Bildquelle: fcbarcelona.com
Hartes Pressing, Gegenpressing und ein hoher Laufwand – das waren die würzigen Zutaten für ein sehr ausgewogenes und interessantes Fußballspiel. Tito Vilanova hat bereits im Vorfeld der Partie verlauten lassen, dass er keineswegs eine passive abwartende Spielweise des Gegners erwarte. Und er sollte Recht behalten, Vallecano machte den Katalanen das Leben sehr schwer und erstickte viele Angriffsbemühungen von Messi und Co. im Keim. Trotz dieser couragierten Vorstellung ist das Team von Paco Jémez am Ende im Torhagel des FC Barcelona untergegangen, fünf Tore trennten beide Mannschaften. Entgegen der Ansicht vieler ist das nicht ein schmeichelndes Ergebnis für die Mannen von Vilanova, sondern eines, das die Leistungsdiskrepanz zwischen beiden Mannschaften realitätsgetreu widerspiegelt.
Heute werden wir auf eine konventionelle Analyse mit einer Vielzahl an Wörtern verzichten und uns anhand von Bildern die taktischen Besonderheiten dieser Partie vergegenwärtigen. Damit sollen die Leser in die Lage versetzt werden, die taktischen Gegebenheiten und Verflechtungen im Spiel Dank einer Visualisierung noch besser nachzuvollziehen. Beginnen wir also mit dem Pressing von Vallecano:
Das Vallecano-Pressing
Die beiden vorstehenden Bilder verdeutlichen die Spielweise von Rayo Vallecano. Im Vergleich zu vielen anderen Gegner der Blaugrana setzte Vallecano nicht auf eine passive konterlastige Strategie, sondern war darum bemüht, die Gäste aus Barcelona zu jeder Zeit unter Druck zu halten. Ein geordnetes Aufbauspiel aus der Abwehr heraus sollte unterbunden und hohe unkontrollierte Bälle provoziert werden. Sollten die Spieler des FC Barcelona gleichwohl versuchen, geordnet herauszuspielen, könnten bei Ballverlust sehr schnell unangenehme Situationen für sie und idyllische Verhältnisse für Vallecano entstehen. Aus diesem Grund wählten die Spieler bei allzu großer Bedrängnis stets den befreienden Ball mit dem Nachteil, diesen sofort oder im zweiten Anlauf erobern zu müssen. Mangels Lufthoheit und aufgrund der vergleichsweise schmächtigen körperlichen Konstitution der Barcelona-Spieler sind diese in dieser Disziplin regelmäßig unterlegen.
Das Verhalten der Verteidiger beim Pressing
Eine wichtige Rolle beim Pressing von Vallecano spielten die Verteidiger. Diesen wurde die Aufgabe zuteil, den Abstand zu den pressenden Spielern nicht allzu groß werden zu lassen, um beim Umspielen der Pressing-Linie sofort beim ballaufnehmenden Gegenspieler zu sein. Des Weiteren kam ihnen die Aufgabe zu, die Stürmer bei ihren Ausflügen nach hinten zu begleiten und damit zu verhindern, dass bei den Katalanen beim Aufbauspiel Überzahlsituationen entstehen. Im zweiten Bild sind sowohl Außen- als auch Innenverteidiger jenseits der Mittellinie, um Anspielstationen zuzustellen, die anderen Innenverteidiger agieren auf Höhe der Mittellinie. Die Mannschaft soll beim Pressing so kompakt wie möglich auftreten und keinesfalls Schlupflöcher entstehen lassen, in welche der FC Barcelona hineinstoßen könnte. Aus diesem Grund minimiert die Abwehr den Abstand zum angreifenden Segment.
Wenn allerdings das (Gegen-)Pressing fehlging, ergaben sich für den FC Barcelona Möglichkeiten für Konter. Dieser Spielsituation ging eine Ecke voraus, nur deshalb sind die Außenverteidiger von Vallecano so weit vorgerückt. Und trotzdem gelang es dem Gastgeber, diese Situation zu entschärfen. Das harte Arbeiten gegen Mann und Ball kennzeichnete das Spiel von Vallecano, das sich zudem durch viel läuferischen Aufwand auszeichnete. Hier bereinigt der weit vorrückende linke Innenverteidiger die Gefahrenlage. Am unteren Bildrand wird Villa durch ein taktisches Foul außer Gefecht gesetzt. Sehr klever diese Vorgehensweise.
