zu verlassen. Er wollte es nicht tun, die Ordner haben ihn auf das “Kleingedruckte” auf der Rückseite der Eintrittskarte aufmerksam gemacht und unter Mithilfe anderer Zuschauer wurde er dann nach draußen begleitet.So wünsche ich mir das!
        Bezüglich der “Touristisierung” gebe ich den Ultras recht, sonst nicht.
        Mich stören die ewigen “P…”-Rufe, auch wenn oft gesagt wird, das sei doch “nur” sein Synonym für das S-Wort. Ja, das kann im Eifer des Gefechts mal rausrutschen, gehört sich aber nicht, wenn es andauernd geschieht.
        Ich mag die Ultras, zoffe mich aber auch mit ihnen, wenn sie meinen, sie haben die Deutungshoheit, was “richtige” Fußballkultur ist. Und schon gar nicht gefällt mir, wenn Teile der Ultras die Boixos Nois schützen.
        Bezüglich Monaca danke ich Elena Fort für ihre klaren Worte!
        Schmähgesänge dürfen sein – aber bitte mit Niveau!
        Wenn unserer Publikum mitunter als “Opernpublikum” bezichtigt wird, wie @Misidjana richtig schreibt, muss ich lachen und frage, wo bitte ist das Problem? Fußball kann ganz große Oper sein! Im Idealfall sind wir hier wie dort unter zivilisierten Menschen und verhalten uns auch so. Im Liceu habe ich noch nie erlebt, dass eine Sängerin wegen nicht genügend Leistung mit dem P-Wort beschimpft wurde, sie wird ausgebuht und damit hat es sich auch.
        Und bei Rolling Stones-Konzerten habe ich auch noch nie “P…-Beatles”-Rufe gehört.
        Die Frage sei erlaubt, warum sich ein Teil der männlichen Fans das Recht rausnimmt, sich im Stadion rüpelhaft zu benehmen. Und NEIN liebe Jungs, wir verlangen nicht, dass ihr euch im Stasion lammfromm benehmt. Wenn sie humorvoll, ironisch und mit Wortwitz daherkommen, mögen wir temperamentvolle Männer sogar!

        • Ich bin aus Ö und seit über 20 Jahre Fan, so sehr, dass mich klar nicht gegebene/geprüfte Elfmeter 3 Tage beschäftigen.
          Ich war bisher ca. 15x im Stadion. War für 4 oder 5 Tage in der Stadt (ich liebe sie beinah so sehr wie den Club).
          Bin ich nun Tourist oder Fan?
          Das ist doch komplett egal, ein volles Stadion, egal wer drin sitzt, stärkt Barca wirtschaftlich. Das wollen wir doch, oder nicht?
          Und da bis auf den Classico im Schnitt 78000 drinsitzen, können wir Touristen mehr als gut willkommen heißen.
          Ich hab’s geliebt, zu Messis Zeiten, sich wie in einer Oper zu fühlen. Es war meist eine glanzvolle, meisterhafte Aufführung mit Aaahs und Ooohs und sehr oft konnte man nur in Erwartung der nächsten Zurschaustellung von Messis Genie mit offenem Mund staunen.
          Messi ist nicht mehr bei uns und ich hab auch nichts gegen ein lauteres Stadion.
          Bin nicht informiert, was genau vorgefallen ist,
          Wer wen wie beleidigt hat, jedenfalls Die Regeln, die hinten auf der Karte stehen, müssen befolgt werden.

          • Nö, so ganz egal ob Fan oder Tourist ist es nicht. Selbstverständlich bis Du im Stadion Fan, wenn Du von Auswärts kommst und als Tourist in der Stadr bist.
            Es geht um die Event-Touristen, die das Stadion und den FC Barcelona so nebenbei “mitnehmen, wel es eben dazugehört.
            Beispiel: Drei Plätze neben mir saßen drei Russinnen, die sich Null fürs Spiel interessiert und andauernd Selfis gemacht haben.
            Das hat mich an einen Besuch in der Wiener Staatsoper erinnert: Eine Gruppe Japaner stand nach 20 Minuten mitten in einem Duett auf und machte sich wenig leise von dannen. Bei “Europa in sechs Tagen” ist für die Wiener Staatsoper eben nur 20 Minuten Zeit. Das ist genau so bescheuert, wie in Barceloa ins Stadion zu gehen, ohnesich für Fußball zu interessieren. US-Amerikaner’innen gehen z. Z. nur deshalb ins Stadion, um Messi zu sehen, weil sie gehört haben, er ist berüht, welchen Beruf er e rausübt, wissen sie nicht. Spielt der gute Leo nicht, wird randaliert und wenn er ausgewechselt wird, gehen die Leute nach Hause.
            Gegen diese Art der Eventisierung des Fußballs wehre ich mich.
            Beschäftigte der Stadtreinigung von Barcelona, die den Dreck der Touristen wegmachen, können sich kein Ticket leisten. Das ist ein zusätzliches Problem. Hier haben die Ultras recht. Bezüglich benehmen und Schmähgesänge hat die Vereinsführung recht.

