Bildquelle: fcbarcelona.com
Es war das wohl letzte Duell der Giganten in diesem Jahr und einen würdigeren Abschluss des laufenden Clásico-Jahres hätte es nicht geben können. Mit einem leistungsgerechten, aber aus der Sicht der Katalanen dennoch etwas unglücklichen Unentschieden trennten sich die vermeintlich stärksten Mannschaften der Welt am gestrigen Abend. Es war ein gütliches Ende, mit den wohl beide Mannschaften gut leben konnten; der FC Barcelona, weil der Sieg bereits in der ersten Halbzeit außer Sichtweite hätte liegen können und die Königlichen, da sie sich in der zweiten Spielzeit zahlreicher Chancen des Gastgebers gegenübersahen. Herausragender Akteur der Partie war Lionel Messi, der Motor der katalanischen Angriffsbemühungen.
Vilanova setzt auf das 4-3-3 mit Adriano in der Innenverteidigung
Im Vorfeld der Partie wurde darüber spekuliert, ob Vilanova sich angesichts der Clásico veranlasst sehen könnte, auf ein 3-4-3 umzustellen. Als dann knapp eine Stunde vor Spielbeginn amtlich war, dass sich sowohl Adriano als auch Alba in der Startelf wiederfinden, nährte dieser Umstand die Erwartungen an eine Systemumstellung, die innerhalb unserer Community sehr kontrovers diskutiert worden ist. Die Hoffnungen bzw. Befürchtungen im Hinblick auf ein 3-4-3 sollten sich aber sehr zeitig nach Spielbeginn als unbegründet herausstellen. Tito Vilanova setzte Adriano auf die Position des linken Innenverteidigers an die Seite von Mascherano und ließ Jordi Alba auf der linken Außenverteidigerposition auflaufen. Auf der rechten Außenverteidigerposition fand sich wie immer Dani Alves ein. Damit war das Grundgerüst für die altbewährte 4-3-3 Formation hergestellt, eine Viererabwehrkette. Im Mittefeld setzte der Trainer auf Busquets, Xavi und Fàbregas, im Sturm durften Messi, Pedro und Iniesta von Beginn an Zeugnis über ihre Qualitäten ablegen.
Demgegenüber vertraute Madrid-Coach José Mourinho einmal mehr auf ein 4-2-3-1 im Camp Nou mit Benzema als einziger echter Spitze. In seinem Rücken spielte Mesut Özil als klassischer Zehner, der von Di Maria auf rechts und C. Ronaldo auf links flankiert wurde. Abgesichert wurde die Angriffsfraktion von der Doppelsechs Khedira und Alonso. Auch in der Abwehr gab es keine Überraschungen. Die Innenverteidigerpositionen wurden bekleidet von Pepe und Ramos, Marcelo und Arbeola besetzten die Außenverteidigung. Insgesamt präsentierte sich dem Betrachter ein sehr symmetrisches und ausgewogenes Real Madrid. Lediglich in dem größeren Vorwärtsdrang von Marcelo ließe sich eine kleine Asymmetrie ausmachen. Di Maria und C. Ronaldo hingegen befanden sich zumeist auf der gleichen Höhe.
FC Barcelona auf Mittelfelddominanz bedacht
In der Anfangsphase der ersten Spielzeit neutralisierten sich beide Mannschaften gegenseitig. Keine der beiden Mannschaften konnte sich klare Torchanchen erspielen und die Angriffe mündeten in letzter Konsequenz stets in einem Ballverlust. In der 12. Spielminute hätte es allerdings zum ersten Mal im Kasten von Victor Valdés klingeln können. Ausgangspunkt der klaren Torchance war ein leichtfertiger Ballverlust im Mittelfeld beim Spielaufbau durch Sergio Busquets, nicht etwa ein taktischer Missstand im Spiel des FC Barcelona. Der Rest des Angriffs von Real Madrid war ein Beispiel dafür, die fluide der Gast agieren konnte. C. Ronaldo war plötzlich auf der rechten Angriffsseite anzutreten, im Sturmzentrum lauerte Marcelo und auf dem zweiten Pfosten erst der etatmäßige Mittelstürmer Karim Benzema, sträflich allein gelassen. Alves musste sich um ihn kümmern, obschon zwei Innenverteidiger dadurch funktionslos würden. Pedro hat den Anschein erweckt, hinten mit auszuhelfen, wodurch Alves der Meinung gewesen sein könnte, Benzema sei gedeckt.