Die Situation vor dem ersten Tor: Pressing und “Falsche 9”
So stellte sich das Spielbild kurz vor dem ersten Gegentor dar. Auch der FC Barcelona setzte situativ auf das Pressing/Gegenpressing und hatte damit im Gegensatz zu der Heimmannschaft mehr Erfolg. Der Spieler ist eingekesselt und kann keinen kontrollierten Ball spielen. Der Rückpass zur Verteidigung wird ihm ebenso wie der horizontale Ball versperrt. Ein dritter Spieler des FC Barcelona setzt den ballführenden Spieler Vallecanos unter Druck. Sehr interessant in diesem Spiel war die Ausgewogenheit zwischen der Offensive und Defensive beim FC Barcelona. Zu keiner Zeit fand man die Verteidigung des FC Barcelona entblößt vor. Dies war vor allem auch der Spielweise von Song geschuldet, der seine Rolle sehr restriktiv interpretierte, dafür aber immer zur Stelle war und viele Bälle eroberte. Auch die Außenverteidiger waren sich der Tatsache bewusst, dass sie in diesem Spiel etwas mehr Vorsicht walten lassen sollten und wählten ihre Offensivauftritte mit Bedacht.
Messi zieht den Innenverteidiger heraus und schafft die Lücke für den Pass von Fàbregas auf David Villa. Das ist die Aufgabe der “Falschen 9”, die beim ersten Tor des FC Barcelona wieder sehr gut zur Geltung kam.
Eine Chance: Hohe Bälle hinter die aufgerückte Abwehr
Hier zeigt sich der Nachteil der Kompaktheit bei einem praktizierten Offensivpressing. Die Verteidigungslinie ist sehr hoch angesetzt und läuft Gefahr, durch einen hohen Ball aus der Spielfeldtiefe überspielt zu werden. In dieser konkreten Situation startet Fàbregas von der Mittellinie aus durch, wird vom Abwehrspieler aber übersehen. Der rechte Außenverteidiger von Rayo Vallecano spielt auf Abseits. Insgesamt zwei Mal in der ersten Halbzeit ergab sich für den FC Barcelona die Chance, auf diese Weise eine Gefahr für den gegnerischen Kasten herauszubeschwören. Das zweite Mal kam zwar der Ball, geriet aber etwas zu lang und wurde vom Torwart geklärt.
Fehlgehendes Gegenpressing und eine Vorentscheidung
Kurz nach Wiederanpfiff konnte der FC Barcelona in Gestalt von Lionel Messi auf 2:0 erhöhen. Ein mangelhaftes Gegenpressing nach Ballverlust bildete den Ausgangspunkt dieses Tores, an dem Pedros individuelle Qualitäten ebenfalls einen erheblichen Anteil tragen. Bereits ab der 20. Spielminute ließ die Intensität des Vallecano-Pressings sichtlich nach und eine Umgehung des Pressing-Bereichs war bei einem makellosen Angriffsspiel möglich. Damit öffneten sich für die Gäste Räume für ein schnelles Umschalten und selbst die aufopfernd kämpfenden Spieler Vallecanos konnten die Unordnung in dieser Situation nicht in angemessener Zeit beseitigen, zumal die Beine immer schwerer wurden und die Ausfallerscheinungen einzelner Spieler immer größer.
Die weiteren Tore für den FC Barcelona waren nach diesem aus Sicht von Rayo Vallecano intensiven Spiel folgerichtig. Die Stellungsfehler häuften sich und die Lücken konnten nicht mehr zeitnah geschlossen werden. Sie mussten den Anstrengungen Tribut zollen und fingen sich drei weitere Tore ein. Insbesondere die Verteidiger waren nicht mehr voll auf der Höhe und leisteten sich den ein oder anderen taktischen Fauxpas, indem sie beispielsweile unnötigerweise zu weit herausrückten. Alles in allem ein sehr gutes Spiel der Katalanen, die hinten wenig anbrennen ließen und sich vorne nach und nach Chancen herausspielten. Das Pressing des Gegners konnten sie zwar nicht mit Leichtigkeit umspielen, aber das trübt die Leistung nicht. Es ging primär darum, dass gegnerische Pressing zu handeln und die Grundordnung aufrecht zu halten. Die Chancen würden mit der Zeit, wenn der Gegner sich “ausgetobt” hat, gewiss kommen.