Einen Tag vor Heiligabend stand am 17. Spieltag der erste Clásico an. Im Santiago Bernabéu gastierte der FC Barcelona beim amtierenden Meister Real Madrid. Madrid musste gewinnen, um den Anschluss an die Blaugranas wiederherzustellen, während Barça seinen Vorsprung natürlich weiter ausbauen wollte, auf 14 Punkte (bei einem Spiel mehr). Man merkte beiden Teams diese Ausgangslage an, zumindest im ersten Durchgang. Nach der Pause war es ein völlig anderes Spiel, das nicht zuletzt durch gute Entscheidungen Ernesto Valverdes, als auch schlechten Entscheidungen Zinédine Zidanes entschieden wurde.
Zidane: Mehr Angst als Mut
Zinédine Zidane verzichtete überraschend auf Isco, den bisher besten (Offensiv-)Spieler seines Teams in dieser Saison und brachte stattdessen Mateo Kovacic, damit dieser Lionel Messi in Manndeckung nehmen konnte. Es sagt extrem viel über Lionel Messi aus, wenn der Trainer des selbsternannten größten Vereins der Welt, seinen besten Spieler auf der Bank lässt, nur um den Argentinier stoppen zu können. Zidane wollte so Barça in seinen Offensivoptionen einschränken und Luis Suárez, als auch den vorstoßenden Paulinho isolieren. Im eigenen Ballbesitz ist Kovacic zudem kein unbrauchbarer Spieler, da er sehr spielstark ist. So sah man den Kroaten einige Male mit Ball als tiefsten Spieler Madrids, während Casemiro wie auf der anderen Seite Paulinho Richtung gegnerischen Strafraum ging, um dort mit seiner Physis für Gefahr zu sorgen. Auf diese Weise war Kovacic auch im defensiven Umschaltspiel wieder direkt nah bei Messi und konnte seine Hauptfunktion ausfüllen.
Madrid spielte eine gute erste Halbzeit. Sie pressten hoch und effektiv, wodurch die Blaugranas ihr Spiel kaum einmal gewohnt aufziehen konnten. In den eigenen Angriffsbemühungen waren die Gastgeber aber zu ungenau. Immer wieder kamen Hereingaben zu ungenau, Pässe zu scharf, wodurch man zwar optisch überlegen war, jedoch kaum einmal zwingende Gefahr ausstrahlte. Barça hatte weniger vom Spiel und tat sich gefühlt deutlich schwerer, hatte aber dennoch die vielleicht beste Chance der Halbzeit und insgesamt auch nicht weniger gefährliche Chancen, als Madrid. Genau hier hätte Isco den Unterschied ausmachen können. Er ist ein sehr beweglicher, agiler Spieler, der überall zu finden ist und gerade vorne dann auch den einen Pass spielen kann, der zu einem Tor führt. Seinen offensiv besten Gestalter in einem Spiel, das man gewinnen muss, zu opfern, war eine sehr fragwürdige Entscheidung Zidanes. Allerdings ist es auch schwer zu entscheiden, wen man herausnimmt. Ohne Casemiro fehlt die defensiv absichernde Komponente im Mittelfeld, Modric und Kroos sind für die Kontrolle wichtig und Benzema braucht man, damit Ronaldo vorne nicht vom Gegner zu leicht isoliert werden kann.
Zidane machte zudem den Fehler Kovacic zu sehr auf Messi anzusetzen, wodurch der Kroate teilweise zu fixiert auf den Argentinier war, dabei aber das große Ganze aus den Augen verlor. Dies konnte man speziell beim Führungstreffer Barças wunderbar sehen:
Nach einem Ballverlust von Kroos, sichert Busquets den Ball und sucht nach einer Anspielstation. Zu diesem Moment stand Luka Modric noch vor Ivan Rakitić. Dieser löste sich dann allerdings und wurde nicht von Modric verfolgt, der einfach stehen blieb. Busquets spielte daraufhin seinen kroatischen Teamkameraden an, der nur eine Bewegung brauchte, um in der Folge seinen Landsmann Kovacic aus dem Spiel zu nehmen. Kovacic versuchte gar nicht erst in den Zweikampf zu kommen, weil er sich auf Messi konzentrierte und lieber die Nähe zu dem Argentinier suchte. Dadurch kam es jedoch zu einem Angriff dreier Blaugranas, gegen nur zwei Merengues, was zu dem 1:0 durch Luis Suárez führte, nach guter Vorarbeit von Busquets, Rakitić, Sergi Roberto und unter gütiger Mithilfe der beiden Kroaten Modric und Kovacic. Zudem deckte Kovacic nicht einmal Messi gut in dieser Szene; der Argentinier stand letztlich völlig frei am Sechzehner.
Zidane hat auf seinen besten Gestalter verzichtet, in einem Spiel, das er gewinnen musste, nur um so die Kreise des besten Spielers der gegnerischen Mannschaft einengen zu können. Doch nicht einmal das gelang, nein, ganz im Gegenteil: zudem schadete sein Manndecker seinem Team, weil er zu fokussiert auf Lionel Messi war und insgesamt defensiv zu wenig überlegt handelte.