      • No offense. Aber glaubst du wir haben 2017 damals PSG im Camp Nou 6:1 besiegt, weil das Publikum still und leise zugeguckt hat?
        Meiner Meinung nach litt unser Heimstadion seit 2019 besonders in der UCL an PTSD. So eine Stimmung wie 2017 gegen PSG habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Keine Stimmung heißt oft schlechtes Spiel und dann geht der Teufelskreis von vorne los.

  2. Bei einem Spiel unserer B habe ich im Johan erlebt, wie ein “Fan” nach “Puta”-Ruf gegen die Linienrichterin aufgefordert wurde, das Stadion zu verlassen. Er wollte es nicht tun, die Ordner haben ihn auf das “Kleingedruckte” auf der Rückseite der Eintrittskarte aufmerksam gemacht und unter Mithilfe anderer ZUschauer wurde er dann nach draußen begleitet.So wünsche ich mir das!
    Bezüglich der “Touristisierung” gebe ich den Ultras recht, sonst nicht.
    Mich stören die ewigen “Puta”-Rufe, auch wenn oft gesagt wird, das sei doch “nur” sein Synonym für “Scheiße”. Ja, das kann im Eifer des Gefechts mal rausrutschen, gehört sich aber nicht, wenn es andauernd geschieht.
    Ich mag die Ultras, zoffe mich aber auch mit ihnen, wenn sie meinen, sie haben die Deutungshoheit, was “richtige” Fußballkultur ist. Und schon gar nicht gefällt mir, wenn Teile der Ultras die Boixos Nois schützen.
    Bezüglich Monaca danke ich Elena Fort für ihre klaren Worte!
    Schmähgesänge dürfen sein – aber bitte mit Niveau!
    Wenn unserer Publikum mitunter als “Opernpublikum” bezichtigt wird, wie @Misidjana richtig schreibt, muss ich lachen und frage, wo bitte ist das Problem? Fußball kann ganz große Oper sein! Im Idealfall sind wir hier wie dort unter zivilisierten Menschen und verhalten uns auch so. Im Liceu habe ich noch nie erlebt, dass eine Sängerin wegen nicht genügend Leistung als “Puta” beschimpft wird, sie wird ausgeboht und damit hat es sich auch.
    Und bei Rolling Stones-Konzerten habe ich auch noch nie “Puta-Beatles”-Rufe gehört.
    Die Frage sei erlaubt, warum sich ein Teil der männlichen Fans das Recht tausnimmt, sich im Stadion rüpelhaft zu benehmen. Und NEIN liebe Jungs, wir verlangen nicht, dass ihr euch im Stasion lammfromm benehmt. Wenn sie humorvoll, ironisch und mit Wortwitz daherkommen, mögen wir tempramentvolle Männer sogar!

  3. Leute, wir sind hier leider nicht bei “ich-baue-mir-meine-stimmung”: Support, aber ohne Beleidigungen, Stimmung, aber zivilisiert, Touristen ja, aber günstigere Preise… Wir müssen mal analysieren, was aktuell die Situation ist: Der Umbau des Stadions, das gesamte Konzept des Vereins baut momentan darauf, ein “Gesamterlebnis” zu bieten, bei dem man den Zuschauern möglichst viel Geld aus der Tasche ziehen kann. Das ist ein Problem. Denn es führt genau zu der von @barca-biest beschriebene Touristisierung und dem Ausschluss der katalanischen Arbeiterklasse aus dem Stadion. Ein Gegengewicht bieten hier lediglich die Fanclubs, Mitglieder und Ultras, die verstehen, dass es bei Barca Verbindungen (historische, familiäre etc.) zwischen Mitgliedern und Verein gab (und gibt), die die Seele des Vereins ausmachen — und dass der Verein auch für die nicht so Wohlhabenden der Stadt eine größere Bedeutung hat als für Touristen, die sich für Fußball nicht interessieren.

