FC Barcelona gegen Atlético Madrid – Taktikrückblick

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Bildquelle: fcbarcelona.com

Man sollte sich hüten, den Tag vor dem Abend zu loben. Die Welt ist unberechenbar, verkehrte Vorzeichen die Regel und langfristige Planung ein Luxus, den man sich nicht erlauben darf. Es sei denn, die Rede ist von einem Verein namens FC Barcelona, der mit neun Punkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten und dreizehn Punkten auf den ewigen Rivalen unangefochten an der Spitze thront. Einen schöneren Verlauf hätte der gestrige Abend kaum nehmen können. Zunächst blamieren sich die Königlichen gegen Espanyol Barcelona bis auf die Knochen und lassen vor heimischer Kulisse wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft liegen, und im Anschluss hieran fegt der Barcelona-Express über den weiteren madrilenischen Widersacher hinweg und festigte seine Vormachtstellung in beeindruckender Manier. In der Anfangsphase der Partie fehlte den Katalanen noch die Feinjustierung und sie mussten gar einen Rückstand hinnehmen. Nach dem sehenswerten Ausgleichstreffer durch Adriano gab es für den FC Barcelona aber kein Halten mehr, die Show im Camp Nou nahm ihren Lauf und fand erst am späten Abend durch den 90. Treffer von Lionel Messi ein ansprechendes Ende.

Atlético nimmt sich Betis und Córdoba nicht zum Vorbild

Vor dem Spiel hat Tito Vilanova verlauten lassen, dass er das stärkste ihm zur Verfügung stehende mannschaftliche Gefüge gegen den engsten Verfolger im Meisterschaftrennen aufbieten wird. Nach seiner Vorstellung bedeutete dies, dass Dani Alves für den starken Adriano weichen musste und im Sturm Alexis Sánchez anstatt David Villa zu einem Einsatz im Top-Spiel kam. Die weiteren Positionen wurden den Erwartungen entsprechend bekleidet. In der Innenverteidigung kamen einmal mehr Piqué und Puyol zum Zug, während Mascherano auf der Bank Platz nehmen musste. Als linker Verteidiger wurde Jordi Alba aufgeboten und im Mittelfeld fand sich das traumhafte Trio Busquets, Iniesta und Xavi ein. Im Sturm durfte Pedro seine Qualitäten neben Messi unter Beweis stellen.

Real Betis und der Córdoba CF empfingen die Katalanen mit einem beherzten Pressing, Atlético allerdings hat sich kein Beispiel an den beiden vorangegangenen Gegnern des FC Barcelona genommen. Man hätte sich nach den teilweisen Erfolgen der beiden letzten Gegner der Annahme hingeben können, dass Atlético diese Spielweise adaptiert und perfektioniert. Schließlich ist es sowohl Real Betis als auch Córdoba CF gelungen, die Blaugrana stark unter Druck zu setzen. Mehr noch, mit ihrer strategischen Ausrichtung – dem Angriffspressing – ist es ihnen gelungen, sich Torchancen herauszuspielen und den Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten. Des Weiteren haben sie den Rhythmus des FC Barcelona stark gestört und sie nicht ihr eigenes Spiel aufziehen lassen. Beide Spiele machten deutlich, dass ein knackiges Angriffspressing eine vielversprechende und unter Umständen die beste Vorgehensweise darstellt, um sich der katalanischen Spielgewalt zu erwehren. Nichtsdestotrotz hat Atlético sich davon nicht inspirieren lassen, sondern an der eigenen Spielphilosophie festgehalten, was für sich genommen sehr löblich ist. Die Nachbetrachtung gibt Diego Simeone, dem Trainer von Atlético Madrid, aber nur bedingt Recht.

