Kommentar: Sind wir Culés von Real abhängig?

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Nach dem gestrigen Gastspiel Bayerns im Santiago Bernabéu bleibt mir als Culé ein bitterer Nachgeschmack, der nicht wirklich weichen will. Vermutlich geht es vielen anderen Anhängern Barças ebenso, wenn sie an Reals Finaleinzug denken. Dabei stellt sich die Frage, warum wir eigentlich derart vom Scheitern der Blancos abhängig sind. War unsere Saison nicht gut genug, um uns allein deswegen zu freuen?

FC Barcelonas dunkelste Stunde

Als die Blaugrana im Stadio Olimpico deklassiert wurden und an der Roma scheiterten, war die Trauer groß. Unser gesamtes System wurde hinterfragt und die Spielweise, welche Valverde am Anfang der Saison eingeführt hatte, als unwürdig befunden. Dass dies nicht vollkommen ohne Grund geschah, haben wir bereits in einem anderen Artikel erläutert, den ihr hier noch einmal findet. Aufgrund jenes Schmerzes will ich auch gar nicht lange über diese Niederlage reden, sondern vielmehr über die seltsamen Hoffnungen in den Tagen danach. Oder, besser gesagt, über die nicht vorhandenen Hoffnungen bis zum Rückspiel Real Madrids gegen Juventus Turin. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits mehr oder weniger feststand, dass Barça Meister war, und dass das Pokalfinale gegen Sevilla höchstwahrscheinlich auch zu unseren Gunsten ausgehen würde, konnte all dies die Lage nicht verbessern. Doch plötzlich, eines weiteren denkwürdigen Champions League-Abends, vergaßen wir Culés für etwa zwei Stunden unsere Trauer: Real Madrid lag gegen Juve im Rückstand.

Die verzweifelte Hoffnung

Als es von einem Moment auf den anderen möglich schien, dass unseren Erzrivalen dasselbe Schicksal ereilen könnte, füllte sich das blaurote Herz wieder mit Hoffnung. Dass uns ein Scheitern Real Madrids, dazu noch ein derart peinliches, natürlich auf gewisse Art und Weise erheitern würde, ist jedem klar. Doch wie kann es sein, dass wir fast bereit waren, Barças Versagen komplett zu vergessen, nur um uns daran zu laben, dass unser Erzrivale ebenfalls vorgeführt wurde? Denn dass wir uns darüber freuen, verstehe ich vollkommen, aber auch das lächerlichste Scheitern Reals kann unsere Saison nicht verändern. Es kam allerdings anders, der in Spanien als „König Europas“ gepriesene Hauptstadtklub kam durch zwielichtige Entscheidungen und eine gehörige Portion Glück in die nächste Runde.
Die Erwartungen schienen demnach enttäuscht worden zu sein, aber dennoch keimte bald ein weiterer Hoffnungsschimmer auf: Die Bayern könnten ja durchaus in der Lage sein, die Blancos aus dem Wettbewerb zu schießen. Und so fieberten wohl die meisten Culés, darunter auch ich, mit den Deutschen mit. Und Bayern enttäuschte spielerisch auch keineswegs die Erwartungen, aus einem unbekannten Grund wurde das Hinspiel aber verloren. Aufgrund der schwachen Vorstellung der Madrider konnte trotzdem auf ein Weiterkommen Bayerns gehofft werden. Das Rückspiel begann gut, die Hausherren kamen im Bernabéu absolut nicht in die Gänge, und ein Ausscheiden schien in der Luft zu liegen. Aber dann übersahen drei internationale, bestens ausgebildete Schiedsrichter einen klaren Elfmeter, Ulreich schenkte Real zum Spaß ein Tor, und mit viel Glück stand am Ende des Tages der selbsternannte „König“ im Finale. So fand man sich als Culé vor dem Fernseher wieder, auf das Resultat starrend, und stellte sich immer dieselbe Frage: Wie? Wie bloß…?

Muss Real das Finale verlieren?

Um allerdings nicht sogleich wieder alles pessimistisch zu sehen, erkennt man selbstverständlich den letztmöglichen Strohhalm, der sich einem bietet: Real könnte ja noch das Finale verlieren. Nun stehen wir vor der Wahl: Setzen wir zum wiederholten Male unsere Hoffnungen auf ein Scheitern der Blancos oder geben wir uns mit unserer eigenen, sehr guten Saison zufrieden?
Davon abgesehen, dass die Madrider wahrscheinlich das Finale gewinnen werden, habe ich persönlich keine Lust mehr, meine fußballerische Laune von unserem Erzrivalen abhängig zu machen. Wir alle haben gesehen, auf welche Weise Real ins Finale gekommen ist, und wir alle haben gesehen, dass es sicherlich keinen Grund gibt, darauf neidisch zu sein. Die Blaugrana haben die beste Liga der Welt souverän und bisher ungeschlagen gewonnen und dabei gezeigt, dass sie, nimmt man die Konstanz mit in die Rechnung, ohne Zweifel das beste Team der Welt in dieser Saison sind. Dazu gewann man auch noch die Copa del Rey im Vorbeigehen gegen Sevilla, auf eine Art und Weise, auf die jeder Culé stolz sein muss. Und wenn ich immer noch nicht überzeugt bin, denke ich an ein gewisses 3-0 im Bernabéu. Es gibt also genügend Gründe, einfach dankbar für diese Spielzeit zu sein und die gewonnenen Titel standesgemäß zu feiern. Und das Beste: Dazu brauche ich keine Neuigkeiten des Erzrivalen. In diesem Sinne: Bitte, gewinnt doch euer fragwürdiges Finale und preist euch als „Könige“! Das hält mich persönlich nicht davon ab, unsere Erfolge zu genießen! Visca el Barça!

Was sagt ihr dazu? Findet ihr es nicht auch unnötig, dass sich diese Saison schlechter anfühlen wird, wenn Real Madrid die Champions League gewinnt? Wozu diese Abhängigkeit?

Michael Weilch
Michael Weilch
Treuer Culé seit Beginn der Ära Messis und der festen Überzeugung, dass Barça "més que un club" ist. Hofft, dass sich die Blaugrana auf ihre historischen Wurzeln besinnt und gerade in heutigen Zeiten ein Leuchtbild für Demokratie und Chancengleichheit darstellt - der Grund, warum der FC Barcelona eben nicht "nur" ein Fußballverein ist. Motto: "Tots units fem força!"
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