Atemberaubend, unglaublich, genial! Mit Fußball zum Dahinschmelzen fegt die Blaugrana den Valencia CF aus dem Camp Nou. Eine in dieser Saison nur selten zu beobachtende Harmonie aller Mannschaftsteile erweist sich dabei als Garant für den Erfolg.
Von Raphael Lugowski
Nahe an der Perfektion…
Noch vor der Begegnung hat der Trainer von Valencia, Unai Emery, sich zum bevorstehenden Spiel dahingehend geäußert, dass es seine Mannschaft ist, die im Vergleich zu den vorangegangenen Auseinandersetzungen etwas verändern werde, nicht dagegen der FC Barcelona. Doch der Coach sah sich getäuscht, der FC Barcelona hat keineswegs nur durchschaubare Spielmuster abgerufen, sondern zeigte sich in vielerlei Hinsicht äußerst flexibel und dynamisch. Es war die Ordnung im Chaos, die den Gästen zu schaffen machte und ihnen von vornherein zu verstehen gab, dass es gegen diesen FC Barcelona kaum etwas zu holen gibt. Mit ständigen Rochaden und Positionswechseln überrumpelten sie den FC Valencia immer wieder aufs Neue und rissen so Lücken in den gegnerischen Defensivverbund, ohne dabei eine gewisse imaginäre Grundordnung vermissen zu lassen. Das, was dem äußeren Anschein nach so spielerisch leicht aussah, entpuppte sich daher als eine Meisterleistung im Hinblick auf die strategische Leistung. Selten war das Spiel des FC Barcelona so ausbalanciert und derart stimmig. Alle Mannschaftsteile waren stets miteinander vernetzt und schufen so ein harmonisches Gesamtbild, das jeden Fußballästheten in Verzückung versetzte.
Busquets – der die Welt im Inneren zusammenhält
Im Vorfeld des Aufeinandertreffens mit Valencia hatte Guardiola allerdings die Lösung auf eine Frage zu finden, die nicht nur ihm Kopfzerbrechen bereitete. Durch die Abwesenheit von sowohl Alves als auch Mascherano musste entweder Busquets oder ein Nachwuchstalent in die Verteidigung rücken – der Trainer entschied sich für letzteres und ließ Montoya die rechte Außenverteidigerposition bekleiden. Damit wollte Guardiola sicherstellen, dass die Mannschaft von Valencia nicht wie in den vorherigen Spielen die Verbindung zwischen Abwehr und Mittelfeld kappt und so das Barca-typische passorientierte Aufbauspiel behindert – mit Erfolg. Valencia kam mit einem 4-2-3-1 daher, bei dem die vier Spieler an vorderster Front versuchten, die Abwehr unter Druck zu setzen und ihnen die Anspielmöglichkeiten zu nehmen. Doch dies misslang, weil Busquets und Fabregas sich tief zurückfallen ließen und somit mehr Anspielstationen generierten, als die vier Spieler abdecken konnten. Die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens veranlasste die Valencia-Akteure schließlich, nur noch ein sporadisches Pressing zu spielen. Busquets machte seine Aufgabe auch darüber hinaus hervorragend und er war es, der maßgeblichen Anteil daran hatte, dass der Eindruck einer großen mannschaftlichen Geschlossenheit entstand. Keiner wurde aus dem Spiel ausgegliedert, weil Busquets immer zur Stelle war, um eine Verknüpfung der einzelnen Mannschaftsteile zu bewirken.
Das Problem von Valencia
Doch dies war nicht das Einzige, womit der Gast aus Valencia zu kämpfen hatte. Während der Stürmer und die drei offensiver ausgerichteten Mittelfeldspieler als erster Ankerpunkt im Spielfelddrittel der Blaugrana fungierten, rückte die „Doppelsechs“ von Valencia nur gemäßigt auf; auch die Abwehr stand verhältnismäßig tief. Dies hatte zur Folge, dass zwischen den Offensiv- und den Defensivspielern von Valencia eine Lücke klaffte, in die der FC Barcelona mühelos hineinspielen konnte. Die Überbrückung des Mittelfelds war vor diesem Hintergrund für den FC Barcelona weniger problematisch. Es waren stets Passstationen vorhanden, um einen Raumgewinn zu erzielen. Nicht gerade hilfreich für das Spiel von Valencia war auch der Umstand, dass keinerlei Dichte in ihrem Spiel vorhanden war. Die Verbindungen zwischen den Spielern und den Mannschaftsteilen stellten sich als ziemlich lose dar und machten es den Katalanen leicht, in Richtung des gegnerischen Tores zu spielen. Erschwerend kam hinzu, dass der FC Barcelona seinerseits im Mittelfeld über eine gute dichte verfügte, weil sich Messi immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen ließ und den Ball dann entweder über das Passspiel oder über kurze schnelle Dribblings nach vorne trug. Mit zunehmender Spieldauer nahm die Einsatz- und die Laufbereitschaft des Gastes ab. Sie schienen überfordert mit der perfektionistisch anmutenden Spielweise des FC Barcelona zu sein und fanden keinerlei Mittel, um sich gegen sie zu erwehren.