    Jetzt ist die Frage gerade nicht, ob man die beleidigenden Fangesänge gut oder schlecht findet (ich finde sie auch nicht toll, habe aber tbh andere Probleme, als mich darüber aufzuregen). Die Frage ist, ob man wegen einer Geldsumme, für die sich in unserer Kabine kein Mensch bücken würde, DIE GANZE FANKURVE SCHLIESST. Das ist eine offene Kriegserklärung gegen die treusten Fans, die wir haben. Die Frage ist jetzt: findet man das gut oder schlecht? Ich bin da angesichts der Gesamtlage bei den Ultras. Denn wer sonst wehrt sich gegen die Eventisierung?

    Noch ein Kommentar, den ich mir nicht verkneifen kann: Die eigenen Fans als “unzivilisiert” zu bezeichnen und über “Bierdunst, Zigarettenqualm und Böllersmog” die Nase zu rümpfen, ist leider Klassismus und Teil des Problems. Denn genau von diesem Image will der Verein weg, um die Klein- und Großbürger aller Welt anzulocken @misidjana. Dabei ist das natürlich Unsinn und allenfalls ein Zerrbild der Realität. Es mag in den 90ern mal eine Zeit gegeben haben, in der das anders war, aber man kann spätestens seit den 2000ern gut und gerne alleine ins Stadion gehen und hat weniger zu befürchten als auf den Ramblas. Und wenn du die Fangesänge nicht mitsingen willst, lass es halt bleiben, aber es denen verbieten, die es tun?? Und am besten noch mit Videobeweis sanktionieren?? Und aufs Kleingedruckte verweisen?? Für einen “erwachsenen Menschen” sind das erstaunlich weltfremde Vorstellungen.

  4. Das war nicht meine Idee, sondern eben genau die Forderung dieser Gruppen, der Verein solle doch mittels Videobeweis die wahren Täter herausfinden, wie ich in katalanischsprachigen Medien gelesen habe. Und ja, immer wenn man etwas unterschreibt, gilt natürlich dann das, was man unterschrieben hat, was sonst? Man kann allenfalls um Kulanz bitten. Ich verstehe nicht, wieso eine ganze Gruppe etwas unterzeichnet, womit sie nicht einverstanden ist.

    Klassismus LOL. Gehöre ich jetzt zu den Klein- oder den Großbürgern? Ich lebe derzeit leider zieeemlich prekär, und eigentlich ist es komplett verrückt, in zwei Wochen nunmehr 219 Euro abzuzweigen, während ich mir über jeden kleinen Supermarkteinkauf Gedanken mache. Wenn ich das für den Verein trotzdem tue, möchte ich nicht so gern von Mitfans abgekanzelt werden. Davon wünsche ich auch keine Bezahlung für etwas, was die Reputation des Vereins schädigt. (Ja, man kann solche Strafen leicht vermeiden. Es ist nun einmal ein Unterschied, ob man “Un dia de partit” singt oder Beleidigungen. Die beliebten “Dracs” in der Basketballhalle sind etwa eine Gruppe, die schon jenseits der Dezibel-Schmerzgrenze Stimmung macht, trotzdem aber ohne solche Peinlichkeiten. “L’Escut al Pit” stammt teilweise von denen.) Die Fahrt v.a. zu dem Halbfinale und dann Finale unserer Frauen (habe auch den Rest gesehen, Männerspiel, Meisterfeier der Frauen, Basketball) letztes Jahr waren eigentlich sogar die einzigen nennenswerten Reisen, die ich je geplant habe. Insgesamt doch 10000 km Bahn und Schiff. War über 30 Jahre nicht in Barcelona gewesen, mangels Möglichkeit, von wegen arrogante reiche Frau. Mein Niveau ist halt Hostelbett, nicht Sternehotel.