Darüber hinaus ließen die Katalanen aber bis zur 23. Spielminute kaum Chancen der Gäste zu. Die Grundordnung stimmte, man ging kein unverhältnismäßiges Risiko ein. Durch viel Ballbesitz konnte man den Gegner zudem vom eigenen Tor fernhalten. Die wenigen Möglichkeiten, die sich den Madrilenen zum Angriff ergaben, scheiterten allesamt an mangelnder Präzision und der Verteidigungshaltung des FC Barcelona, die sich dadurch kennzeichnete, dass sie den ballführenden Spieler anliefen und zu isolieren suchten. Dem FC Barcelona gelang es aber gleichsam nicht, Torgefahr auszustrahlen. Nur selten kamen sie so gut in den Strafraum wie in der 11. Spielminute, als Alba sich von seinem direkten Gegenspieler Arbeola löste und von Iniesta geschickt worden ist. Dies lag zum einen sicherlich an dem Verhalten der Madrilenen, die auf eine Verengung des Raumes bedacht waren und sehr kompakt standen. Im Mittelfeld ließen sie den Katalanen gerade mal genug Luft zum Atmen, verschoben gut in Richtung Ball und liefen die ballführenden Spieler des FC Barcelona auch zuweilen sehr aggressiv an, um den Überraschungseffekt zu nutzen. Andererseits war das Spiel des FC Barcelona aber auch nicht auf viele Torchancen und schnelle Angriffe ausgelegt, sondern vielmehr auf ein ruhiges und bedachtes Aufbauspiel, mit dem man sich langsam dem Tor von Iker Casillas nähern konnte.
Nominell befanden sich drei Stürmer auf dem Platz, tatsächlich aber positionierte sich ausschließlich Pedro in der Spitze. Messi zog seine Kreise fast ausschließlich am Mittelkreis und auch Iniesta agierte sehr invers und entsprach eher einem zentralen Mittelfeldspieler. An Breite büßte das Spiel aber kaum ein, da die Inversität von Iniesta durch einen sehr offensivfreudigen Aktionsradius von Jordi Alba ausgeglichen worden ist. Zum Teil begab sich auch Fàbregas auf den Flügel – das bildete allerdings die Ausnahme. Überwiegend hielt sich Fàbregas ebenfalls im Mittelfeldzentrum auf, interpretierte die “Falsche 9” also ebenso wenig wie Messi. Die Position der “Falschen 9” blieb gestern folglich unbesetzt. Der FC Barcelona hatte dadurch zwar eine enorme Mittelfeldpräsenz und konnte den Ball ungeachtet der Unterbindungsmaßnahmen der Madrilenen im Mittelfeld zirkulieren lassen, es fehlten aber Anspielstationen in der Spitze. Ein hypothetischer Gedanke könnte dahin gehen, wie das Spiel aussähe, wenn Vilanova mit echten Stürmern operiert hätte. Man würde dann zwar in der Spitze stärker vertreten sein, das Spiel würde dadurch aber auch schneller werden, weil Barcelona früher den riskanten Pass suchen müsste mangels Anspielstationen im Mittelfeld. Ein Schlagabtausch wäre die Folge, und das zu verhindern, war das Anliegen von Vilanova. Die Konterqualitäten der Madrilenen sind allseits bekannt. In der zweiten Halbezeit wurde Alexis Sánchez für Fàbregas in die Partie genommen. Zu diesem Zeitpunkt konnte Vilanova sich diesen Wechsel erlauben, weil mit zunehmender Spieldauer die Lücken im madrilenischen Verbund immer größer wurden und ein Mittelfeldspieler zunehmend funktionslos wurde. Man konnte das Mittelfeld schneller überbrücken und z.B. Messi schnell vor der Abwehr in Ballbesitz bringen.
Heute Abend folgt der 2. Teil der Analyse. Dann sprechen wir über die Gegentore und die zweite Halbzeit. Bis dahin!
Hier der zweite Teil des Taktikrückblicks.