Bildquelle: fcbarcelona.com
So außerordentlich der Saisonauftakt gegen UD Levante auch war, konnte der FC Barcelona die ‘Leichtigkeit des Seins’ nicht in die Supercopa gegen Atlético Madrid transportieren. Vielen Lesern dürfte nun wie mir die Frage auf der Zunge liege, wieso sich die Mannschaft gegen tief verteidigende Gegner derart schwer tut. Mit der Ankunft von ‘Tata’ Martino haben neue Gedanken, neue Ansätze in das Spiel der Katalanen Einzug gehalten. Eines scheint sich aber nicht ändern zu lassen: Gegen defensive konterstarke Gegner sind Probleme vorprogrammiert, die sowohl das Angriffsspiel als auch die Verteidigungshaltung betreffen.
Das Grundproblem
Ich für meinen Teil habe mich längst daran gewöhnt, dass sich die Mannschaft gegen Gegner von beachtlichem Kaliber und der oben genannten taktischen Ausrichtung schwer tut. Die Mittel der Spieler sind durch ihre naturgegebenen Eigenheiten limitiert. Die Katalanen sind ihren Gegnern zumeist physisch unterlegen und müssen sich ihnen in gewissen Disziplinen auf dem Feld geschlagen geben. Dafür haben sie andere Vorzüge. Technisch kann den Barca-Stars keiner das Wasser reichen, die Spielkultur ist unerreicht und das kollektive Verständnis einzigartig.
Um diese Stärken auszuspielen, bedarf es aber der Zeit und des Raumes. Die Verfügbarkeit von beidem ist begrenzt, wenn es gegen Gegner wie Atlético Madrid geht, die sich hinter einem 4-5-1 verschanzen und sehr tief stehen. Im letzten Spielfelddrittel kann der Gegner stets Überzahl herstellen, und wenn er dazu noch seine für gewöhnlich vorhandene physische Überlegenheit in die Waagschale wirft, wird es für die ‘Blauroten’ unangenehm.
Nachsicht für die Spielweise
Gegen Atlético probierten die Mannen von Martino viele Varianten, um offensiv zum Zug zu kommen. Schnelle Seitenverlagerungen gehörten ebenso zum gestrigen Offensivrepertoire wie hohe Bälle in die Spitze oder der Versuch, durch Kombinationen zum Erfolg zu kommen. Tormöglichkeiten waren im ersten Durchgang trotzdem Mangelware und auch in der zweiten Halbzeit kann man nicht von einem offensiven Feuerwerk sprechen. Unverkennbar war jedoch das Bemühen um eine Lösung, an Engagement mangelte es den Spielern nicht, weshalb ich es für verfehlt halte, ihnen etwas in dieser Hinsicht zu unterstellen.
Ich möchte die Mannschaft daher in Schutz nehmen und um Nachsicht bitten, wenn das Spiel gegen stärkere Mannschaften etwas zäh anmutet. Der Mangel an Offensivaktionen geht weniger von der Einfallslosigkeit des FC Barcelona, sondern vielmehr von der defensiven Haltung des Gegners aus, der den Katalanen von vornherein das Spielfeld überlässt und sich auf Konter beschränkt.
Drei Kritikpunkte
Gleichwohl gibt auch die gestrige Partie Anlass zu Kritik. In diesem Zusammenhang ist auf drei Punkte einzugehen:
- Ich möchte Xavi keinesfalls seine Klasse absprechen, aber gegen diese Art von Gegner sind seine spielerischen Antworten begrenzt. Martino möchte, dass seine zentralen Mittelfeldspieler hoch stehen und sich in offensiven Gefilden des Platzes aufhalten. Xavi allerdings braucht bedingt durch seine Spielweise viel Platz und Raum, um zur Entfaltung zu kommen. Dementsprechend unwohl fühlt sich Xavi, wenn er bedrängt wird und zieht sich in der Folge weiter zurück – und setzt den Plan des Trainers nicht um. Die Nichtberücksichtigung von Fàbregas könnte gestern die falsche Entscheidung gewesen sein. Ebenso wie Xavi gehört Fàbregas nicht zu den Schnellsten und benötigt seine Freiräume. Im Gegensatz zum Kapitän ist er aber ein Meister darin, sich auch unter Bedrängnis durch seine stetige Bewegung freie Räume zu suchen und im letzten Spielfelddrittel anspielbar zu bleiben. Fàbregas kann selbst gefährlich werden als auch durch die Bindung von Gegenspielern gute Situationen für seine Mitspieler heraufbeschwören. Gegen tiefstehende Gegner ist Cesc darum die bessere Wahl.
- Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Präzision des Zusammenspiels. Wenn die Räume eng sind und die Zeit knapp, ist eine hohe Genauigkeiten beim Zusammenspiel und Abspiel unabdingbar. Im Hinspiel der Supercopa gab es zu viele Abspielfehler und Unstimmigkeiten im Zusammenspiel. Die Aussage von Mascherano, dass das Spielfeld eine Mitschuld an dem konkreten Spielverlauf trage – es sei trocken und langsam gewesen – fruchtet meiner Einschätzung nach nicht. Die Mannschaft muss in der Lage sein, sich an die Gegebenheiten anzupassen und auch auswärts ihr Leistungsoptimum erreichen. Fehler in diesem Umfang können nicht mit dem Verweis auf suboptimale Platzverhältnisse einfach weggeredet werden. Das entspricht nicht meiner Vorstellung von einer professionellen Arbeitsweise.
- Der dritte und letzte Kritikpunkt richtet sich an die Form des Gegenpressings. Während das gewöhnliche Angriffspressing planbar ist und man ein gewisses vorgeplantes Muster herunterspulen kann, ist das Gegenpressing nach Ballverlust in der Offensivbewegung nur schwer der Planung zugänglich. Entsprechend kommt es maßgebend auf die Intelligenz der Spieler an. Sie müssen das Spielgeschehen korrekt erfassen und ihre Handlungen hierauf ausrichten. Gegen Atlético konnte der FC Barcelona den Ball häufig nach Gegenpressing zurückerobern, zum Teil wirkte das Vorgehen aber sehr diffus und wenig ausgewogen. Auch wenn das Gegenpressing weniger der Planbarkeit unterworfen ist, müssen gewisse Grundregeln vorherrschen, damit das Risiko nicht überproportional ansteigt. Zum Teil hatte man den Eindruck, dass die Spieler beim Gegenpressing etwas unentschlossen agieren und erst mit Verzögerung die Sachlage überblicken.
Dass das gewöhnliche Pressing des FC Barcelona am gestrigen Tag nicht so stark ausgeprägt und zuweilen auch nicht vorhanden war, ist nicht zu beanstanden. ‘Tata’ Martino hatte gute Gründe, es zu mäßigen.
Trotz der genannten Kritikpunkte muss man sich in solchen Spielen darauf einstellen, das nicht alles reibungslos verläuft. Das soll aber nicht bedeuten, dass die von uns unterstützte Mannschaft nicht in der Lage ist, diese Spiele zu gewinnen – der beste Beweis ist die gestrige Partie. Ich appelliere aber dafür, von der Mannschaft nicht immer Glanztaten zu erwarten, sondern sich auch mal mit einem Unentschieden zufriedenzugeben. Vor einigen Jahren hätte der FC Barcelona mit dieser Mannschaft alles in Grund und Boden gespielt, aber die Zeiten ändern sich. Die Gegner werden besser, passen ihre Spielweise an und wissen ganz genau, wo ihre Chancen gegen den FC Barcelona liegen.