Mit viel Freude und Erleichterung haben sämtliche Culés das am Sonntag stattgefundene Topspiel zwischen dem FC Barcelona und Atlético Madrid verfolgt. Nach zuletzt sechs sieglosen Partien in Serie gegen die Hauptstädter konnte Barça gegen seinen „Angstgegner“ endlich wieder einmal einen Dreier landen. Nicht nur in der Fanschar sorgte dieser Sieg für große Erleichterung, auch im Barçawelt-Autorenteam gab es ein lang erwartetes Aufatmen. Grund genug, um dieses Spiel in einer detailreichen Analyse noch einmal zu behandeln.
Die Vorzeichen vor diesem Liga-Kracher zwischen Atlético Madrid und Barça hätten klarer nicht sein können: Die Katalanen befanden sich seit langem in einer riesigen spielerischen Krise, wobei besonders das Spiel gegen Real Sociedad einen unglaublich traurigen Tiefpunkt dargestellt hat. Dies sah beim Konkurrenten ganz anders aus: Die Madrilenen gewannen zuletzt gegen den Champions-League-Sieger Real Madrid in einer beeindruckenden Art und Weise mit 2:0. Dabei war besonders die unglaublich flexible Defensivstruktur Simeones ein heftiges Ausrufezeichen. Gegen Barça agierten die ‘Colchoneros’ mit gezielten Manndeckungen sowie einem klugen Verschieben und wollten abermals Beton anrühren. Für Teamchef Enrique stellte sich somit die Frage, wie man diesen Beton brechen könnte.
Enrique greift in die Trickkiste
Der FC Barcelona begann in dieser Saison oftmals mit einer Überraschung. Das skurrile an dieser Überraschung war schlicht und einfach, dass es keine positionellen Verwunderungen gab. Mit den beiden Außenverteidigern Jordi Alba und Dani Alves, die im Verlauf des Spiels völlig verschiedene Aktions- und Aufgabenmuster besaßen, standen die zwei Stammaußenspieler auf dem Platz. Javier Mascherano ist für viele Culés in den letzten Wochen ebenso gesetzt gewesen, wie auch Gerard Piqué. Mit Bravo im Tor war auch der regelmäßige La Liga-Torhüter im Einsatz. Auch das Mittelfeld sowie der Sturm wiesen keine Überraschungen auf. Der zuletzt formschwache Sergio Busquets komplettierte zusammen mit Rakitić und Iniesta das Mittelfeld. Vorne kam der Standardsturm Neymar-Suárez-Messi zum Einsatz.
So normal die Aufstellung vor dem Spiel aussah, so unterschiedlich waren die Aufgabenbereiche der Mannschaft im Spiel im Vergleich zur bisherigen Spielzeit. Jordi Alba agierte in dieser Partie, wie zuletzt auch, als eher linearer Außenverteidiger und rückte eher selten in den Platz ein. Wenn doch, dann sollte dies nur situativ geschehen. Bei Dani Alves sah die ganze Sache schon deutlich anders aus. Zusammen mit Messi und Rakitić sollte der Brasilianer eine interessante Struktur auf der rechten Seite bilden. Während Messi in den meisten Fällen sehr nahe an der Außenlinie stand, befand sich der Brasilianer als Anspielstation im rechten Halbraum. Rakitić positionierte sich etwas zentraler im Feld und komplettierte das Dreieck der drei Akteure.
In dieser Grafik sieht man die positionelle Anordnung der drei genannten Akteure recht gut. Hinzugefügt sind des Weiteren auch noch die typischen Bewegungsmerkmale, die der Spieler auf der jeweiligen Position aufzuweisen hatte. Der Spieler, der sich im Zentrum befand, in diesem Fall ist es Rakitić, versucht hinter den Außenverteidiger zu laufen und als tiefe Anspielstation zu dienen. Der Spieler im Halbraum, hier ist es Dani Alves, dient als Anspielstation und kürzeste Verbindung zwischen dem Spieler auf der Außenlinie und dem Spieler im Zentrum. Der Halbraumspieler ist zudem derjenige, der dynamisch in die Tiefe vordringt, bevorzugt natürlich durch gute Dribblingskenntnisse. Zuletzt wäre da noch der Spieler an der Außenlinie zu erwähnen, der lediglich die Breite geben soll, oft sollte dies Messi sein.
Beim ersten Tor der Blaugrana war die oben dargestellte Ausgangssituation sehr ähnlich. Messi und Dani Alves hatten allerdings die Plätze getauscht. Rakitić ging nach einem Pass an die Außenlinie und passte Messi in den Halbraum. Alves überlief den Argentinier in das Zentrum und diente beim Lauf von ‘La Pulga’ in die Tiefe als Anspielstation für einen Doppelpass, der mit der unglaublichen Präzision der beiden Spieler auch zustande kam und mit einem anschließenden Dribbling des Argentiniers vollendet wurde. Letztendlich war beim Tor eine gewisse Prise an Glück vorhanden, allerdings war dieser Spielzug einer der gelungensten an diesem Abend, der mit dem Tor gekrönt wurde.