Messi dreht das Spiel…
Und trotzdem gelang es dem fairen Gegner aus Valencia, in Führung zu gehen. Auf der rechten Seite lässt Abidal Fegoulli gewähren und seine Flanke findet in der Mitte Piatto, der völlig unbedrängt zur Führung einschiebt. In der Mitte stimmte die Zuordnung zwischen Pique und Montoya nicht, was zu diesem mühelos vermeidbaren Gegentor führte. Doch der FC Barcelona zeigte sich unbeeindruckt und knüpfte weiter an die bis dahin gute fußballerische Darbietung an. In der 22. Spielminute kam dann die Belohnung in Form eines schön herausgespielten Tores durch Messi, der den Ball nach Vorlage von Pedro gekonnt aus spitzem Winkel im Tor unterbringt. Nur kurze Zeit später standen wieder die beiden langjährigen Weggefährten im Vordergrund, wie auch Iniesta. Mit einem Traumpass spielt Iniesta auf links Abidal frei, dessen Hereingabe in der Mitte Messi findet und damit die 2:1 Führung besiegelt. Doch das sollte nur der Anfang sein. Der FC Barcelona spielte sich in einen Rausch und kam im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit zu erstklassigen Möglichkeiten, die jedoch fahrlässig ungenutzt blieben. Sanchez’ einhundertprozentige Chance nach toller Vorarbeit von Fabregas wird von dem stark parierenden Schlussmann der Gäste entschärft, und auch Fabregas scheitert freistehend vor dem gegnerischen Kasten. Auch der Fallrückzieher von letzterem nach einem zum wiederholten Male überragenden Zuspiel von Iniesta findet seinen Weg nicht ins Tor, sondern nur an die Latte. Der FC Barcelona hätte zur Pause schon weit in Führung liegen müssen.
…und legt nach
Nach dem Seitenwechsel konnte Valencia sich nicht fangen und sah eine Angriffswelle nach der anderen auf das eigene Tor zurollen. Nach guten Tormöglichkeiten für Sanchez und Fabregas kommt Messi in der 60. Spielminute nach Flanke von Montoya frei zum Kopfball, doch auch hier verhindert Diego Alves mit einem unglaublichen Reflex die Vorentscheidung und lenkt den Ball an den Pfosten. Unmittelbar darauf findet sich wieder Fabregas nach einem Konter sträflich allein gelassen vor dem Tor der Gäste wieder, haut den Ball jedoch kerzenartig über den Kasten – diese Szene dürfte ihn noch lange beschäftigen und für ein Straftraining qualifizieren. Auch Valencia kam noch einmal durch Fegoulli zum Abschluss, doch Valdes ist zur Stelle und verhindert Schlimmeres. Eine Viertelstunde vor Ablauf der regulären Spielzeit macht dann aber Messi den Sieg perfekt, in dem er die Vorarbeit des eingewechselten Youngstars Tello mühelos zu seinem dritten Tor nutzt. Tello hätte kurz darauf noch weiter erhöhen können, doch sein Schuss aus halblinker Position ist zu unpräzise. Der FC Barcelona schaltete keinen Gang zurück und die Zuschauer durften sich stets berechtigte Hoffnungen auf weitere Tore machen. Nach einem herrlichen Pass in die Schnittstelle von Busquets läuft „La pulga“ in der 82. Spielminute allein auf das Tor zu und überlupft den herauseilenden Keeper – das vierte Tor des kleinen Argentiniers an diesem Abend. Den Schlusspunkt setzte allerdings nicht er, sondern der Chef höchstpersönlich, Xavi. Die Abwehr von Valencia ist in der Nachspielzeit völlig konfus und nicht in der Lage, die Situation zu klären. Xavi kommt an den Ball und überwindet mit einem Heber den Torhüter zum fünften und letzten Mal. Visca el Barca!