Im ersten Teil unserer Analyse zur Krise der B-Mannschaft des FC Barcelona fokussierten wir uns auf die Problematiken im Aufbauspiel – im Mittelpunkt standen dabei insbesondere die Achter und Sergi Samper. Im zweiten Abschnitt wollen wir nun näher auf das Vorgehen der Talente im offensiven Drittel des Spielfelds sowie auf das Defensiv-Verhalten eingehen. Es scheint, als gebe es Licht am Ende des Tunnels für die Barça B, so viel sei verraten.
Die existierende Tor(un)gefahr
Bislang haben wir uns lediglich mit den Aufbauproblemen und Schwierigkeiten bei den Übergängen in die nächsten Drittel beschäftigt. Aber natürlich schafft es die Barça B auch bis ins gegnerische Drittel vorzustoßen. Abgesehen nun von den langen Bällen hinter die Abwehr, geschieht dies meistens durch kleinräumige Kombinationen auf den jeweiligen Flügeln. Dabei kommt es zu einem Anspiel des breitstehenden Flügelspielers, der dann im Verbund mit seinem Achter-Kollegen für Durchbrüche hinter die gegnerische Abwehr sorgen kann. Manchmal kann auch ein Flügelstürmer/Außenverteidiger-Päarchen für derartige Kombinationen sorgen. In derartigen Situationen kommt dann auch ein klein wenig Variabilität in den Bewegungsabläufen der zweiten Mannschaft vor, auch wenn man hier nicht von strukturierten Abläufen sprechen kann.
Doch wenn die Reservemannschaft bis ins letzte Drittel vorstoßen kann, so kommt es erneut zu unpassenden Staffelungen. Auffallend ist hierbei die verhältnismäßig enge Sturmreihe. Die Außenverteidiger stehen dann höher als in den vorherigen Phasen und dienen als gewöhnliche Breitengeber/Ausweichoptionen, während die Achter etwas tiefer agieren und sich in der Ballzirkulation beteiligen. Allerdings sorgt diese dichtere Ballung von Spielern im Zentrum für keine besseren Staffelungen zum Kombinieren. Die Abstände zwischen den Spielern werden suboptimal und meistens kommt es dann nach kurzen Passstafetten im Zentrum letzten Endes doch zu einem Zuspiel auf die Flügel, auf das dann eine Flanke in den Strafraum folgt (wie in der folgenden Szene zu sehen).
Durch die zu enge Sturmreihe entstehen keine konstruktiven Dreiecksbildungen in höheren Zonen und gute Passoptionen in die Tiefe ergeben sich für Babunski auch nicht. Im Gegenteil, durch die zu enge Positionierung im Zwischenlinienraum stehen sich die Stürmer gegenseitig auf den Füßen und können sich kaum für den Ball anbieten. Babunski verlagert anschließend auf die Außen, wo die beiden äußeren gegnerischen Spieler erst einmal versuchen, die Passwege in den Zwischenlinienraum zu versperren. Palencia bleibt damit nur mehr eine einzige Option (nämlich das Schlagen einer Flanke) übrig, um nicht in der angestrebten Isolation des Gegners den Ball zu verlieren und damit einen gegnerischen Konter einzuleiten. Zu allem Überfluss kommt es dadurch auch zu keinen guten Gegenpressingstaffelungen in den Reihen der Barça B. Die Gegner können bei einem eventuellen Ballgewinn zumeist relativ leicht weite Räume überbrücken und direkt auf die Abwehr zulaufen.
Zur Verteidigung der zweiten Mannschaft muss man allerdings auch erwähnen, dass es auch zu Situationen kommt, in denen man derartige Isolationen vermeiden kann, den Ball vom Flügel wieder ruhig zirkulieren lässt und die Lücken, die beim Verschieben des Gegners auftreten, bespielt. So kam man beispielsweise gegen Hércules Alicante zu einer gefährlichen Situation. Der Ball wurde vom Flügel wieder zum Achter gespielt und Dongou konnte aufgrund der Lücken beim Verschieben des Gegners perfekt in die Gasse geschickt werden. Doch muss die zweite Mannschaft derartige Abläufe deutlich konstanter auf dem Platz zeigen, um den Gegner über einen gewissen Zeitraum unter Druck zu setzen. Zudem muss in diesem Zusammenhang auch die Präzision im letzten Drittel verbessert werden, da einige Situationen durch ungenaue und unsaubere Spielzüge zunichtegemacht werden.