    Ich brauche im Stadion beim besten Willen weder Dach noch bequeme Sitze. Lieber erschwinglich für alle. Aber ja, ich finde es richtig, dass es im Camp Nou keinen Alkoholausschank an Spieltagen und kein Rauchen gibt. Und warum sollte ich Arbeitern unterstellen, weniger kultiviert zu sein? Das tue ich nicht. Andererseits ist der Verein ein gemeinsamer Nenner sehr unterschiedlicher Menschen. Man kann auch als introvertierter Mensch, der sich sonst in Menschenmengen nicht wohl fühlt, Fan sein. Mit Ultras kann ich nichts anfangen. Ich stelle an mir fest, wie ungesund das Fansein für die Psyche ist, mit Niederlagen komme ich schwer zurecht. Gruppendynamik jedoch hat für mich etwas Bedrohliches. Vielleicht, weil sich mir das Mitgehen mit einer Gruppe noch nie erschlossen hat.

    Weiß zu wenig über den englischen Fußball, aber der spanische war ursprünglich mitnichten ein Arbeitersport, man sollte diesen Aspekt also nicht romantisieren. Unser Verein wurde, wie auch Real Madrid, im Umfeld der Turnvereine gegründet, die der körperlichen Ertüchtigung von Leuten dienten, die eben nicht körperlich arbeiten mussten und sich die Mitgliedschaft in Turnhallen leisten konnten (damals herrschte auch die Ideologie, Turnen und dann auch besonders der neumodische englische Rasensport dienten der Verbesserung der Nation). Der Fußball von Gamper und seinen Freunden war ein teurer Spaß. Die genormten Bälle aus England waren so wertvoll, dass sie sie im Safe aufbewahrten. Blau und rot waren die teuerstmöglichen Stoffe damals. Die ersten Spieler wurden nicht bezahlt, sondern zahlten die Mitgliedschaftsgebühr eben, um aktiv ihrer Freizeitgestaltung frönen zu dürfen, nutzten für die Vereinsführung ein goldgeprägtes Buch, das man im Museum noch sehen kann, mieteten Plätze und Räumlichkeiten, kauften Turnierpreise und Trostpreise für die Gegner, und später dann Sandwiches für die Kinder und Blumen für die Damen der High Society, die im Stadion ihre Gewänder spazieren führten. (Ja, das war unserer Realität vor 100 Jahren.) Und verachteten Profisport (lustigerweise gibt es einen Text, der im Namen des neugegründeten Real Madrid veröffentlicht wurde und wo der Teil, der Profisport als perverses Gladiatorentum brandmarkt, Wort für Wort aus einer katalanischen Zeitung plagiiert ist. Das waren die Vorstellungen unserer und ihrer Vereinsgründer). Das erste richtige Stadion hat Gamper sogar zur Hälfte aus eigener Tasche bezahlt (bevor er sein Vermögen an der Wall Street verspielte).

    Die Barcelona-Fans haben sehr wohl einmal eine wirkliche Strafe riskiert, 6 Monate Vereinsschließung gab es 1925, die Liquidierung konnte nur um ein Haar abgewendet werden. Aber eben nicht wegen alberner Gesänge zur Beleidigung von Gegnern, sondern es wurde zum Protest gegen die damalige Diktatur (nicht die von Franco, sondern die davor) die spanische Hymne ausgepfiffen.

    • Spannend, was du da schreibst. Ich will dir ja auch gar nicht persönlich nahetreten. Dass der Verein letztlich der Verein der katalanischen Bourgeoisie ist, darüber gab es in LeMondDiplo einen interessanten Text neulich: https://monde-diplomatique.de/artikel/!5951824

      Das heißt aber nicht, dass er heute für viele Menschen ein Identifikationsobjekt darstellt, die nicht viel Geld haben. Das schreibst du ja auch selber. Ich würde dir eben lediglich in einer Sache widersprechen: Du scheinst den Zusammenhang zwischen Alkoholverbot, Rauchverbot, “Beleidigungsverbot” und dem Ausschluss der Armen/weniger Wohlhabenden nicht zu sehen. Man verbannt bestimmte Verhaltensweisen und signalisiert damit, wen man haben will und wen nicht. Welcher Habitus ist angemessen, welcher nicht etc. Und damit verwandelt man unser Camp Nou in einen Vergnügungspark für Reiche, den auch Leute, wie du und ich mal besuchen dürfen, obwohl wir zwar auch kein Geld haben, aber immerhin das kulturelle Kapital, um uns unter den Reichen nicht unwohl zu fühlen.

