In der ägyptischen Mythologie erfuhr der Feuervogel Phoenix eine Wiedergeburt, nachdem er sein Leben durch ein höllisches Flammenmeer verloren hatte. Er erschien nun als ein völlig neues Wesen,
das seine kraftlose Erscheinung abgelegt und Unsterblichkeit erlangt hat. Mit seiner himmlischen Anmut schwebt er in unbekannten Sphären, die seine Herkunft verraten und dem Irdischen zu Lebzeiten für immer verschlossen sind. Seine Auferstehung ist aber ein Zeichen, und zwar dahingehend, dass bessere Zeiten folgen, dass – wie aussichtslos der Lauf der Dinge sich auch darstellt – etwas Großes uns erwartet und unsere Vorstellungskraft um eine bisweilen nicht vorhandene Dimension erweitert. Noch ist der FC Barcelona kein Phoenix, ein Phoenix wie vor einem Jahr, als die Katalanen im Camp Nou einen Zauber entfachten, der noch nicht verwirkt ist und bis heute fortdauert, obschon jede Erdachsenumdrehung die Erinnerung an jenes Ereignis blasser werden lässt und die Zeugen dem Gefühl überlässt, einem Tagtraum erlegen zu sein. Dabei besteht kein Grund zur Sorge, sind es doch die Geschichtsbücher, welche die historisch herausragenden Begebenheiten festhalten und jenem Tag mehr Seiten widmen als dem deutschen Mauerfall. Noch einmal solch ein Schauspiel zu erleben, mit allen Sinnen, noch einmal das Glück zu fühlen, um wieder eine Vorstellung davon zu bekommen, was vollkommene Zufriedenheit bedeutet, das ist es, wonach sich die Anhänger des FC Barcelona sehnen. Die Auferstehung des FC Barcelona hat seinen Anfang genommen, das 4:0 gegen Vallecano weist den Pfad, den die Mannschaft eingeschlagen hat. Aber noch fliegen die Spieler nicht, sie sind gerade dabei, es neu zu erlenen. Ob der FC Barcelona bis zu dem vorgezogenem Festtag seine Trägheit vollends überwindet und sich mit seinen Flügeln emporhebt, ist eine Frage, die noch vor der Begegnung gegen Vallecano so manch einem nur ein müdes hämisches Lächeln entlockt hat. Seit gestern wirkt das Mienenspiel bei einer wiederholten Erkundigung wesentlich ernster. Und das hat gute Gründe.
Stellungsfehler der Innenverteidiger
Das Spiel des FC Barcelona war gestern, vor allem in der 1. Halbzeit, geprägt durch einen beachtlichen Kontrastreichtum. Während die Offensive mit einem sehr harmonischen Zusammenspiel brillierte, Traumtore erzielte und Dribblings zum dahinschmelzen darbot, konnte die Defensive mit zuweilen kapitalen Stellungsfehlern nicht gänzlich überzeugen. Zweimal fanden sich die Gegner in einer exzellenten Entfernung und einem guten Winkel zum Tor, vergaben ihre überraschend klaren Möglichkeiten jedoch kläglich. Beiden Innenverteidigern, sowohl Mascherano als auch Pique, sei dieser Tadel gewidmet. Mit Blick auf das Classico sind derartige Fehler schnellstmöglich abzustellen, um nicht das Opfer von C.Ronaldos brachialer Schussgewalt zu werden. Man sollte sich in diesem Zusammenhang auch die vergangenen beiden Begegnungen in der Supercopa in Erinnerung rufen. Für die Madrilenen bedarf es nicht vieler Gelegenheiten, um erfolgreich zu sein. Ihnen genügt mitunter auch schon ein dem äußeren Anschein nach ungefährlicher Dusel vor des Gegners Strafraum für das Erzielen eines Tores. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Aufstellung von Guardiola als höchst fragwürdig dar, in der einmal mehr kein Platz vorhanden war für Puyol, den Kapitän der Mannschaft. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Abstimmung der Innenverteidigung nicht funktioniert. Auch die Außenverteidigung wird durch diese stetige Personalrochade geschwächt. Schwer nachvollziehbar ist auch die Nichtberücksichtigung von Busquets, der eine Säule im katalanischen Defensivverbund bildet. Letztlich bleiben dem Laien die Gründe für Guardiolas Entscheidungen verschlossen. Sie muten aber seltsam an, vor allem im Hinblick auf das bevorstehende Classico. Der Sieg in diesem prestigeträchtigen Aufeinandertreffen geht nur über eine stabile Defensivleistung.
Messi unglaublich
Die Offensivleistung gestern war aber über jeden Zweifel erhaben. Xavi, Messi und Iniesta wirbelten wie zu besten Zeiten und haben den schwerfälligen uninspirierten Auftritt gegen Getafe vergessen lassen. Die Rückkehr von Iniesta hat dabei wahre Wunder gewirkt. Diese drei Spieler sind die Diamanten im Spiel des FC Barcelona. Fehlt auch nur ein Diamant, geht dem Spiel viel Glanz verloren. Der hellste Edelstein gestern im Camp Nou war aber Lionel Messi. Wie er seinen Gegenspieler aussteigen ließ, das war nicht von dieser Welt. Ein kommender Ball wurde in Rotation versetzt, um anschließend links am Gegenspieler wie von Geisterhand vorbeizulaufen, während Messi den Spieler rechts passierte. Das war ein magischer Moment, eine Magie, die nur Messi entfachen kann. Erwähnenswert ist auch der Umstand, dass der FC Barcelona ausnahmsweise kein unbedingtes hartes Pressing gespielt hat. Der Gegner wurde gelockt, damit die Offensivabteilung bei Ballgewinn genügend Lücken vorfindet, um zum Torabschluss zu kommen. Das hat sich ausgezahlt. Abschließend ist noch kurz auf die Leistung der Stürmer einzugehen, Villa und Sanchez. Bei beiden war eine deutliche Steigerung vernehmbar. Insbesondere Sanchez hat mit seinen beiden Toren seine Klasse unter Beweis gestellt. Auch Villa hat ein Tor erzielt, mit viel Elan agiert und seiner Kampfansage unter der Woche Taten folgen lassen. Das Spiel gegen Real Madrid erfordert Stürmer, die vor Selbstbewusstsein strotzen und die gegnerische Abwehr bereits durch ihre Anwesenheit verunsichern. Insoweit war die Leistungsexplosion gestern wichtig. Gegen Levante muss die Leistung jedoch erst bestätigt werden. Man darf gespannt sein. Visca el Barça!
Raphael L.