Die Krise der Barça B: Die Hintergründe für den tiefen Fall der Talente des FC Barcelona (1)

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Vor zwei Jahren noch Dritter in der zweiten spanischen Liga, nun auf Rang 15 in Liga drei. Die zweite Mannschaft des FC Barcelona befindet sich nach dem Abstieg aus der Segunda División weiterhin im tiefen Fall und ein Ende scheint kaum in Sicht. Doch wie lässt sich ein derartiger Leistungsabsturz nur erklären? Wie konnte aus einer hochgelobten Reservemannschaft ein Team werden, das sich ungebremst im freien Fall befindet? Eine Analyse zum tiefen Fall der Barça B.

Vorab muss erwähnt werden, dass die Barça B in den letzten zwei Jahren massive Kaderumbrüche zu verzeichnen hatte. Waren es in der Sommertransferperiode 2014 noch ganze 26 Kaderveränderungen – zwölf Abgänge und 14 Neuzugänge -, so sollte auch die folgende Transferperiode mit 21 Kaderveränderungen – davon vielen abgewanderten Spielern, die erst im vorherigen Jahr zur Mannschaft stießen – keinen Abbruch darstellen. Hochtalentierte und systematisch äußerst relevante Spieler wie Alen Halilović, Adama Traoré oder auch Denis Suárez wurden zwecks Weiterentwicklung abgegeben und auch die Registrierungssperre durch die FIFA-Sanktion (die sich durch alle Altersklassen des FC Barcelona hindurchzieht) hat bei der katalanischen Reservemannschaft durchaus Spuren hinterlassen. Dass sich dadurch selten eingespielte Schemata im Ballbesitz- und Defensivspiel bilden können und stetig neues Personal in das bereits bestehende System integriert werden muss, ist offensichtlich, soll in dieser taktischen Analyse allerdings erst einmal außen vor gelassen werden.

Das talentierte Personal

Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir schon über den kompletten Kader der zweiten Mannschaft berichtet. Insofern folgt an dieser Stelle nun die einzelne Stammplatz- und Rollenverteilung im traditionellen 4-3-3 der jungen Blaugrana-Truppe.

Während der Kasten von Torhüter Ortolá gehütet wird, kann man davor zumeist die Viererkette bestehend aus Godswill auf der Position des rechten sowie Palencia auf der Position des linken Verteidigers und Costa beziehungsweise Tarin auf den Innenverteidigerpositionen beobachten. Oft kommt es auch zu einer Aufstellung Grimaldos auf der Linksverteidigerposition, womit sich der Platz auf der rechten Seite zwischen Godswill und Palencia entscheidet. Charakteristisch an den Außenverteidigern der Blaugrana ist übrigens, dass sie häufig invers agieren, um damit mögliche Isolationen auf den Außen zu umgehen.

Eine Reihe davor – in der Mittelfeldzentrale – hat Teamchef Gerard López dann mehrere variable Spielertypen parat. Im defensiven Mittelfeld setzte der Cheftrainer bislang immer auf das katalanische Edeljuwel Sergi Samper. Der La-Masia-Absolvent ist ähnlich wie sein älteres Pendant Sergio Busquets eine äußerst wichtige Schaltzentrale im Aufbau der Blaugrana, die von den Gegnern immer aus dem Spiel genommen werden soll. Samper besitzt ein tolles Verständnis für die um ihn liegenden Räume und kann Situationen entweder mit klugen und simplen Läufen lösen oder Verlagerungen auf die andere Seite tätigen.

Auf den altbekannten Achter-Positionen kommt es eigentlich regelmäßig zur Paarung Gumbau/Babunski. Gumbau kommt meistens links zum Einsatz, Babunski meistens rechts, wobei sich die Wirkungsbereiche in jeder Partie auch vertauschen lassen können. Da es bei Gumbau allerdings regelmäßig zu Einberufungen in die Kampfmannschaft kam, um die Personallücken im Mittelfeld zu füllen, konnte das Duo in dieser Saison bislang noch nicht so oft zum Einsatz kommen. Deswegen kam der junge Ros bereits auch schon zu ein paar Einsätzen in dieser noch so jungen Spielzeit, wobei der Mittelfeldspieler sich eher durch raumöffnende Läufe in die Spitze charakterisiert.