      Erlaube mir vielleicht zwei Fragen:

      1) Glaubst du, die Fans, die Primo de Riveras Diktatur ausgepfiffen haben, haben dabei geraucht und getrunken? (Spoiler alert: ja)
      2) Glaubst du, das Camp Nou wird mit geschlossener Fankurve lauter oder leiser Pfeifen, wenn wieder rechtsradikale an die Macht kommen sollten?

  5. Spoiler alert: Auch die Millionäre auf der Titanic genossen einen edlen Tropfen zur Zigarre im Rauchsalon. Zu Barça passt überhaupt eher Wein als Bier, denn genau an unserem 25. Gründungstag wurde die Internationale Organisation für Rebe und Wein gegründet, sodass diese Jubiläen immer zusammenfallen :D Spaß beiseite, auch wenn das ein kurioser Zufall ist… Danke zunächst für den Link.

    Du siehst offensichtlich eine Korrelation zwischen einer Atmosphäre, die dir wünschenswert scheint, und gewissen Verhaltensweisen und hättest lieber mehr Solidarität meinerseits gegenüber Fans mit weniger “kulturellem Kapital”, wie du es nennst. Nun, das Hindernis hierbei ist, dass ich zumindest instinktiv eine weniger schöne Korrelation befürchte. Bzw. eine gewisse Schnittmenge zwischen denen, bei denen “Beleidigungen” locker sitzen, und solchen, die Frauen wie mich nicht als gleichwertige Fans sehen und auch unsere Spielerinnen mindestens belächeln. (Die wirklich schlimmen Beschimpfungen, mit denen manche unserer Spielerinnen im Internet immer wieder konfrontiert sind, traurigerweise etwa Aitana nach dem Ballon d’Or, werden natürlich nicht aus unserem Fanlager kommen, bei den schon öfter gelesenen verächtlichen Kommentaren unter Medienartikeln etwa über Kritik von Spielerinnen an den Zuständen im spanischen Frauenfußball bin ich mir aber weit weniger sicher!) Ich tue mir schwer mit Solidarität, die wahrscheinlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

    Frauensport ist sicherlich keine echte Priorität des Vereins. In der Selbstdarstellung wird Gleichberechtigung als wichtiges Merkmal positioniert, aber man denke etwa an die radikalen Einsparungen samt Klassenverzicht beim Frauenbasketball, das Nichtvorhandensein von Frauenteams in den meisten Sportarten. Man schaue dann in den Fanshop – sehr viel weniger Frauenkleidung, kurioserweise wenden sich sogar die angebotenen Schmuckwaren, aus den Fotos zu schließen, allesamt an Männer, Frauen sind dabei nirgends abgebildet und es fehlt komplett so etwas Simples wie ein Paar Ohrringe mit dem Vereinswappen. Wenn es schon beim offiziellen Verein, der fast nie aufs Gendern vergisst, so ist, dass Frauen (auch nur 26% der Mitglieder meines Wissens) eine kleine Nebenrolle spielen, mache ich mir nicht die Illusion, von allen (männlichen) “Mitfans” als gleichwertig wahrgenommen zu werden…

    “Vergnügungspark für Reiche”? Du wirst doch sicher nicht Reichen per se die Fähigkeit absprechen, echte Freude und Leidenschaft zu empfinden? “Kulturelles Kapital”… Ja, klar gebe ich zu, dass ich dieses sozusagen geerbt habe, nicht jeder hat das Glück. Aber meine Eltern haben es sich schon selbst ohne Förderung durch die Familie erkämpft, und versucht weiterzugeben, ganz bewusst unter Verzicht auf Statussymbole wie Auto. Das mit dem verfügbaren Kapital, wörtlich und metaphorisch, ist ja doch immer nicht unwesentlich eine Sache der Prioritätensetzung.

    Meine Aversion, was Rauchen und Alkohol betrifft, hat damit zu tun, dass alle meine Erlebnisse damit ausschließlich negativer Natur waren. Rauchen u.a. deswegen, weil ich an einer Universität studiert habe, wo überall, sogar während Klausuren, Rauchen erlaubt war (entsprechend die Stummel am Boden herumlagen – die Ablehnung einer solchen gesundheitsschädlichen und unästhetischen Umgebung sehe ich mitnichten als Schaffung eines sterilen Vergnügungsparks) und das als eine schützenswerte Freiheit galt. Oft rauchte die Mehrheit in einem Raum, sehr unangenehm.

