Kommentar: Barças Kryptonit

StartKommentareKommentar: Barças Kryptonit
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Bildquelle: fcbarcelona.com

In der Auseinandersetzung um die begehrten Plätze im Champions League-Viertelfinale galt der FC Barcelona im Verhältnis zu den Mailändern als klarer Favorit. Kaum einer hätte für möglich gehalten, dass die der Leitung von Jordi Roura unterstehende Mannschaft in Italien derart unter die Räder gerät. Mit einer Hypothek von zwei Toren erwartet die Spieler im Camp Nou eine Herkulesaufgabe, nur mit wundersamer Unterstützung können die Hausherren das dem Anschein nach unumgängliche Schicksal abwenden, das sie alsbald zu ereilen sucht. Einen Tag nach dem schmerzhaften Ereignis kreisen viele Fragen um die Hintergründe des Scheiterns. Es sollen die Leidenschaft, die Hingabe sowie der unbedingte Siegeswille gefehlt haben. Ein anderer theoretischer Ansatz rügt die fehlenden bzw. mangelnden taktischen Anpassungen an die Spielart des Gegners. Auch die Abwesenheit von Trainer Tito Vilanova soll der Form der Mannschaft nicht zuträglich gewesen sein. Ich halte darüber hinaus noch eine vierte Erklärungsvariante für möglich.

Richtige Einstellung vorhanden

In einer Champions League-Achtelfinalpartie von Schwierigkeiten mit der Motivation zu sprechen und der Mannschaft damit ihren Willen abzuerkennen, alles aus sich herauszuholen, bedarf angesichts der Bedeutung dieses Wettbewerbs und dem Ruf, den er bei den Spielern genießt, einer qualifizierten Begründung. Es handelt sich hierbei um nicht weniger als die WM bzw. EM auf Klubebene, es ist der höchste Thron, den eine europäische Mannschaft besteigen kann. Die Körpersprache der Barça-Spieler kommunizierte nicht immer die größtmögliche Aufopferungsbereitschaft, zugestanden. Entscheidend ist allerdings, dass zu Beginn durchaus Ambitionen vorhanden waren und diese erst im Laufe der Partie schleichend abgeklungen sind, bis sich in der zweiten Halbzeit auch die letzten hoffnungsfrohen Spielerseelen dem vorpreschenden Gefühl der Resignation ergeben haben.

Der AC Milan hatte den FC Barcelona an dem Punkt, an dem sie ihn haben wollten; antriebslos, uninspiriert und ihrer spielerischen Brillanz entkleidet. Gegen das defensiv interpretierte 4-3-3, bei dem die Flügelspieler diszipliniert Verbindlichkeiten in der Defensive nachkamen und so einen 4-5-Riegel begründeten, hatten die Gäste aus Katalonien massive Schwierigkeiten. Es kommt selten vor, dass das Starensembel um Xavi keine ernstzunehmende Tormöglichkeit für sich verbuchen kann. Im Gegenzug eröffneten sich den defensiven Mailändern bei Kontern Räume, die ihnen sowohl in der ersten als auch in der zweiten Halbzeit zu – wenigen – guten Chancen gereichten. Mehr wollten sie aber auch nicht. Die 4-5-Anordnung sollte sicherstellen, dass die Gäste sich nicht an einem wichtigen Auswärtstor erfreuen dürfen. Bereits kurz nach der Mittellinie wurden die Akteure des FC Barcelona herzlichst in Empfang genommen und unter Druck gesetzt. Damit war der Weg zum gegnerischen Tor nicht ganz so weit. Hinzu kommt, dass die Außenspieler mit einer sehr guten Antizipation aufwarteten und zeitig herausrückten, wenn ein baldiger Ballgewinn ihrer Mannschaft zu erwarten stand. Mit dieser Vorgehensweise sollten die Qualitäten des Gegners gekontert werden – und das gelang ihnen vorzüglich.

Taktische Anpassungen – aber welche?

