Man tut sich schwer, aus dem 2-2 zwischen CF Valencia und dem FC Barcelona Erkenntnisse über die Form und Leistungsfähigkeit beider Vereine, insbesondere aber über jene des
FC Barcelona, zu ziehen. Die Frage, die sich geradezu aufdrängt, ist, ob Valencia zu stark oder Barca schlichtweg zu schwach war.
Ich habe bereits hunderte Spiele von Barcelona mit einem Hochgenuss verfolgt, der mir jedoch in den letzten Spielen – blendet man das 8:0 gegen Osasuna, das ich bedingt durch einen Aufenthalt in Frankfurt auf der IAA leider nicht verfolgen konnte, aus – ein wenig abhanden gekommen ist. Tatsächlich hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass Barca die Automatismen, die Lockerheit und die Eleganz, die es in den Top-Spielen der vergangenen Saison mit eindrucksvoller Beständigkeit abgerufen haben, nicht in die neue Saison hinüberretten konnte. Das Spiel gegen Valencia hat Defizite offenbart, die man so schnell wie möglich abstellen sollte, will man die selbst gesteckten hohen Saisonziele erreichen.
Spielerische Defizite kommen regelmäßig nur dann zum Vorschein, wenn man gegen einen starken Gegner spielt, der es versteht, die Schwächen zu erkennen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auf einen solchen Gegner ist Barca gestern getroffen, Valencia hat strategisch wirklich hervorragend agiert und stets die richtigen Mittel gewählt, um Barca nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Das Pressing von Barca verpuffte wirkungslos, weil die Spieler von Valencia nicht nur technisch beschlagen waren, sondern mit einer guten Spielübersicht aufwarteten und die Spieler von Barca ins Leere laufen ließen. Die Häufung von Fehlpässen war auf die ausgezeichnete Antizipation der Valencia-Spieler zurückzuführen, die darüber hinaus im Raum verteidigten wie sprichwörtliche Weltmeister. Auf der rechten Flanke mussten die Spieler von Valencia nur den Elementen der Physik, dem Luftwiderstand und der Schwerkraft, trotzen. Die Nutzung des Begriffs der “Abwehr” verbitte ich mir. Aber es wäre zu einfach, die verhältnismäßig schwache Leistung ausschließlich an der Performance der Abwehr festzumachen. Auch das Mittelfeld trägt eine Mitschuld, die nicht unter den Tisch gekehrt werden darf. Kreativlos, ideenlos und langsam, das sind meiner Einschätzung nach die richtigen Worte, wenn es darum geht, das Wirken des Mittelfelds zu umschreiben. Das Mittelfeld kann man sich vorstellen als ein Sieb, das die Abwehr entlastet. Die Realität sieht allerdings anders aus. Das Mittelfeld konnte, insbesondere in der ersten Halbzeit, dem Spiel des CF Valencia nichts entgegensetzen. Wenn ich schreibe, dass keine Akzente nach vorne gesetzt wurden, dann ist dies noch stark untertrieben. Die Spieler waren nicht einmal in der Lage, den Ball zu halten, was sehr untypisch für das Spiel von Barca ist. Denn das Spiel von Barca ist gerade darauf ausgelegt, dass das Mittelfeld den Ball in den eigenen Reihen hält, den Ball laufen lässt und den Gegner Stück für Stück in die eigene Häfte drängt. Eine sehr enttäuschende Vorstellung.
Nach dieser deutlichen Kritik mag man sich fragen, wie Barca überhaupt 2-2 spielen konnte, ja warum Barca sogar gewinnen hätte müssen. Nun, im Kollektiv hat Barca wenig bewirkt. Allerdings verfügt es über ausgezeichnete Einzelspieler, die jederzeit durch eine geistreiche Handlung in der Lage sind, für Gefahr und Tore zu sorgen. Diese geistreichen Handlungen kamen gestern von Messi. Sein finaler Pass im Spiel in den Lauf von David Villa war ein magischer Moment und wird lange in Erinnerung bleiben. Schade, dass Villa diesen Moment nicht durch ein Tor verewigt hat.
Abschließend lässt sich also festhalten, dass Valencia ein starker Gegner war, Barcelona es ihnen jedoch auch nicht sonderlich schwer machte. Ich bin dankbar für das Spiel gestern, denn es zeigt Guardiola, in welchen Bereichen die Mannschaft weiterhin Verbesserungsbedarf hat. Für mich als Laien gibt es offenkundig Handlungsbedarf beim Spielaufbau, der Abstimmung der Abwehr, den Laufwegen im Mittelfeld, der Verknüpfung zwischen Mittelfeld und Abwehr. Ich bin mir sicher, dass Guardiola diese Punkte relativ schnell in den Griff bekommen kann. Vielleicht sehen wir bereits gegen Atletico die ersten Erfolge.
Raphael L.