    “Katalanische Bourgeoisie”… Der Schritt dahin in der Anfangsphase des Vereins rettete sicherlich dessen Überleben. 1908 hatten die wenigen verbliebenen Mitglieder ja schon eine Sitzung zur Schließung des Vereins anberaumt. Über den Menschen Gamper wissen wir leider wenig, aber in der damaligen Zeit waren Protestanten anscheinend nicht wirklich in der katalanischen Gesellschaft akzeptiert. Er hat dann auch eine Katholikin geheiratet und den Verein als Präsident mehr Richtung Katalanismus ausgerichtet, was sowohl ihm als auch dem Verein geholfen hat, im Bürgertum von Barcelona Fuß zu fassen. Die ideologische Ausrichtung des Vereins hat sich klar geändert. Die ersten Statuten hatten ja noch dezidiert alles Politische verboten.

    Zum Abschluss der Spoiler… Das lautere Camp Nou wird sicherlich das der Reichen sein, das mit dem Dach. Der Vergleich der offenen zugigen Schüssel mit der extrem lauten Akustik im geschlossenen Palau Blaugrana, das man nach wichtigen Spielen fast taub verlässt und das sogar schon für Soundaufnahmen genutzt wurde, macht mich sicher.

    • Dass das mit dem Kapital eine Frage der Prioritätensetzung sei, erzählen die Bürger den Arbeitern schon seit jeher.
      Ansonsten kann ich dich beruhigen: Ohrringe mit dem Vereinswappen wird es früher oder später schon noch geben. So wie alles, was sich vermarkten lässt. Du hast hier die Geschichte sozusagen auf deiner Seite. (Allerdings ist mir die Zuschreibung Ohrringe=Frauen fast ein bisschen zu geschlechterbinär.) Du bekommst deinen sterilen Konsumtempel (der einer ist, egal ob du ihn so “ansiehst” oder nicht). Und ob die reichen Vorreiter der Gleichstellung da für Stimmung sorgen, werden die Taxifahrerinnen, die sie hinbringen, wohl nur aus Erzählungen erfahren.

      Btw: Leuten mit weniger kulturellem Kapital (=niedrigeren Klassen) unterstellen, dass sie eine Frau nicht als “gleichwertigen” Fan ansehen würde, ist (wie bereits gesagt) unverblümter Klassismus und hat mit der Frage hier rein gar nichts zu tun. Der Verein führt einen Kleinkrieg gegen die Fans und du lieferst ihm die Argumente.

  6. Was für Klassen? Sind wir im 21. Jh. oder im Ständestaat? Die Hammer-und-Sichel-Transparente kamen mir schon an der Uni im Jahre Schnee angestaubt vor, hatten null reellen Bezug zu denen, die sie aufhängten. Welcher Klasse rechnest du dich denn zu? Ich wüsste es von mir nicht. Wovon soll die abhängen? Abstammung? Weiß meine großteils nicht einmal. Geld? Kann sich im Lauf eines Lebens in beide Richtungen verändern. Erscheinungsbild? Trage keinerlei Schmuck LOL oder Schminke, interessiere mich null für Mode, besitze auch kein einziges Trikot mit Sponsor drauf. Und nein, fahre auch praktisch nie Taxi, obwohl ich keinen Führerschein habe. Verstehe daher den Seitenhieb mit der Taxifahrerin nicht. Dieser laut dir wohl “niedrige” Job steht mir nicht einmal offen…

    Ich finde es in der Tat weird, dass beim Verein sogar etwas so “weiblich Konnotiertes” wie Schmuck sich nur an eine männliche Zielgruppe wendet, Frauen also nicht einmal in der Rolle der Konsumentin interessieren. Mit dem Konsumtempel hast du recht – unser geliebter Verein verkauft alles Mögliche und Unmögliche, von Diamanten um Tausende Euro bis hin zur zukünftigen Urnen-Grabstätte in Blaugrana, falls du das nicht wusstest.