Ganz vorne befindet sich mit Dongou ein nicht gänzlich unbekanntes Gesicht; so kam der Kameruner bereits unter Gerardo ‘Tata’ Martino zu einigen Auftritten im Aufgebot der Blaugrana und durfte gar schon einmal in La Liga auflaufen. Unter Lopéz hat der Stürmer seinen Stammplatz inne und ist neben der Station zwischen den Innenverteidigern auch ein mitspielender Stürmer, der sich situativ als Unterstützung – zumeist bei Kontern – abfallen lässt. In diesen offensiven Umschaltmomenten kann er dann auch seine überdurchschnittlich gute Technik mit dem Ball oftmals unter Beweis stellen.

Zur Seite stehen dem Kameruner auf links Grimaldo oder Cámara sowie auf rechts zumeist Rolón. Beide Spieler sind positionell sehr variabel. Grimaldo ist auf der linken Seite auf nahezu jeder Position einsetzbar, während Cámara auch im Mittelfeld der Blaugrana eingesetzt werden kann. Beide sind technisch gut veranlagt und auch relativ dynamisch. Daneben griff López in dieser Saison bereits auch schon auf den Spanier Aitor als Personalie für diese Positionen zurück.

Barça-typisches 4-3-3 mit problematischen Grundschemata

Wie in all den anderen Jugendstufen des FC Barcelona unterscheidet sich auch das 4-3-3 der Barça B nicht sonderlich von der Ausrichtung der ersten Mannschaft. Die Torwartkette bestehend aus Ortolá zusammen mit seinen Innenverteidigern Costa sowie Tarin bildet sich häufig bei gegnerischen Angriffspressingphasen. Doch scheint dieses taktische Mittel bislang noch nicht sonderlich einstudiert worden zu sein, da die Ausführung und Zirkulation mit dem Ball noch etwas hektisch wirken beziehungsweise häufig schlussendlich der lange Ball als Ausweg gewählt wird.

Im Spielaufbau befindet sich Sergi Samper als alleiniger Sechser im Sechserraum und steht während dieser Phase noch etwas höher als seine Kollegen in der Innenverteidigung. Auch sind hier von ihm teilweise Horizontalbewegungen im Sechserraum zu beobachten, doch im Grunde genommen hält der Spanier seine zentrale Position relativ lang aufrecht. Sobald der Übergang ins zweite Drittel vonstattengeht, lässt sich Samper dann doch zwischen die Innenverteidiger abkippen. Dies hat zwei wesentliche Gründe: Zum einen erzeugt Samper für sich selbst bessere Passwinkel, um seine Mitspieler aus einer zentralen Position anzuspielen, und zum anderen erschwert diese tiefere Position zwischen die Innenverteidiger dem Gegner die Ausübung von Druck auf den katalanischen Sechser.

Davor gibt es vertikale Pendelbewegungen der Achter in den Halbräumen und auch die breite Grundstaffelung der Flügelstürmer erinnert an die Grundzüge der ersten Mannschaft. Mit Dongou gibt es eine zentrale Anspielstation zwischen den gegnerischen Innenverteidigern, der sich für Ablagen zur Verfügung stellt oder bei weiträumigen Überbrückungen des Mittelfeldes, wie zum Beispiel bei den angesprochenen langen Bällen, bereitsteht.

Was besonders auffällt, ist der relativ starre Bewegungsraum der Achter. Sie lassen sich so gut wie nie zwischen Innen- sowie Außenverteidiger fallen, um eine lokale Überladung auf dem jeweiligen Flügel zu erzeugen. Dadurch müssen die Außenverteidiger relativ häufig tief stehen und die Flügelstürmer als vorderste Breitengeber fungieren.

Hier zeichnet sich schon ein erstes Problem der Barça B ab. Zwar sind die Grundpositionen in der ersten Mannschaft im Spielaufbau ähnlich, dafür sind die Abläufe allerdings anders. Die Flügelstürmer in Person von Messi und Neymar kippen entlang der Seitenlinie ab und werden in der Folge dann auch angespielt; durch das Herausrücken der Gegner, um sofortigen Zugriff auf den jeweiligen Spieler zu erhalten, öffnen sich zentrale Räume für die vorstoßenden Außenverteidiger, die dann (blind) angespielt werden können.

Derartige Dynamiken sind bei der starren Ausrichtung der Barça B allerdings fast überhaupt nicht zu sehen. Die Achter sind meistens nur in den Halbräumen, die Flügelstürmer stehen fast immer breit und die Außenverteidiger können zwecks absichernder Funktion kaum dynamisch nach vorne laufen und Räume aufreißen. Kurz: Die nötige Flexibilität, um auf gegnerische Mannorientierungen zu reagieren, ist derartig limitiert, dass es bei der zweiten Mannschaft häufig zu Problemen im Aufbau kommt. Und daneben ergeben sich in dieser Hinsicht nochmals weitreichende Probleme für die Blaugrana.