Bezüglich Kontern und Schnellangriffen zeigten sich die jungen Katalanen in dieser Spielzeit bislang fortwährend von einer guten Seite. Bei Kontern kann man dabei sogar einen kleinen Mechanismus entdecken. Dongou kippt auf eine bestimmte Seite ab – bevorzugt handelt es sich um den bereits angesprochenen linken Halbraum – und kann durch eine Ablage den jeweiligen sprintenden Flügelstürmer auf dem Flügel bedienen. Dieser besitzt dann durch die Nachstoßbewegungen der anderen Kollegen mehrere Optionen. Und auch bei Schnellangriffen konnte man durch direktes Spiel, besonders auf Dongou, schon einige gefährliche Situationen generieren.
Defensiv-Verhalten: Riskant geführte Pressingstruktur
Es stellt keine große Überraschung dar, dass auch die zweite Mannschaft des FC Barcelona im typischen 4-1-4-1 gegen den Ball arbeitet. Positiv ist hierbei die kollektive Zusammenarbeit im Pressing. Sowohl die Flügelstürmer, als auch der nominelle Stürmer partizipieren an der oftmals intensiven und aufwendigen Laufarbeit. Dadurch kann die Mannschaft selbst bei Verlagerungen des Gegners ballnah immer für Präsenz sorgen und kollektiv mit vielen Männern Richtung Ball schieben.
Im hohen Pressingverbund lässt sich eine beste Systematik erkennen. Dabei versucht der zentrale Stürmer den Ball auf die Außen zu bekommen, um dann darauf folgend den ballnahen Innenverteidiger zu decken. Die Flügelstürmer stehen währenddessen tiefer, decken die Passwege zu den Außenverteidigern durch ihren Deckungsschatten ab und sorgen für Kompaktheit in der zweiten Pressinglinie.
Die leitenden Impulse, um auf den ballführenden Spieler Druck auszuüben, kommen von den Achtern. Diese laufen den ballführenden Außenverteidiger auf dem Flügel an, um ihn zu einem überhasteten Abspielen des runden Spielgerätes zu zwingen. Der ballferne Achter schiebt dann ebenfalls in das Zentrum, um die Kompaktheit beim Herausschieben seines Kollegen zu bewahren.
Die entscheidende Rolle obliegt dann Samper. Der Sechser muss unterscheiden, ob es nun sinnvoller ist, eine Manndeckung situativ zu wählen oder ob es klüger ist, eine Zone abzudecken. Diese Spielweise ist äußerst riskant, da die Gewährleistung dieser Strategie stark von der Abstimmung Sampers zusammen mit dem attackierenden Achter abhängt. Somit kann es häufig zu Lücken in der Offensivpressingformation der zweiten Mannschaft kommen, die den Gegner zu Schnellangriffen beziehungsweise gefährlichen Situationen kommen lassen kann.
Beim Mittelfeldpressing agiert die Barça B ähnlich beziehungsweise ebenfalls in der normalen 4-1-4-1-Ausrichtung. Es gibt erneut die herausrückenden Elemente der Achter, während sich die Flügelstürmer nun ziemlich deutlich in die Halbräume positionieren und auf Höhe der beiden Achter stehen. Samper befindet sich dahinter und bewegt sich ballorientiert beziehungsweise balanciert die herausrückenden Bewegungen seiner vorderen Achter-Kollegen aus. Dabei nimmt er kurzzeitig den verlassenen Raum des Achters ein, womit er 4-4-2-artige Staffelungen im Mittelfeldpressing erzeugt. Zudem können sich die Innenverteidiger mit Manndeckungen gegen abkippende gegnerische Stürmer auszeichnen.
Diese Spielweise wird dann auch bis zur eigenen Strafraumverteidigung durchgeführt, wobei die Blaugrana hier oftmals eine gute Figur abgibt. Zuspiele in den Rückraum können durch die Rückwärtsbewegung oftmals abgefangen werden, Flanken finden selten einen Abnehmer und man kann die Räume um Samper herum durch gute situativ getätigte Mannorientierungen unter Kontrolle bringen. Insgesamt behält man hier auch häufig die Ordnung und Kompaktheit, womit man den gegnerischen Teams aus dem ruhigen Zirkulationsspiel heraus so gut wie nie zu gefährlichen Situationen kommen lässt. Lediglich über die Flügel, die für die Kompaktheit im Zentrum kurzzeitig offen stehen, kann der Gegner über direkte und scharfe Flanken Gefahr erzeugen.
