Der FC Barcelona gewinnt den Rückrunden-Clásico und zieht Real Madrid in der Ligatabelle damit endgültig davon. Sergi Roberto, Barças starke Defensivarbeit und die Wiederauferstehung unter Xavi sind unsere Brennpunkte zum Spiel.
Auch im Clásico: Das Barça-Bollwerk steht weiterhin
Dass der Ball hinter Marc-André ter Stegen einschlägt, kam in dieser Liga-Saison noch nicht häufig vor – erst recht nicht im Camp Nou. Es war erst das neunte Gegentor für die Blaugrana in Spaniens Oberhaus und erst das zweite im eigenen Stadion in nun 13 Heimspielen. Alleine diese Zahlen sind bereits mehr als bemerkenswert, noch bemerkenswerter ist aber, wie ter Stegen erst zum zweiten Mal vor den eigenen Anhängern bezwungen wurde: per unglücklichem Kopf-Eigentor von Ronald Araujo nach Vinicius-Flanke, einem absoluten Zufallstreffer der Marke Slapstick.
Das einzige Gegentor zuvor hatte Espanyol-Angreifer Joselu erzielt – per Elfmeter. Heißt also: Aus dem Spiel heraus ist es weiterhin noch keinen Gegner in dieser Liga-Saison gelungen, gegen Barça selbst ein Tor zu erzielen. Selbst Real Madrid kam am Ende nur auf drei Schüsse auf ter Stegens Gehäuse, die allesamt eher keine große Probe waren. So stellte die Blaugrana am Sonntagabend gegen die Blancos mal wieder ihre große Stärke unter Beweis: Die Arbeit gegen den Ball, die gute Organisation und die gute Verteidigung. Allen voran Jules Koundé, Ronald Araujo, Andreas Christensen, Sergio Busquets und Frenkie de Jong fingen wieder dermaßen viele Bälle ab, dass ter Stegen einmal mehr einen erstaunlich geruhsamen Abend erlebte. Was man so vorab auch nicht unbedingt erwartet hätte. Schließlich lautete der Gegner diesmal nicht etwa Cadiz, Almeria oder Getafe, sondern Real Madrid. Die achtsame Defensive, die schon im Mittelfeld anfängt – sie ist in dieser Saison das Meister-Fundament.
Sergi Roberto ist ein unverzichtbares Glied in der Kette
Wettbewerbsübergreifende 26 Einsätze, dabei vier Tore und drei Vorlagen: das ist die Bilanz Sergi Robertos in der Saison 22/23. Robertos auslaufender Vertrag wurde kürzlich erneut um ein Jahr verlängert, auch wenn Barcelonas Nummer 20 nicht mehr zum unangefochtenen Stammpersonal gehört. Doch wie wichtig er als Option sein kann, sah man in diesem Clásico sehr gut – wir kürten Roberto im Clásico zum Man of the Match. Mit über 330 Spielen für die Blaugrana und dem Amt als zweiter Kapitän hinter Sergio Busquets ist Roberto unbestritten eine Barça-Legende, dennoch warf seine sportliche Bedeutung schon einmal Fragen auf. Sergi Roberto ist nominell zentraler Mittelfeldspieler, wurde nach dem Abgang von Dani Alves 2016 zum Rechtsverteidiger umgeschult, und kehrte unter Xavi nun überwiegend wieder ins Mittelfeld zurück, da der 43-Jährige hinten rechts lieber auf Ronald Araujo oder Jules Koundé setzt.
Sergi Roberto ist kein klassischer Anführer, seine Leistungen sind im Regelfall nicht so stark, dass er ein Spiel an sich reißt und entscheidet. Doch seine Stärke liegt direkt dahinter verborgen: Roberto ist eine Allzweckwaffe, die in jeder Lage nützlich sein kann. So wie Lewandowski eindeutig Mittelstürmer ist und Tore schießt oder Araujo als Verteidiger eindeutig welche verhindert, so undefinierbar ist Robertos Profil. Sergi Roberto ist überall. Seit Barças Ex-Coach Quique Setién ihn in der Saison 19/20 – wenn auch durch Verletzungen notgedrungen – als Innenverteidiger einsetzte, kann Roberto von sich behaupten, außer im Tor auf jeder Position für Barça gespielt zu haben. Robertos Stärken sind nicht nur eine enorme Ausdauer, sondern ein Pass- und Positionsspiel wie aus einem Guss – bestes La-Masia-Niveau, bei dem die Position auf dem Rasen egal zu sein scheint. Diese Vielseitigkeit macht Roberto auch unter seinem neunten Trainer zu einem unverzichtbaren Glied in der Barça-Kette.
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Hat der FC Barcelona den Umbruch nun geschafft?
Dieser Clásico sollte wegweisend für den Ausgang der Liga-Saison sein. Doch überdies hat der FC Barcelona mit dem 2:1-Sieg im Camp Nou noch weitere Durststrecken und Negativrekorde beendet: Real Madrid war in der katalanischen Heimstätte ganze fünf Jahre lang ungeschlagen; der letzte Clásico-Heimsieg Barcelonas datiert aus dem Jahr 2018 (5:1). Ganze elf Jahre ist es her, dass die Blaugrana im Camp Nou einen Rückstand drehen konnte (2012 beim 3:2 in der Supercopa). Zwar steht mit dem Halbfinal-Rückspiel in der Copa del Rey am 5. April noch ein Clásico in dieser Saison an, doch es steht bereits fest, dass der FC Barcelona zum ersten Mal seit der Saison 18/19 wieder mehr Clásicos in einer Saison gewinnen kann als der Erzrivale aus Madrid.
Damit beendet das Team um Trainer Xavi nicht nur mehrere Negativserien auf einen Schlag. Dies war Xavis vierter Sieg im sechsten Clásico als Trainer – eine starke Bilanz. Da man zwölf Spieltage vor dem Saisonende zwölf Punkte Vorsprung auf Rang zwei hat, darf man langsam annehmen, dass die Katalanen mehr als nur die Supercopa in dieser Saison gewinnen werden. Die katalanische Achillesferse bleibt allerdings nach wie vor das internationale Parkett, bei dem der FC Barcelona wie unter einem Fluch stehend mit einem ganz anderen Gesicht als in der Liga spielt – und früh ausscheidet. Nach 26 Ligaspielen hat man nun immer noch weniger Gegentore bekommen als in den sechs Spielen der Champions-League-Gruppenphase. Hier muss Xavi den größten Verbesserungsbedarf sehen und für die kommende Saison weiterhin viel Arbeit leisten.
Dennoch darf man auf dem nun noch mehr geebneten Weg zur 27. Meisterschaft festhalten, dass der FC Barcelona zumindest auf sportlicher Ebene die wohl größte Krise seiner Vereinsgeschichte überwunden hat und Xavi den von Ronald Koeman vorsichtig eingeleiteten Umbruch erfolgreich vollzieht.
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