Aus der Perspektive der Fans der Katalanen müssen die vergangenen Wochen wie ein Märchen erscheinen. Wie in einem amerikanischen Sportfilm gerät die sympathische Mannschaft zunächst stark in Rücklage, um sich schließlich doch noch zu triumphieren, unter aufopferndem Einsatz. Es fehlt nur noch ein kleiner Schritt.
Von Raphael Lugowski
Passives Getafe
Einen Punkt beträgt der Rückstand – hoffentlich nicht vorübergehend – auf den Spitzenreiter Real Madrid. Diese sind heute im Stadtderby gegen Athletico Madrid gefordert und stehen Dank des 4:0 des FC Barcelona über Getafe nun gehörig unter Druck. Derweil eilen die Katalanen von Sieg zu Sieg und man kann sich des Gefühls nicht verwehren, dass noch weitere Leistungsreserven vorhanden sind. Gegen den gestrigen Gegner Getafe reichte aber auch eine „nur“ durchschnittliche Leistung zum Sieg, eine Leistung, die bei jedem anderen Verein als eine Galavorstellung angesehen werden würde; in Barcelona gelten jedoch ob der herausragenden Klasse andere Maßstäbe, die sich auch nicht ausschließlich in Toren beschreiben lassen. Aber die Leistung wächst mit den Anforderungen, und was am Ende zählt, ist nur der Sieg. Dieser war gestern gegen ein schwaches Getafe zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr. Der Gast begegnete der Blaugrana in einem 4-5-1-System, und es war diese defensive Prägung, die dafür sorgte, dass Valdes einen relativ entspannten Abend verlebte. Getafe stand sehr tief und ließ den Gastgeber zunächst kommen, sodass Xavi, Busquets und Iniesta im Mittelfeld alle Zeit der Welt hatten, um den nächsten Spielzug in ihrem Geiste reifen zu lassen. Das Zweikampfverhalten von Getafe war außerordentlich passiv und die Spieler beschränkten sich darauf, die Räume zu verdichten, insbesondere im Zentrum.
3-3-4 beim FC Barcelona
Das half ihnen jedoch nicht, um dem zu entgehen, was so vielen anderen Mannschaften im Camp Nou bereits widerfahren ist. So defensiv die Ausrichtung von Getafe auch war, inspirierte sie Guardiola zu einer noch offensiveren Vorgehensweise, bei der sich gleich vier Spieler in Sturmposition einfanden. In der Sturmspitze tummelten sich Alexis und Messi, stets lauernd auf den tödlichen Pass und extrem variabel in ihrer Spielanlage. Flankiert wurden sie von Pedro auf links und von Cuenca auf rechts, der den Vorzug vor Tello bekam. Durch diesen Schachzug gewährleistete der Trainer der Katalanen, dass seine Mannschaft trotz der defensiven Stellung des Gegners und der hohen Dichte im Zentrum gefährlich vor das Tor kam und sich Torchancen herausspielte. Die Positionierung von Cuenca und Pedro auf die Außenbahnen bewirkte eine gute Breite im Spiel und entzerrte das Geflecht in der Mitte. Andererseits konnten die Spieler von Getafe nicht von der Mitte abrücken, weil eben in Gestalt von Messi und Sanchez zwei brandgefährliche Stürmer auf ihre Chance lauerten. Es tat sich ein für Getafe unlösbares Dilemma auf, das sie dahingehend lösten, dass sie den Fokus im Ursprung immer auf das Zentrum legten und sich erst zu den Flügelstürmern orientierten, als diese von ihren Mitspielern in Szene gesetzt worden sind. Hieraus ergab sich für Pedro und Cuenca zuweilen viel Raum, den sie zu Vorstößen an die Grundlinie und einigen gefährlichen Hereingaben zu nutzen wussten. Ein weiteres Problem der Gäste war aber auch gerade in der Spielerversammlung in der Mitte zu erblicken. Durch die nahe beieinander stehenden Spielerketten waren verdeckte Pässe möglich, die für die Abwehr nur schwer zu beherrschen sind. Bei Messis Pass auf Xavi wäre ihnen dieser Umstand fast zum Verhängnis geworden.
