Wenn ein bestimmter Gedanke nur häufig genug ausgesprochen wird, vernachlässigen es die Menschen mit Ablauf der Zeit, den Wahrheitskern des Gesagten zu hinterfragen und beginnen damit, ihn zum Leitmotiv ihres Handelns werden zu lassen.
Er bildet dann zunehmend ein Manifest in der Gedankenwelt, erreicht auch die abgelegensten Regionen unseres Mikrokosmos und lässt die ansonsten klare Trennlinie zwischen einer Vermutung und einer Tatsache verschwinden. Jose Mourinho hat es dem äußeren Anschein nach tatsächlich geschafft, seine propagandistischen Methoden tragen erste Früchte, zum Leidwesen der Spieler des FC Barcelona. Regelwidriges Verhalten gegenüber ihnen im gegnerischen Strafraum wird nicht mehr sanktioniert, sondern toleriert. Wenn sich ex ante die Situation als vorteilhaft darstellt, wenige Sekunden später aber zum Vorschein kommt, dass sie entgegen der ursprünglichen Annahme tatsächlich mit Nachteilen behaftet ist, dann, so die Auslegung der Vorteilsregel, dann ist dem Benachteiligten Ballbesitz zu gewähren, sei es in Gestalt eines Freistoßes oder eines Elfmeters. Diese Regel wurde gestern von dem Unparteiischen ignoriert und dem FC Barcelona ein eindeutiger Elfmeter vorenthalten. Andres Iniesta wurde während seines Schussversuchs hart angegangen und von den Beinen geholt. Der Ball rollte in der Folge am rechten Pfosten vorbei. Anstatt dieses Vergehen mit einem Elfmeter zu ahnden, entschied der Schiedsrichter auf Ecke, was sich in dieser Situation als völlig unverständlich darstellte. Das Foul im Strafraum konnte klarer nicht sein und lässt Zweifel an dem Sehvermögen des Referees aufkommen – oder aber an der Unparteilichkeit. Letzteres lässt sich angesichts des eindeutigen Spielverlaufs und des sicheren Ausgangs des Spiels nur schwerlich vertreten. Es ist allerdings eine gewisse Tendenz erkennbar, die zu denken geben sollte. Die akustische Untermalung der Stadiongesänge durch den Schiedsrichter blieb nicht zum ersten Mal aus, als ein Spieler des FC Barcelona im Strafraum widerwillig eine horizontale Lage einnahm, in der er den katalanischen Nachthimmel bewundern durfte. Es wäre nicht sachgerecht, den Schiedsrichtern Vorsatz bei ihren Fehlentscheidungen zu unterstellen. Aber seit Mourinhos Hetzkampagne hat es wohl ein Umdenken bei den Unparteiischen gegeben. Sie wollen sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, die Katalanen privilegiert zu behandeln und den unmittelbaren Rivalen zu übervorteilen. Aus diesem Grund besteht für sie – wenn auch unterbewusst – eine hohe Reizschwelle, dem FC Barcelona Elfmeter zuzusprechen. Diese Entwicklung ist aus Sicht der FC Barcelona-Sympathisanten sehr unerfreulich und die einzige Möglichkeit, eine Umkehr im Denkprozess der Schiedsrichter zu bewirken, liegt darin, sie immer wieder auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Das von bestimmten Personen eingeschlagene unterste Niveau zwischenmenschlichen Verhaltens sollte der FC Barcelona nicht mittragen.
Zum Spielverlauf selbst gibt es – mit Ausnahme des bereits beschriebenen Zwischenfalls – fast ausschließlich Erfreuliches zu berichten. Die Spieler des FC Barcelona haben ihre geistigen und mentalen Fesseln aus den letzten Spielen abgelegt und teilweise ein Offensivspektakel abgefeuert, das an die Eroberungsstürme des römischen Reichs erinnerte. Das hochverdiente und dem Gegner schmeichelnde 4:0 war ein großer Schritt zurück zum Intuitivfußball. Die Spieler waren in außerordentlicher Spiellaune und zeigten sich in bestimmten Situationen auch ein bisschen zu verspielt, was aber auch gerade den Charme ihres Spiels ausmacht und zuweilen auch Spielsituationen entstehen lässt, welche die Vorstellungskraft sprengen und daher nicht einmal im Traum anzutreffen sind. Die Ideen für den finalen Pass waren also vorhanden, und sofort erspielt sich der FC Barcelona auf Grundlage ihres Kurzpassspiels ein Dutzend guter Tormöglichkeiten. Lediglich die Chancenverwertung verweigerte uns das wunschlose Glück, worüber man aber vor dem Hintergrund des Ausgangs des Spieles ohne weiteres hinwegsehen kann. Dies gilt umso mehr, als man gestern Tore der beiden etatmäßigen Innenverteidiger bewundern durfte, was eine Seltenheit ist. Pique und Puyol zeichneten sich auch darüber hinaus durch ein sehr gutes Spiel aus. Insbesondere Letzterer hat sich im Vergleich zu seinen vorangegangenen Spielen deutlich gesteigert. Puyol hat physisch sichtbar zugelegt und befindet sich auf dem Weg zur alten Stärke. Er ging keinem Zweikampf aus dem Weg, bestach durch seine überdurchschnittliche Laufbereitschaft und offenbarte den Biss vergangener Tage. In dieser Form ist Puyol eine große Bereicherung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Alves sich auf rechts oftmals zu leicht überlaufen lässt, wie auch gestern passiert. Hieraus resultierte eine gefährliche Situation, die auch anders hätte ausgehen können. Puyol hatte im Laufduell mit dem gegnerischen rechten Flügelspieler hingegen keinerlei Probleme. Hervorzuheben sind auch die Leistungen von Messi, Fabregas und Cuenca. Cuenca verzückte die Zuschauer in der zweiten Halbzeit mit einem Kabinettstückchen, als er zwei Gegenspieler in Zidane-Manier aussteigen ließ. Fabregas hat verdeutlicht, dass er kein gewöhnlicher, stets positionstreuer Mittelfeldmann ist, sondern ein brandgefährlicher Spieler mit einem enormen Zug zum Tor. Er wird dem FC Barcelona in dieser Saison sicherlich noch das ein oder andere Tor bescheren. Messi ist auf dem Podest der herausragenden Spieler vertreten, weil er mit seinen Dribblings Freiräume geschaffen und Pässe gespielt hat, die nur durch Zufall nicht in drei Assists gemündet sind. Das war der FC Barcelona, den die Fans lieben. So darf es auch am Dienstag gegen Milan weitergehen. Visca el Barça!
Raphael L.