Generell besaß Rakitić eine ziemlich unrühmliche Rolle in dieser Partie. Der Kroate sollte hauptsächlich durch seine geschickte Positionierung seinen Mitspielern Vorteile bringen. Selbst in die Ballzirkulation eingebunden, war der 26-jährige selten, nicht zuletzt auch wegen seinen in letzter Zeit häufiger aufgetretenen technischen Mängeln. Ein zweiter wesentlicher Aspekt Rakitićs war die Positionierung in den Zwischenlinienraum, wo er Suárez temporär vertrat. Damit wollten die Katalanen die Spieler Atléticos bei eigenem Ballbesitz im zweiten Spielfelddrittel binden beziehungsweise als Anspielstation dienen, falls die Madrilenen überfallsartig zu einem Mittelfeldpressing griffen.
Suárez konnte in dieser Partie deutlich besser glänzen, als in den letzten Partien. Durch die Rolle Rakitićs konnte der Uruguayer wesentlich freier in seinen Bewegungen agieren beziehungsweise für Verbindungen zwischen sich und seinen Mitspielern sorgen. Besonders gerne hat es den 28-Jährigen auf die linke Seite zu Neymar hingetrieben. Auch dies hatte einen besonderen Grund. Durch die relativ eindimensionale Rolle Jordi Albas stünde Neymar relativ alleine da. Dies sollte durch ein Ausweichen Iniestas in die Nähe des Brasilianers, meistens war es der linke Halbraum, sowie einem Abdriften von Suárez nach links kompensiert werden. Anbei ein visuelle Veranschaulichung dieses Umstandes.
In diesem konkreten Fall überlief Jordi Alba Neymar auch noch, er hielt sich bei solchen Vorstößen allerdings eher zurück, um die Stabilität nicht zu gefährden. Sollte der Katalane aber nicht in einen Zweikampf kommen können, so war es der tadellose Iniesta, der die Bälle zusammen mit dem rückwärts-pressenden Neymar zurückeroberte.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Spiel der Katalanen war ihr Spielaufbau. In diesem ließ sich nämlich Iniesta als eine zusätzlich Anspielstation auf links abkippen. Zusammen mit Sergio Busquets gab es somit zwei tiefere Akteure, denen Piqué und Mascherano beim Aufbau einen Pass zuspielen könnten. Dies hatte für die Katalanen gleich zwei Vorteile zur Folge, beide Male betraf es Lionel Messi. Zum einen wurde der kompakte Block Atléticos damit auf die linke, von ihnen aus gesehen rechte, Seite gezogen und Messi befand sich in einem riesigen Raum fast gänzlich allein. Durch Verlagerungen auf diese Seite konnte die bereits oben genannte Dreiecksformation mit Rakitić und Alves sowie der damit verbundene dynamische Durchbruch vollzogen werden. Zum anderen besaß Messi damit auch die Möglichkeit seine Tempo-Dribblings in einem größeren Raum vollziehen zu können, was das zweite Tor eindrucksvoll veranschaulicht.
Atléticos Block stand unglaublich kompakt vor Iniesta; dieser hatte aber den Blick auf den frei stehenden Messi und verlagerte auf diesen. Sowohl Dani Alves als weitere Anspielstation für einen Doppelpass als auch ein Alleingang standen zur Auswahl für den viermaligen Weltfußballer. Durch diese Maßnahme konnte Messi seine Stärken fast gänzlich ausspielen, ein möglicher Schritt in die richtige Richtung?
Atlético stark und doch unterlegen
Atlético Madrid zeigte im Camp Nou erneut einige interessante Staffelungen gegen den Ball. Besonders in ihrem Offensivpressing gab es einige erwähnenswerte Aspekte hervorzuheben, die eigentlich nicht darauf schließen lassen, dass die Mannschaft derart schlechter als jene der Katalanen gewesen sei. Doch gelang es den Madrilenen nicht, den Ball in die Zonen zu bringen, wo sie ihr gnadenloses Raumverknappen hätten durchziehen können. Aber erst einmal alles der Reihe nach. Nachfolgend die Aufstellung der Madrilenen:
Das typische 4-4-2 Atléticos: Statt Miranda wurde Giménez in der Innenverteidigung eingesetzt und der noch unerfahrene Gámez wurde anstelle von Siqueira aufgestellt. Ansonsten gab es keine weiteren signifikanten Unterschiede zur Topelf der Madrilenen. Das Sturmduo Mandžukić und Griezmann wurde von Anfang an aufgestellt, Arda Turan und Koke flankierten die beiden Stürmer. Im Zentrum gab es mit Gabi und Tiago das altbewährte und erfahrene Sechser-Duo, wobei besonders Gabi seine Rolle wesentlich offensiver interpretierte, als Tiago.