Valverdes Umstellungen kippen das Spiel
Im ersten Durchgang war die Mannschaft von Ernesto Valverde unterlegen. Man verteidigte zwar insgesamt gut, gerade in den direkten Duellen und ließ kaum klare Chancen zu, doch die Kontrolle über das Spiel hatte ganz klar Real Madrid. Trotzdem gelang es den Blaugranas vor dem Tor mindestens genauso gefährlich wie der Gegner zu sein, was Valverde aber nicht reichte. Er sah, dass gerade sein Mittelfeld zu leicht überspielt wurde und im eigenen Ballbesitz immer wieder schnell die Bälle verlor. Es kam keine Kontrolle zustande und über 90 Minuten gegen ein anrennendes Madrid zu bestehen ist zum einen sehr schwer, zum anderen nicht die Art von Spiel, die Barcelona spielen will. In der zweiten Halbzeit zog Valverde Rakitić weit zurück, sodass dieser praktisch eine Doppelsechs mit Busquets bildete und sich teilweise sogar hinter den Spanier fallen ließ, um die Bälle abzuholen. Vorher war der Kroate immer wieder auf den Flügel ausgewichen, wo er aktiv kaum etwas zustande brachte und letztlich nur im Mittelfeld fehlte. Nun hatte Barça einen Mann mehr im Zentrum, was das Pressen für Madrid erschwerte. Nun so weit vorne noch einen Spieler zu pressen, schien ihnen zu riskant zu sein, möglicherweise fehlte nach der Klub-WM und der ersten Halbzeit auch ein wenig die Kraft dazu. Barça hatte nun ein enger beieinander stehendes Kollektiv, wodurch es dem Team gelang, die Spielkontrolle zu erlangen. Die Raumaufteilung gelang nun viel besser und man konnte endlich den Ball ruhig und geordnet laufen lassen. So bauten die Gäste von Minute zu Minute mehr Selbstvertrauen auf und konnten sich Madrid immer mehr zurechtlegen.
Paulinho und situativ auch Piqué stießen immer wieder in die Spitze, um so Anspielstationen vorne anzubieten und Chancen zu kreieren. Es ist kein Zufall, dass Paulinho im ersten Durchgang die meisten Chancen für Barça hatte und auch nicht, dass Piqué maßgeblich am 2:0 beteiligt war:
Piqué stürmt mit nach vorne, woraufhin Varane sich zu dem Spanier orientiert. Dadurch ist Suárez allerdings komplett frei, da Cavarjal noch fast auf einer Höhe mit den Mittelfeldspielern ist. Messi spielte daraufhin Suárez an und im Verlauf dieser Aktion kam es zum Elfmeter für Barcelona und der Roten Karte für Carvajal. Varane hätte in dieser Situation niemals zu Piqué schieben dürfen und dadurch Suárez den Weg öffnen, beziehungsweise den Weg für Messis Pass zu Suárez. Ramos hätte derjenige sein müssen, der zu Piqué schiebt, da er nur den Raum deckte. Er als Kapitän und Abwehrchef hätte die Situation deutlich schneller verstehen müssen, doch auch ohne eine aktive Handlung oder Ansage von Ramos, darf Varane Suárez niemals einfach so stehen lassen. Piqué war zwar freistehend, doch er war zentral zwischen zwei Verteidigern und ist nun wahrlich kein Sprinter. Varane hätte seine Optionen deutlich besser abwägen und zu dem Schluss kommen müssen, dass es weniger gefährlich ist, Piqué freistehen zu lassen, als Luis Suárez.
Zwar gelang es Real Madrid nach dem 2:0 noch zu zwei guten Gelegenheiten zu kommen, alles in allem spielte Barça das Ganze jedoch sehr souverän herunter und absorbierte gefühlt jeglichen Druck Madrids durch ihre ruhige, unaufgeregte Spielkontrolle. Man versuchte gar nicht erst das Spiel unnötig schnell oder riskant zu machen, sondern spielte sich geduldig den Ball zu und hielt Madrid somit weit vom eigenen Tor fern. Die zweite Halbzeit war insgesamt extrem dominant und gut vom FC Barcelona. Durch eine spezielle positionelle Korrektur schaffte es Ernesto Valverde das gesamte Spiel zu kippen und Madrid jeglichen Anteil von Spielkontrolle zu entziehen.
Fazit
Madrid kam besser ins Spiel, während Barça zwar keine Kontrolle hatte, aber dennoch mindestens genauso gefährlich war, wie die Gastgeber. Ganz entscheidend waren vor allem zwei Entscheidungen der beiden Trainer. Valverde trug aktiv zu diesem Sieg bei, während Zidane aktiv an der Niederlage seiner Mannschaft beteiligt war. Barça hat nun einen sehr guten Vorsprung auf alle drei möglichen Rivalen und in den nächsten Wochen kehren mit Samuel Umtiti und Ousmane Dembélé noch zwei sehr wichtige Spieler zurück. Es sieht hervorragend aus für die Blaugranas, allerdings ist noch nicht einmal die Hälfte der Saison gespielt. Nichtsdestotrotz wird dies ein sehr schönes Weihnachtsfest für alle Culés.