Fehlende Dreiecke im Aufbau

BarcaB RCD Espanyol HalbräumeDas 4-3-3 gilt nicht umsonst als eines derjenigen Systeme, in denen Ballbesitzphasen relativ einfach ausgeführt werden können. Es liegt in der Natur dieses Systemes, dass innerhalb der eigenen Schematik viele Dreiecke entstehen, mit denen man sich in gegnerische Defensivformationen kombinieren kann. Auch im eigenen Aufbau können durch die Präsenz der Achter in den Halbräumen, dem alleinigen Sechser sowie den Außenverteidigern konstruktive und effektive Staffelungen erzeugt werden, um geordnet nach vorne zu gelangen.

Doch genau jener Fall trifft nicht auf die Barça B zu. Hauptproblem ist hierbei die Präsenzlosigkeit in den eigenen defensiven Halbräumen. Wie schon erwähnt agiert Samper in der ersten Aufbauphase noch etwas vor der Innenverteidigung, womit er die zentrale Schaltoption schlechthin darstellt und damit gerne von den gegnerischen Stürmern unter Druck gesetzt wird. Hier kommt es aber dann bei den beiden Achter-Positionen zu höheren und suboptimalen Positionierungen, womit dem Sechser die diagonalen Passoptionen in die Halbräume fehlen. Die weitere Folge davon ist nun, dass trotz 4-3-3-Grundstaffelung kaum konstruktive Dreiecke für den Weg nach vorne erzeugt werden können. Durch diese Nichtbesetzung der Halbräume kann Samper nur mehr den Passweg nach außen wählen, wo der Gegner anschließend ballorientiert verschieben und Isolationsversuche unternehmen kann.

Oftmals stimmt in derartigen Situationen auch das Timing der beiden Achter überhaupt nicht, wenn sie unterstützende Abkippbewegungen tätigen. Sie kippen mehrmals zu spät ab (wenn Samper bereits den Pass auf die Außen gespielt hat) und sind wegen der generellen starren Grundstruktur relativ leicht mit Mannorientierungen aus dem Spiel zu nehmen. Die Spitze des Eisberges ist allerdings, dass dem Gegner durch die Mannorientierungen die Kompaktheit selten abhanden geht. Aus der obigen Grafik lassen sich beispielsweise die Mannorientierungen gegen die Achter-Paarung relativ deutlich erkennen und dennoch bleibt die Kompaktheit beim Gegner unbeschadet bestehen.

Doch der Dominoeffekt wird noch weiter fortgeführt. Aufgrund der hohen Positionierung der Achter wird gleichzeitig auch der Zugang für eine konstruktive Einbindung der vordersten Stürmer verhindert. Die Flügelstürmer können allerhöchstens entlang der Seite versuchen, sich verzweifelt anzubieten und Dongou kann nur auf längere Bälle hoffen, die er selbst halten und weiterleiten muss. Dabei ist der Kameruner eigentlich ein äußerst kluger Spieler, der das Abkippen über den linken Halbraum präferiert. Selten kann das allerdings konstruktiv eingebunden werden (siehe erneut obige Grafik). Für die Blaugrana bedeutet das somit, dass man automatisch drei Spieler bei gegnerischen Vorstößen beziehungsweise im eigenen Aufbau “verliert”. Schlussendlich gerät man damit des Öfteren in Gleichzahl- oder gar in Unterzahlsituationen, die mit langen und teils unkontrollierten Bällen gelöst werden müssen.

Die Samper/Achter-Problematik

Wir wollen diese Problematik von Samper zusammen mit seinen beiden weiteren Mittelfeldkollegen noch einmal getrennt behandeln. Grundsätzlich besitzt Samper – wie bereits erwähnt – gute Fähigkeiten im Umblickverhalten beziehungsweise kann ein gutes Gefühl für die Situation um sich herum aufbauen. Damit ist der Sechser der wahrscheinlich beste Akteur der Barça B, um Engstellen in schwierigen Situationen aufzulösen.