In der ersten Hälfte bot Atlético ein 4-4-2 in der Defensivformation, allerdings mit interessanten Manndeckungen. Arda beziehungsweise Koke sollten dem ballnahen Spieler auf ihrer Seite bis in den Halbraum folgen, womit sich den Zuschauern ein 4-3-3 bot. Sollte der Ball nun auf die Außenpositionen gespielt werden, so rückte der Außenverteidiger auf. Das hatte zur Folge, dass sich die Defensivformation der Madrilenen zu einem 3-4-3 formierte.
Doch die bereits angesprochenen Verlagerungen der Katalanen auf die andere Seite machten es den Madrilenen sehr schwer Zugriff auf den Gegner zu erhalten. Vielmehr befanden sich die Spieler von Diego Simeone immer wieder in Bewegung, womit die Staffelungen, sowohl horizontal als auch vertikal, manchmal etwas unsauber wurden. Mit Verlauf der ersten Halbzeit begann Atlético sich in einem 4-1-4-1 zu positionieren, mit Tiago als alleinigem Sechser, der bei den Kombinationen der Katalanen auf dem Flügel, für eine größere Überzahl der Madrilenen hätte sorgen sollen.
Auch das Offensivpressing war höchst interessant zu beobachten. Es war grundsätzlich ein 4-2-3-1, in dem die Madrilenen pressten. Doch dieses war stark asymmetrisch, besonders im Sechser-Bereich. Während sich Tiago zentral positionierte, befand sich Gabi häufig in der Nähe des stark aufgerückten Jordi Albas, der im Spielaufbau oft deutlich höher stand als Dani Alves. Mandžukić hatte die Möglichkeit, Bekanntschaft mit Sergio Busquets zu machen; eine Beziehung, die sich im Verlauf des Spiels immer mehr intensivierte. Arda und Koke hielten sich in den Halbräumen auf und versperrten die Passwege auf die Achter, während Griezmann auf der zentralen Zehner-Position den Torhüter anlaufen und gegebenfalls einen Innenverteidiger decken sollte.
Das Problem, das Atlético des Öfteren besaß, war, dass sich abwechselnd immer wieder Neymar, Messi oder, wie in diesem Fall, Rakitić abkippen ließen und somit die offenen Räume ausnutzen konnten. Atlético konnte diesen Umstand während der ersten Hälfte kaum kontrollieren und hielt sich deswegen zunehmends in der eigenen Hälfte auf.
In der zweiten Hälfte bot Atlético ein anderes Bild, als zum Ende der ersten Hälfte. Das Pressing war nun wieder deutlich höher und auch anders strukturiert. In einem abwechselnden 4-4-2 mit Raute sowie einem situativen 4-3-3, wenn Koke oder Arda auf den Außenverteidiger pressten, versuchte man Barcelona den Schneid abzukaufen. Doch durch immer wiederkehrende kluge Abkippaktionen, womit stetig neue Verbindungen geschaffen wurden, konnte sich die Blaugrana mehrere Male erfolgreich befreien und Konterangriffe starten. Das Ergebnis war am Ende ein sehr gut ausgeführter Konter, der bei Lionel Messi seinen Abnehmer fand, und zum letztendlich verdienten 3:1-Erfolg führte.
Fazit
Der FC Barcelona gewann gegen ein starkes Atlético mit 3:1, letztendlich auch höchst verdient. War so etwas in der letzten Saison noch Wunschdenken, so sind es in diesem Spiel simple aber effiziente Strukturen und Verbindungen sowie die individuellen Qualitäten der Spieler in engen Situationen gewesen, die Atlético so gut wie keine Chance ließen. Besonders erwähnenswert sei das konstant hochqualitative Auftreten der Blaugrana über 90 Minuten, obgleich Atlético mit mehreren, teils brutalen Fouls den Spielfluss zu stören versuchte.
Atlético hingegen kann sich, bis auf die eigene Spielweise, nichts vorwerfen. Es waren durchaus kluge Pressing-Ansätze vorhanden, die allerdings nicht kompakt genug vollzogen werden konnten. Des Weiteren war man in den Mannorientierungen zu unflexibel, was mehrere Male Räume für die Katalanen öffnete. Zum Glück für Atlético wurden diese nicht bespielt, ansonsten wären gar noch mehr Chancen möglich gewesen. Wie dem auch sei, drei Punkte landeten auf dem Konto des FC Barcelona, der diesen Trend hoffentlich auch in den nächsten Wochen und Monaten fortsetzen kann. Mit nur mehr einem Punkt hinter Real Madrid – wobei diese ein Spiel weniger haben – ist in den nächsten 20 Liga-Wochen noch alles möglich.