Die Augen dürften nun gebannt auf die Partie von Real Madrid gerichtet sein. In einer schwierigen Begegnung besiegt der FC Barcelona in der Ferne RCD Mallorca mit 2:0 und rückt zumindest zwischenzeitlich bis auf drei Punkte an den Tabellenführer heran. Ab der 56. Spielminute agierten die Gäste mit einem Mann weniger.
Von Raphael Lugowski
Mallorca: Die Balance gefunden
Das Ergebnis suggeriert eine Souveränität, die zu keinem Zeitpunkt vorhanden war. Man hatte nicht den Eindruck, dass der FC Barcelona hier auf den Tabellenzwölften getroffen ist, verkauften sich die Spieler aus Mallorca über weite Strecken doch besser als erwartet. Tatsächlich war der Gastgeber sogar der mit Abstand stärkste Kontrahent der vergangenen Wochen und Monate, weil sie ein Verständnis davon mitbrachten, wie man den Katalanen entgegentreten muss. Es ist sehr schwierig, gegen den FC Barcelona die richtige Balance zwischen Angriff und Verteidigung zu finden, und liegt man als Trainer nur eine Nuance neben dem taktischen Optimum, kann dies bei diesem Gegner verheerende Folgen haben. RCD Mallorca ist es gelungen, einen erfolgreichen Mittelweg zu finden und gemeinsam mit der relativ hohen Laufbereitschaft waren sie lange Zeit in der Lage, dem FC Barcelona Paroli zu bieten. Hierfür haben sie Anerkennung und Respekt verdient.
Das Problem: Fehlende offensive Außenverteidiger
Beeindruckend war, wie sie die systembedingten Schwächen des FC Barcelona nutzten, um dessen Offensivspiel zu hemmen. Guardiola entschied sich für ein 3-4-3 und verzichtete in diesem Spiel auf Alves, der für den Champions League Hammer gegen den AC Milan am Mittwoch geschont wurde. Die linke Außenverteidigerposition wurde von Puyol bekleidet, eine Notlösung, die durch Adrianos Oberschenkelverletzung begünstigt war. Damit fehlten in dieser Partie offensive Außenverteidiger und es verwunderte daher kaum, dass ein gepflegtes Flügelspiel kaum zustande kam. Die Auswirkungen dieser Aufstellung gingen aber noch weiter. Mallorca konnte ohne Schwierigkeiten den Fokus auf die Abdichtung des Zentrums legen und die Flügel größtenteils vernachlässigen. Demzufolge konzentrierten sich die Mallorquiner in der Mitte des Spielfelds und beeinträchtigten den Spielaufbau der Katalanen erheblich, während die Außenverteidiger mit einer großen Positionstreue aufwarten und den Flügelstürmern den Wind aus den Segeln nehmen konnten. Damit hat der Gegner nahezu die gesamte Spielfeldbreite abgedeckt und die Blaugrana vor Rätsel gestellt.
Konzentration im Zentrum
Dies ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass sich Mallorca hinter ihrer Defensive verschanzte. Bei Gelegenheit und Ballgewinn rückte die Mannschaft mit fünf bis sechs Spielern aus und suchte ihr Glück in der Offensive. Durch ihr offensives Auftreten haben sie es sogar geschafft, die Mittelfeldspieler des FC Barcelona stark in die Defensivarbeit einzubinden, sodass diese nicht so schnell die Kontrolle über das Spiel herstellen konnten. Das relativierte die Gefahr von Kontergegentoren zusammen mit dem schnellen und reibungslosen Übergang von der Offensive zur Defensive und umgekehrt. Insgesamt entstand so ein brauchbarer Ansatz, um dem FC Barcelona Probleme zu bereiten. Diese fingen bereits im Mittelfeld an. Drei Gegenspieler erwarteten die Spieleröffner auf der Höhe der Mittellinie und nötigten sie zu horizontalen Pässen auf die Außenbahnen, wo mit Mascherano und Puyol zwei ungeeignete Außenläufer als Abnehmer bereit standen. Dieses Vorgehen tat dem Gegner nicht weh. Er wusste, dass von diesen Spielern offensiv nur wenig zu erwarten war und dass er die nötige Zeit haben würde, um in Richtung des Freiraumes zu verschieben. Und das tat er auch. Ein entscheidender Aspekt beim Verständnis der Partie und der Schwerfälligkeit der Katalanen war auch die Aggressivität und die Intensität der Mallorquiner. Der ballführende Spieler wurde stets bedrängt, um ihm keine Gelegenheit zu geben, zu lange darüber nachzudenken, was er mit dem Spielgerät anfangen könnte. Auch das Spiel ohne Ball gestaltete sich gut. Insbesondere das Pressing in der zweiten Halbzeit war beachtlich.