Bei den Staffelungsproblemen der Barça B haben wir bereits die kontraproduktiven Bewegungen der Achter in den Halbräumen angesprochen. Doch muss man in gleichem Atemzug auch Samper erwähnen, der durch sein Abkippen womöglich die Anbindungen zu seinen weiteren Kollegen abschneidet. Immerhin ist die Sechser-Position beim FC Barcelona eine der schwierigsten auf der ganzen Welt und nimmt eine breite Palette an Fähigkeiten gleichzeitig in Anspruch. Das beinhaltet nicht nur die Auflösung von gegnerischem Pressing, sondern auch die eigene richtige Positionierung, um in der zweiten Linie nicht präsenzlos zu werden.

Fakt ist, dass diese schwerwiegende Problematik durch zwei Faktoren – die fehlerhafte Positionierung der Achter und Sampers Abkippen – bedingt ist. Welche der beiden Faktoren nun hauptverantwortlich ist, lässt sich nur schwer ausmachen. Grundsätzlich kann sich Samper nicht abkippen lassen, wenn seine Kollegen in den Halbräumen suboptimal stehen beziehungsweise wenn er merkt, dass die zweite Aufbaulinie nicht ausreichend besetzt ist. In weiterer Folge könnte ihn gerade sein Abkippen in die Bredouille bringen, da ihm die Optionen in der zweiten Linie, sprich in der Tiefe, fehlen und er den Gegner damit einladen könnte, höher zu pressen. Durch die Präsenzlosigkeit in der zweiten Linie stehen Samper folglich auch weniger Passoptionen zur Verfügung, was die Erfolgsabsichten des gegnerischen Pressings automatisch erhöht. Dass aber natürlich auch die Achter einen wesentlichen Part im Spielaufbau einnehmen, ist selbsterklärend und ihre schlechten Positionierungen tragen ebenso zu dieser Problematik bei.

Im Spielaufbau ist diese Problematik noch nicht derartig eklatant, da Samper nicht vollständig in die Innenverteidigung abkippt und die Verbindungen damit abhandenkommen. Erst danach wird das Ausmaß dieses Problems vollständig sichtbar.

Meister der Präsenzlosigkeit und der hohen Abstände

Zum Leidwesen von Fans der zweiten Mannschaft werden die Staffelungsprobleme auch in Ballbesitzphasen in höheren Zonen BarcaB Pobla Mafumet Ganz 2.2fortgeführt. Die Grafik rechts verdeutlicht das mit all den dazugehörigen taktischen Missständen. In der siebten Minute im Spiel gegen Pobla Mafumet schafft es die Barça B, trotz der beschriebenen Aufbau-Problematik ins zweite Drittel vorzustoßen. Samper befindet sich im Ballbesitz und kippt zwischen die Innenverteidiger ab. Diese wiederum können auffächern und die Außenverteidiger nach vorne schieben. Eigentlich also perfekte Vorrausetzungen, um den Angriff fortzuführen; das könnte man nun meinen. Doch aufgrund der auffällig hohen Achter-Positionen kann es schlicht und einfach zu keinen guten Staffelungen kommen. Babunski ist gänzlich vom Spielgeschehen abgeschnitten beziehungsweise befindet sich in einer Manndeckung und Ros versucht für Cámara durch einen Vertikallauf nach vorne den Halbraum zu öffnen. Der Flügelstürmer nimmt diese versuchte Raumöffnung von Ros aber nicht wahr und bewegt sich viel zu schlecht zum Ball. Dadurch entsteht ein riesiges Loch in der Zentrale (Rotes Feld), wo jegliche Anbindung von erster Aufbaureihe zum Rest des Feldes fehlt.

Derartige Szenen verdeutlichen letztendlich nur, dass die Abstimmung und passende Rollenverteilung bei der zweiten Mannschaft in bestimmten Situationen nicht passt. Durch die Präsenzlosigkeit in der zweiten Linie kann man keine Pässe in die Tiefe tätigen und greift somit des Öfteren zum langen Ball beziehungsweise lässt den Ball in einem U-Muster herumzirkulieren. Bei langen Bällen auf die Stürmer vorne kommt es teilweise zu ganz ordentlichen Durchbrüchen hinter die Abwehr, doch in der Gesamtheit ist eine derartige Herangehensweise wenig ertragreich. Bei der Zirkulation kommt es auf den Außen zu versuchten Isolationen vonseiten des Gegners, weswegen die Aufbauspieler immer wieder zurückspielen müssen und damit auch der Gegner die Chance erhält, weiter nach vorne aufzurücken und zu pressen.

In Teil zwei unsere Analyse zum tiefen Fall der Barça B folgt ein Blick auf das Vorgehen der Jungspieler im offensiven Drittel des Spielfelds und das Defensivspiel: Klick!

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