    Jedenfalls habe ich keine Lust, mich weiter von einem komplett Unbekannten abkanzeln zu lassen. Als ältere Frau kann ich gar nicht mehr mitzählen, wie oft in meinem Leben ein Mann schon ganz automatisch angenommen hat, dass ich noch nie in einem Stadion war, das Thema Fußball mich bestimmt nicht interessiert, ich zu einer Unterhaltung darüber sicher nichts beitragen kann, keinerlei Spieler kenne und das alles. Das ist also definitiv Fakt und nicht Vorurteil. Ich denke aber, dass wir die Debatte ad acta legen können, wir werden uns in diesem Leben nicht mehr einig. Aber auch du hältst mich ja deinen Worten nach eben nicht für einen richtigen Fan :(

    • Wie kommst du denn darauf, dass ich dich nicht für einen richtigen Fan halte oder gar abkanzle? Das käme mir nicht in den Sinn. Ich habe eine andere Meinung zu einer unseren(!) Verein betreffenden Frage, sonst nichts.

      Klassen sind übrigens keine Stände und welcher Klasse du angehörst, weißt du, wenn du dich fragst, wie oft Du es dir leisten kannst, für 80€ pro Spiel ins Camp Nou zu gehen ;).

      Aber ja, lassen wir das. Ich hoffe jedenfalls, der Präsident kommt zu Vernunft und macht die Grada wieder auf, bevor zwischen Fans und Vereinsführung nachhaltig was zu Bruch geht.

      • Klar sollte ein Kompromiss gefunden werden. Ich habe auch gar nicht für den Luxusausbau des Camp Nou gestimmt und meine Bedenken damals in der Tat auch zweimal schriftlich geäußert.

        Leider ist unser Verein zudem ein recht schlechter Arbeitgeber. Habe vor einiger Zeit von jemandem mit Insiderwissen von recht fragwürdigen Kündigungen von Leuten erfahren, die außerdem, wenn das alles so stimmt, mitnichten ein gerechtes Gehalt hatten. Zu der plötzlichen Kündigung oder eher Entlassung einer bei den Spielern beliebten Angestellten habe ich dem Verein damals jedenfalls meine Meinung geschrieben, wenn auch natürlich null Rückmeldung dazu. Habe auf diese Sache auch ein katalanisches Medienteam, das zum Verein u.a. einen Podcast macht, aufmerksam gemacht und sie haben das Thema auch wirklich gebracht. Geändert hat sich dadurch und angeblich auch Proteste von Spielern natürlich nichts. Es wurde wohl jemand aus dem Kreis Laportas stattdessen mit der Tätigkeit betraut? Weiß nicht mehr konkret, wer und mit welcher Begründung laut Medien. Nur die Leute vom geschlossenen Vereinssender wurden meines Wissens später mindestens teilweise wieder eingestellt, für die neue Plattform.

        Aber die Sanktionierungen wegen Fangesängen etc., durch wessen Schuld auch immer, müssen aufhören. Das mit dem Transparent in Monaco hätte man im Vorfeld verhindern müssen, das war für mich extrem gravierend.

        Einmal im Leben war ich in der Tat um 80 Euro bei einem Spiel, allerdings nicht im Camp Nou, sondern Auswärtsspiel halbwegs in meiner geographischen Nähe, hatte mich von der Penya animieren lassen, und das war ja schon Monate vorher geplant, Urlaub nehmen und alles. Das gemietete Zimmer hat sich da als bei einem gegnerischen Fan herausgestellt, der schon im Trikot wartete, gehen zu können :D Und es hat sich auch gelohnt. Letztes schönes Erlebnis gerade noch vor dem Lockdown, war bei einem der allerletzten Spiele überhaupt mit Messi in Blaugrana vor Publikum :)

        Immerhin hat unser Verein meines Wissens einer Vereinbarung zugestimmt, dass Auswärtskarten in Spanien nicht über 30 Euro kosten sollen. Bringt halt beim Clásico nichts, denn (fast nur?) Real Madrid hat abgelehnt, sich zu beteiligen.

        Es ist jetzt noch mehr als ein Jahr, bis wieder ein Präsident zu wählen ist. Offizielle Kandidaturen gibt es meines Wissens keine, bin aber auch kein Insider. Aber ja, immer schwierig. Es wird ja niemand für seine Eignung ausgewählt, sondern im Prinzip buhlen Politiker mit Versprechungen um Stimmen :(

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