Sanchez gut aufgelegt
Insgesamt bleibt also zu konstatieren, dass der FC Barcelona am Vorabend relativ leichtes Spiel hatte gegen einen Gegner, der einfach nicht über das richtige Konzept verfügte. Hingegen fand Guardiola das ideale Konzept, um einer übertriebenen defensiven Formation beizukommen. Mit vier Stürmern zu agieren ist immer mutig, gleichgültig, wie der Gegner heißt. Und dieser Mut wurde großzügig entlohnt mit vielen Tormöglichkeiten. Bereits wenige Minuten nach Anpfiff wurde es gefährlich vor dem Tor von Moya, nachdem ein Kopfball von Puyol zielstrebig Richtung Tor flog. In der 13. Spielminute klingelte es zum ersten Mal in des Gegners Kasten. Der Ball befindet sich dem äußeren Anschein nach ziemlich aussichtslos auf der linken Außenbahn und keiner war wirklich auf ein Tor gefasst. Doch Iniesta befördert den Ball per Heber zu Messi, der ihn nur kurz mit der Brust auf Sanchez abtropfen lässt. Dieser begibt sich sofort in Richtung Tor, lässt einen Gegenspieler stehen und vollendet aus 15 Metern zum 1:0 für die Katalanen. Ein schöner Treffer mit einer herrlichen Entstehungsgeschichte. Nur drei Minuten später hätte Pedro nach Ballverlust von Getafe erhöhen können, doch er vergibt. Wiederum eine Minute später folgte ein traumhaftes Zuspiel von Messi auf Xavi an allen Gegnern vorbei. Xavi lupfte den Ball gefühlvoll über Moya und das Spielgerät stolperte in Richtung Tor, bevor es von einem Gegenspieler auf Höhe der Torlinie aus dem Strafraum befördert wird. Die Torkameras legen den Schluss nahe, dass sich der Ball in vollem Umfang hinter dem Tor befand – dies hat der Schiedsrichter verkannt. Schwierig zu sehen für den Unparteiischen.
Pedro und Sanchez mit Kopfballtoren
Der FC Barcelona ließ sich aber davon nicht beirren und steuerte weiterhin unermüdlich auf das nächste Tor zu. Nach einem herrlichen hohen Zuspiel auf Messi befindet sich dieser in einer aussichtsreichen Position zum aluminiumumrahmten Rechteck, doch er kann den Ball nicht in demselben unterbringen. Nachdem knapp eine halbe Stunde gespielt war, verzeichneten die Zuschauer zum ersten Mal ein Lebenszeichen von Getafe. Nach einer Ecke wird der Ball satt Volley genommen, doch der Schuss geht knapp am Tor vorbei. Einen Moment später kann auf der Gegenseite Alexis Sanchez alles klar machen. Er rutscht in eine Hereingabe von Cuenca von der Grundlinie, kann jedoch den Ball nicht entscheidend kontrollieren. Besser machte es der Weltfußballer kurz vor der Pause. Nach einem herrlichen Doppelpass an der Strafraumkante mit seinem kongenialen Partner Iniesta hämmert Messi den Ball unhaltbar ins linke Eck. Tor eingeleitet und alleine vollendet – besser geht’s nicht. In der zweiten Halbzeit offenbarte sich den Zuschauern ein unverändertes Bild. Cuenca versuchte es aus spitzem Winkel aus rechter Position, doch Moya war auf der Hut. In der 73. Spielminute war es dann aber wieder passiert. Messi spielt den Ball auf Cuenca heraus und dessen Flanke findet mit Sanchez in der Mitte einen dankenden Abnehmer – ein Kopfballtor des starken Chilenen. Nur kurz darauf konnte Pedro seine Kopfballkünste unter Beweis stellen. Einen Freistoß von Messi bringt er technisch anspruchsvoll mit dem Kopf im Tor unter. Am Ende war es noch Messi, der sich darin versuchte, seine eindrucksvolle Torbilanz weiter aufzubessern. Doch die scharfe Hereingabe von Puyol in der 79. Spielminute kann La Pulga nicht mehr unter Kontrolle bringen. Auch kurz vor Schluss muss er sich den Abwehrkünsten von Moya geschlagen geben, der einen Schuss mit dem rechten Fuß von Messi entschärft. Es blieb also beim 4:0. Der Druck lastet nun auf den Hauptstädtern und es bleibt abzuwarten, wie sie damit umgehen werden. Visca el Barca!