Sicherung und Konterspiel die Ziele

Zwar konnte sich seine Mannschaft in den ersten 30 Spielminuten ein deutliches Chancenübergewicht erspielen, ohne die Verteidigung des eigenen Tores zu vernachlässigen. Was aber danach folgte, war eine spielerische Offenbarung des FC Barcelona, der Atlético nichts mehr entgegenzusetzen vermochte. Mit einem 4-4-2-System traten die Gäste dem FC Barcelona gegenüber und waren auf eine kompakte Grundordnung sowie ein gepflegtes Konterspiel bedacht. Erst hinter der Mittellinie erwartete die Mittelfeldreihe Atléticos die Katalanen, ohne sich dabei aber durch ein überaus intensives Arbeiten gegen den Ball auszuzeichnen. Lange Passstaffetten und ein hoher Ballbesitzanteil auf Seiten des FC Barcelona waren die Folge, welche der Gast aber bereitwillig in Kauf nahm. Es ging Atlético primär darum, durch ein starkes Verschieben der Ketten und eine gute Verbindung der Spieler zueinander Lochpässe zu vermeiden sowie die Zwischenräume abzudichten. Das gelang ihnen in der ersten halben Stunde der Partie vorzüglich, die Mannen von Tito Vilanova konnten sich keine einzige Chance herausspielen, mussten im Gegenzug aber zwei Mal zittern und den Gegentreffer von Falcao mit ansehen. Obschon Atlético auf Konter lauerte und auf diese Art und Weise den Erfolg suchte, war nur eine der drei Möglichkeiten einem gepflegten Konterspiel geschuldet. Im Mittelfeld vertendelte Messi den Ball und der durchstartende Falcao ließ sich die Chance nicht nehmen. Hierbei behilflich war auch ein Rollentausch zwischen Piqué und Busquets, der zwischenzeitlich die Position von Piqué einnahm und ungeduldig auf einen Rücktausch wartete. Die restlichen Torchancen resultierten aus einem schnell gespielten Freistoß sowie einer halbhohen Hereingabe von der rechten Seite. Letztere Chance war damit eher auf ein nachlässiges Zweikampfverhalten auf der Außenbahn zurückzuführen.

Erwähnenswert ist, dass sich die Außenverteidiger von Atlético bei Gelegenheit vorne mit einschalteten, wie z.B. in der 20 Spielminute, als der rechte Außenverteidiger nach vorne aufrückte. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Atlético darum bestrebt war, ihr eigenes Spiel aufzuziehen. Viele gegnerische Mannschaften verzichten in Spielen gegen den FC Barcelona auf ein verstärktes Aufrücken der Außenverteidiger, um im Fall der Fälle – d.h. bei Ballverlust in der Offensivbewegung und dem anschließenden Fehlgehen des Gegenpressings – nicht allzu leicht das Opfer der katalanischen Konter zu werden. Atlético dagegen wagte den Einsatz dieser offensiven “Waffe der Neuzeit”, freilich auf die Gefahr hin, sich Konter einzufangen. Tatsächlich zeichnete sich das Spiel des FC Barcelona durch ein hohes Umschaltmoment aus. Immer wieder wurde nach Ballverlust des Gastes über die Schnelligkeit von Jordi Alba der direkte Weg zum Tor gesucht – zumeist vergeblich. Atlético zeigte sich trotz dieser Spielweise gut geordnet und hinreichend gefestigt mit lediglich drei Abwehrspielern als letzte Sicherung. Daneben interpretierten auch die Mittelfeldspieler ihre Rollen restriktiver, wohlwissend um den Umstand, dass eine zusätzliche Sicherung erforderlich war. 

FC Barcelona – Mit Breite im Spiel zum Erfolg

Über ein schnelles Umschaltspiel kam der FC Barcelona demnach nicht zum Erfolg. In der ersten halben Stunde konnten sie keine Gefahr für den gegnerischen Kasten herausbeschwören. Atlético ließ sie zwar im Mittelfeld gewähren und ihr Passspiel aufziehen. Von den beiden Stürmern des Gastes rührte kaum Gefahr her, da diese ebenso wie ihre weiter hinten positionierten Mannschaftskameraden nicht gegen den Ball arbeiteten. Gleichwohl tat sich der Hausherr zunächst schwer, je näher der Ball dem Tor kam, desto enger wurde das Spielfeld. Atlético verschob, wie bereits erwähnt, gut in Richtung Ball und konnte viele Schlupflöcher abdecken. Des Weiteren waren sie zuweilen tief positioniert, was dazu führte, dass sich die Abstände zwischen den Ketten verringerten – und damit den Raum für erfolgreiche Kombinationen der Katalanen weiter einengten. Fast immer war Atlético in Überzahl und vor diesem Hintergrund war es – auch angesichts der Klasse der einzelnen Spieler aus Madrid – schwierig für Messi und Co., mit dem Tiki Taka zum Erfolg zu kommen. 