Die Klasse des FC Barcelona
Und dennoch hat es nicht für Mallorca zu einem Punktgewinn gereicht. So gut die Grundvoraussetzungen auch waren, im letzten Spielfelddrittel fehlte es an der Präzision im Zusammenspiel und am Geistesreichtum. Man kann den FC Barcelona nicht ernsthaft in Verlegenheit bringen, ohne Tore zu schießen und sich gute Möglichkeiten herauszuspielen. Die Katalanen nämlich können – abstrakt vom Spielgeschehen – Torchancen kreieren und Tore erzielen, was ihrer individuellen und kollektiven Klasse geschuldet ist. Dies zeigt auch die erste nennenswerte Szene aus der 13. Spielminute. Ein hartes Pressing nötigt den Gegner zu einem Fehler und schon ist Messi frei durch – doch diesmal pariert der Torwart Messis Lupfer. Kaum eine Mannschaft der Welt kann solch ein hartes Pressing spielen und es ist schon fast gleichgültig, wie der FC Barcelona sich präsentiert: Aus dem Pressing heraus sind sie stets in der Position, Tore zu erzielen. Nach einer Flanke von rechts hatte Mallorca sodann die Chance, in Führung zu gehen. Der Kopfball ging jedoch am linken Pfosten vorbei. Kurz darauf gab es einen Freistoß aus halblinker Position vor dem Strafraum. Messi führte den Freistoß aus und plötzlich fand sich der Ball im Tor wieder. Der Freistoß war als Hereingabe gedacht und wurde gefährlich, nachdem in der Mitte Busquets und am langen Pfosten Sanchez den Ball zwar verpasst, aber den Torwart entscheidend irritiert hatten.
Rote Karte für Thiago
Keine zehn Minuten später eroberten die Katalanen den Ball wiederum im Pressing und Sanchez abgefälschter Schuss außerhalb des Strafraums prallte von der Unterkannte der Latte vor die Linie – welch ein Glück für die Gastgeber. In der zweiten Halbzeit hat Mallorca nochmal die Zügel angezogen und versuchten ihrerseits, den Ball immer öfter im Pressing zu erobern. Torchancen sprangen allerdings keine dabei heraus. Gut eine halbe Stunde vor Abpfiff der Begegnung wurde Thiago des Feldes verwiesen, nachdem der Schiedsrichter verkannt hat, dass er den Ball nicht mit dem Arm, sondern mit der Schulter gespielt hat. Guardiola reagierte sofort und brachte Montoya für Fabregas. Rückblickend betrachtet wäre es angemessener gewesen, von vornherein mit einer Viererabwehrkette zu agieren. Erstens spricht dafür, dass Montoya einen natürlichen Offensivdrang hat, der in diesem Spiel auf den Außenbahnen sehnlichst vermisst wurde, zweitens war Busquets in die Spielgestaltung eingebunden und konnte nach Ballverlusten nur behäbig in die Innenverteidigung rücken, sodass der Gegner die Abwehr ein ums andere Mal entblößt antraf. Unmittelbar nachdem Thiago vom Platz gestellt worden ist, hatte Messi die Möglichkeit zur Vorentscheidung. Nach einem Rückpass von der Grundlinie auf Messi trifft dieser bei seinem Versuch jedoch nur das Außennetz.
Pique mit der Entscheidung
Mit der Einwechslung von Keita für Pedro wollte Guardiola das Ergebnis endgültig absichern. Mit Fabregas’ Abgang fehlte im Mittelfeld eine Anspielstation, die notwendig war, um das Spiel zu beruhigen und auch mal den Ball zu halten. Messi musste sich weit zurückfallen lassen und hatte bei dem aggressiven Auftreten von Mallorca keine Zeit, um zu warten, bis seine Mitspieler aufgerückt waren. Es entwickelte sich ein Auf-und-Ab, was nicht gerade förderlich für das Gemüt der Fans der Katalanen war, ging es doch darum, Real Madrid zum ersten Mal seit langer Zeit in der Meisterschaft unter Druck zu setzen. Noch weniger dürfte ihnen eine Szene aus der 70. Spielminute gefallen haben, als eine gute Möglichkeit der Gastgeber durch die Reaktionsschnelligkeit von Valdes vereitelt worden ist. Gute zehn Minuten vor Spielende wurden sie dann aber durch ein Tor von Pique erlöst, nachdem Messi zuvor mit seinem Schuss nur den rechten Pfosten getroffen hatte. Pique stand goldrichtig und verwertete den Abpraller zur Entscheidung an diesem Abend. Daneben hatte Montoya noch zwei hochkarätige Möglichkeiten, um die Torbilanz aufzuwerten. Doch statt zu schießen entschied er sich für den falschen Weg und spielte den Ball in die Mitte in die Beine der Gegenspieler. Somit blieb es beim 2:0 und der FC Barcelona rückte bis auf drei Punkte an Madrid heran. Ein hoffnungsvoller Blick auf die Partie der Madrilenen enttäuscht allerdings die Hoffnung auf das Aufrechterhalten dieses überschaubaren Rückstands. Trotzdem ist in La Liga noch alles möglich. Visca el Barca!