Barça-typische Standardprobleme und ein klein wenig Pech
Jetzt mag man sich natürlich fragen, woher die Gegentore der Barça B herrühren, wenn die Verteidigung eigentlich eine so gute Figur abgibt. Das liegt zum einen an den fast schon typischen Standardproblemen für Teams des FC Barcelona. Oftmals kann der Gegner durch ruhige Bälle Hektik und Unordnung im Strafraum der zweiten Mannschaft verursachen beziehungsweise das Spielgerät gefährlich auf den Kasten von Torhüter Ortolá bringen. Im Spiel gegen die zweite Mannschaft von Espanyol Barcelona kam es beispielsweise zu zwei Standardtreffern des Gegners. Diese sorgten dann auch für den 3:2-Sieg der Blau-Weißen im kleinen katalanischen Derby. Insgesamt kam es in dieser Saison bereits zu drei Gegentreffern (zwei Mal gegen Espanyol, ein Mal gegen Hospitalet) nach Standards.
Auf der anderen Seite muss die Barça B auch häufig durch dumme Umstände oder ein wenig Pech den Rückstand hinnehmen. Im Spiel gegen Cornellà war es ein langer Einwurf, der im Strafraum von einem gegnerischen Spieler aufgenommen wurde. Dieser nutzte das aus und schloss zur Führung ab. Im gleichen Spiel holte man sich in der Schlussphase noch einen Elfmeter ab, der die 1:2-Niederlage markierte. Gegen Hospitalet war es ein Fehlpass zum gegnerischen Stürmer sowie ein Konter kurz nach dem 1:2-Anschlusstreffer, die die Niederlage perfekt machte. Somit kommt man insgesamt auf lediglich einen Gegentreffer, der vom gegnerischen Team aus einer “normalen”, im Training simulierbaren, Situation heraus erzielt wurde.
Fazit: Hinten hui, vorne pfui!
Die Barça B brennt offensiv bislang kein Feuerwerk ab. Positive Aspekte sind sicherlich das Umschaltspiel, einige kurzweilige Phasen, in denen gegnerische Lücken bespielt werden, und auch – man mag es kaum glauben – Tore nach Standardsituationen (zwei Mal nach Eckbällen und ein Mal ein Freistoß). Doch strukturierte und geordnete Staffelungen, die beginnend von hinten bis nach vorne gehalten werden, konnte man bislang noch nicht sonderlich häufig beobachten.
So erscheint es auch wenig überraschend, dass die zweite Mannschaft in dieser Saison bereits dreimal ein 0:0 als Endergebnis nach Hause brachte. Und genauso wenig überraschend ist diese Herangehensweise von Teamchef López. Nach 47 Kaderveränderungen in den letzten zwei Jahren ist die Wahrung der eigenen Defensive eine verständlich gesetzte Priorität vom ehemaligen Spieler des FC Barcelona. Und das scheint sich langsam auch auszuzahlen: In den letzten vier Spielen (gegen Olot, Hércules, Levante B sowie Alcoyano) konnte die zweite Mannschaft jeweils zu Null spielen und zwei Siege erringen.
Nun wird es für López entscheidend sein, auch die Offensivstrukturen bei der Barça B voranzubringen. Die Harmonie in den unterstützenden Bewegungen der Achter beziehungsweise dem Abkippen von Samper muss besser abgestimmt werden, um jegliche Pressingansätze des Gegners zu unterbinden und gegebenenfalls auch mithilfe von Schnellangriffen nach vorne zu gelangen. In der Offensive müssen die Spieler räumlich besser verteilt werden, um den Gegner zum Laufen zu bringen. In einigen Ansätzen konnte man derartige Staffelungen schon beobachten, doch “Kontinuität” ist hierbei das schlagende Wort. Eine mögliche wichtige Personalie könnte auch Seung Woo-Lee werden, der ab Januar für die Mannschaft einsatzbereit ist. Insofern wird es interessant sein, in welche Richtung sich die Barça B im spielerischen Bereich in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird.