Das Ergebnis vermag die Dominanz des FC Barcelona in diesem Spiel nur lückenhaft wiederzugeben. Die Gäste aus Santander hatten nicht die Qualität, um die Katalanen ernsthaft in Verlegenheit zu bringen
. Angriffsbemühungen wurden durch das gewohnte Pressing der Gastgeber schnell unterbunden, und auch die Defensivleistung von Santander war wenig rühmlich. Es schien, als bemühten sich die Spieler von Racing Santander redlich, einen Sicherheitsabstand zu den Barca-Spielern einzuhalten, was letztere dazu veranlasste, sich zahlreiche Tormöglichkeiten herauszuspielen und übermäßige Spielfreude aufkommen ließ. Kontraproduktiv war in Halbzeit 1 auch der Umstand, dass Santander bei Ballbesitz relativ tief in die Hälfte des FC Barcelona vorrückte und so Räume für blitzschnell vorgetragene Konter ermöglichte. Ein halbes Dutzend an Gegentoren hätte das Leistungsmissverhältnis besser
zum Ausdruck gebracht. Da die Überlegenheit des FC Barcelona so erdrückend war, soll an dieser Stelle nicht weiter auf Einzelheiten des Spielgeschehens eingegangen, sondern die Aufmerksamkeit interessanteren Beobachtungen gewidmet werden, nämlich der taktischen Ausrichtung und der Aufstellung am gestrigen Abend.
Pep Guardiola ist zum 4-3-3 zurückgekehrt und ließ in der Innenverteidigung erstmals seit geraumer Zeit wieder Pique und Puyol die Innenverteidigerpositionen ausfüllen. Die Bedeutung dieser Entscheidung erschließt sich nur, wenn man die Spiele gegen den AC Milan und Real Madrid ins Blickfeld rückt. Guardiola ist ein Trainer, der sich durch eine gute Weitsicht auszeichnet und bereits jetzt die erforderlichen Maßnahmen ergreift, damit seine Mannschaft pünktlich zu den entscheidenden Spielen in einer sehr guten Verfassung ist. Namentlich geht es hier einerseits um das Sammeln von Spielpraxis nach verletzungsbedingter Abwesenheit und andererseits bereits um die Feinheiten bei der Abstimmung der Verteidigung. Eine weitere Besonderheit war die Besetzung des Mittelfelds, in dem sich Xavi, Iniesta und Thiago wiederfanden. Trainer Guardiola verzichtete somit auf einen defensiven Mittelfeldspieler in Gestalt eines Busquets oder Mascherano. Der Verzicht könnte mit der Rückkehr zum 4-3-3 zusammenhängen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Guardiola gegen einen Gegner wie Santander keinen Bedarf für die Ausfüllung dieser Position gesehen hat, zumal der Austragungsort das Camp Nou war. Gegen potenziell gefährliche Gegner wird der Erfolgstrainer mit Gewissheit wieder auf obige Spieler zurückgreifen. In der Offensive agierte Villa in der Sturmspitze und Messi überwiegend auf rechts außen. Pedro hat sich auf der linken Stürmerposition eingefunden, die bisher am häufigsten von Villa bekleidet wurde. Diese Rotation im Sturm kann als Experiment interpretiert werden, und zwar dahingehend, wie sich Messi und Villa auf diesen Positionen in Szene setzen können und, was viel wichtiger ist, welche Wirkungen aus dieser Entscheidung hervorgehen. Theoretisch müsste sich das gegnerische Spiel aufgrund der Gefährlichkeit von Messi stärker nach links verlagern, was Räume in der Mitte und auf der linken Außenbahn kreiert. Die genialen Mittelfeldakteure des FC Barcelona könnten so die Stürmer durch Pässe in die Nahtstellen der Abwehr besser bedienen. Bei Pedro hat dies gestern einige Male gut funktioniert, bei Villa weniger, weil der Gegner den Raum in der Mitte eng machte.
Letztendlich bleibt jedoch festzuhalten, dass die Entscheidungen von Guardiola für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind und man nur Vermutungen darüber anstellen kann, welche Wirkung sie hervorrufen sollen und auf welche Gegner sie gemünzt sind. Die überragende Qualität und die Breite im Kader lassen viele Optionen zu und stellen sich für den Trainerstab als eine Luxussituation dar. Die Findungsphase hinsichtlich der besten Formation und der besten Aufstellung ist noch längst nicht abgeschlossen. Fragwürdig ist aber, ob es überhaupt so etwas wie eine A-Elf geben wird. Fest steht, dass die gewählte Formation und Aufstellung gegen Santander uns mit tollem Fußball verzückt und viel Spaß bereitet hat – und nur das zählt. Visca el Barça!
Raphael L.