Doch auch in dieser Phase des Spiels gab es durchaus das ein oder andere Schlupfloch, dass der FC Barcelona hätte nutzen können. Augenfällig war, wie oft sich der rechte Außenverteidiger Atléticos in Richtung der Außenbahn zu Alexis Sánchez orientierte, um diesen zu doppeln. Nicht immer war der rechte äußerste Mittelfeldspieler dicht genug an der Außenbahn, um zeitnah dem Außenverteidiger auszuhelfen. Verantwortlich hierfür war insbesondere das starke Verschieben in Richtung des Balles, um die Geschlossenheit der Räume zu gewährleisten. Bisweilen nicht genannt wurde nämlich die Tatsache, dass die Katalanen das Spiel stark in die Breite zogen und dabei sowohl den linken als auch den rechten Flügel in regelmäßigen Abständen bedienten. Damit sollten die Ketten auseinandergezogen, zumindest aber die Spieler ermüdet werden. Die Breite im Spiel sorgte dafür, dass der Innenverteidiger seinem Mitspieler auf der Außenbahn aushelfen musste, wodurch eine Lücke entstand, in welche die Spieler des FC Barcelona hätten hineinstoßen können. Der andere Innenverteidiger konnte diese entstandene Lücke nicht schließen, um den Raum links neben ihm, der aufgrund der extrem breit angelegten Spielweise des FC Barcelona auch gefährdet war, nicht verwaisen zu lassen. Leider konnte die Mannschaft von Trainer Vilanova diese strukturelle Schwäche von Atlético bedingt durch die eigene breite Spielanlage nicht ausnutzen. 

In der 36. Spielminute sollte sich die Breite im katalanischen Spiel trotzdem auszahlen. Ein Seitenwechsel von Iniesta auf den sträflich allein gelassenen Adriano verschafft diesem viel Freiraum für die Abwägung seiner Optionen. Er zieht den Außenverteidiger auf sich, gleichsam den äußeren Mittelfeldspieler und geht mit einem schnellen Antritt an beiden vorbei. Dadurch hat er sich auch eine freie Schussbahn verschafft und der Rest ist der pure Genuss. Des Öfteren kommt Adriano in Situationen, in denen er zum Abschluss kommen kann. Dabei ist seine Seite nicht unbedingt die dominante, weil im Gegensatz zur linken Angriffsseite und zum Zentrum nur selten Dreiecke für ein Kombinationsspiel geschaffen werden können. Xavi steht hierfür schlicht zu zentral und auch Messi begibt sich verhältnismäßig selten auf rechtsaußen. Somit sind Pedro und Adriano häufig in der Unterzahl und müssen den Ball zurück oder hin zum Zentrum spielen. Auf links sieht die Sachlage ein wenig anders aus, dort tummeln sich regelmäßig drei bis vier Spieler und es verwundert daher kaum, dass die linke Seite die dominante Angriffsseite in dieser Saison bildet. Das hat auch das gestrige Spiel wieder zum Vorschein gebracht. 

Nach dem Führungstreffer von Adriano kam der FC Barcelona ins Rollen. In der zweiten Halbzeit ließen sie Ball und Gegner nach Belieben laufen, ohne dass Atlético dem etwas entgegensetzen konnte. Ballverluste im letzten Spielfelddrittel wurden durch ein hervorragendes Gegenpressing und das herausragende Antizipationsvermögen von Sergio Busquets vom Risiko her relativiert. Hinzu kam die zunehmende Erschöpfung der Atlético Spieler und das damit einhergehende suboptimale Postionsspiel, das ihnen unter anderem das dritte Tor durch Lionel Messi eingebracht hat. Die Ketten waren in dieser Situation zu weit auseinander, Missverständnisse zwischen Spielern begünstigten zudem die Entstehung des Tores. Atlético Madrid war geschlagen und wurde in der Meisterschaft distanziert. Noch ein Triumph gegen Valladolid und eine nahezu perfekte Hinrunde wird in die Geschichtsbücher eingehen.

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