Wie aber hätte die Mannschaft von Interimstrainer Jordi Roura auf diese Gegebenheiten reagieren können? Erfolgreich wurden die Spieler vom Tor des Gegners ferngehalten und ihrer Offensivkraft beraubt. Wo auch immer die Spieler zu einer Kombination ansetzten, sie waren stets in der Unterzahl auf einem eng umgrenzten Raum. An diesem Umstand hätten auch Wechsel nichts ändern können, vorausgesetzt, man würde die Formation beibehalten, was aufgrund des mit einer Systemänderung erhöhten Risikos unterstellt wird. Es hätte versucht werden können, das Spiel zu beschleunigen und das Risiko in der Interaktion zu erhöhen, was aber mit mehr Ballverlusten einhergegangen wäre und in Widerspruch zu dem Barça-Prinzip stehen würde, über einen hohen Ballbesitz zum Erfolg zu kommen. Eine weitere mögliche Anpassung betrifft das Aufgebot von Alexis Sánchez anstelle von Cesc Fàbregas. Verhältnismäßig spät wurde Alexis für den Mittelfeldspieler in die Partie gebracht, wodurch sich Iniesta vollkommen dem Aufbauspiel widmen konnte – ein Kritikpunkt für viele. Denn im letzten Spielfelddrittel mangelte es den Katalanen an Breite, so die Argumentation. Ich habe allerdings Zweifel, ob Breite im letzten Spielfelddrittel tatsächlich der Aspekt ist, der dem Spiel des FC Barcelona unbedingt zugeführt werden musste. Die Fünferkette des AC Milan deckte einen erheblichen Teil der Spielfeldbreite ab. Die Viererabwehrkette stand, wie von unserem Autor Felix in seiner Pre-Analyse zum Spiel angemerkt, relativ geweitet. Damit waren die Wege hin zu den gegnerischen Außenspielern sehr kurz, Überzahlsituationen konnten schnell hergestellt werden. Unabhängig davon wird verkannt, dass das Spiel des FC Barcelona kaum im letzten Spielfelddrittel stattfand, sondern die Probleme bereits früher offenbar wurden. 

Möglichkeiten von Barça limitiert

Guter Rat ist in solchen Situationen teuer. Die Einstellung der Spieler war demnach nicht für die Niederlage verantwortlich und auch die hypothetischen und faktischen Veränderungen hätten bzw. haben nicht gefruchtet. Ich möchte zu der allgemeinen Diskussion noch eine weitere These einstreuen, die in einem engen Zusammenhang mit der Forderung nach taktischen Anpassungen steht. Mit einer destruktiven Strategie kann eine Mannschaft aus der Primera División den FC Barcelona nur in den seltensten Fällen aufhalten. Die Spieler verfügen nicht über die Qualität, um 90 Minuten lang alle Schlupflöcher abzudichten. Wenn allerdings eine Mannschaft wie der AC Milan, gespickt mit hochklassigen Akteuren, sich zu solch einem Ansatz hinreißen lässt, wird es ernst für die Katalanen, insbesondere dann, wenn sich dieses Spektakel in der Ferne abspielt. Mit ihrem auf Ballbesitz bedachten Kombinationsfußball stoßen die Spieler an ihre Grenzen, ein Ausloten von Lücken entpuppt sich als eine zeitverschwendende Maßnahme. Die Spieler müssten mehr Risiko gehen, was allerdings gänzlich gegen ihren systemimmanenten Instinkt geht, der das Risiko scheut und erst dann eine Lösung anstrebt, wenn die Lage günstig ist. Das typische Hin- und Hergeschiebe des Balles ist eine Begleiterscheinung der nicht vorhandenen Möglichkeiten, gegen gut verteidigende Mannschaften, die den Raum hervorragend verengen, anzukommen.

Die Spieler des FC Barcelona sind abhängig von einem gepflegten Passspiel. Wenn sich eine Mannschaft vom Kaliber eines AC Milan dazu entschließt, restriktiv vorzugehen und bei der Umsetzung dieser Spielart die Vollkommenheit des Hinspiels an den Tag legt, entwickelt sich das Spiel zu einem zähen Unterfangen für die Blauroten. Die taktischen Anpassungsmöglichkeiten des Teams sind angesichts einer ganzen Spielphilosophie, die der Verein verfolgt, limitiert. 4-3-3-System, Tiki Taka, Ballbesitz, Technik – all das sind die Zutaten des katalanischen Spiels, sorgsam ausgewählte Zutaten, die dem Verein zahlreiche Erfolge beschert haben. Die Spieler sind daran angepasst; technisch versiert, taktisch geschult, passsicher, kombinationssicher. In diesem vorgegebenen Rahmen eine passende Antwort auf die Spielweise von Milan und dessen außerordentliche Umsetzung zu finden, ist nicht leicht. Ein 0-0 wäre ein gutes Ergebnis, aber es lief wesentlich unglücklicher. Im Camp Nou wird der AC Milan nicht noch einmal mit eine solch brillante Vorstellung darbieten können, es werden sich mehr Lücken in ihrem Verbund auftun. Ob es der Heimmannschaft allerdings gelingt, zwei oder gar drei Tore zu erzielen, ist höchst fraglich.

Eure Meinung: Was war der Grund für die klare Niederlage des FC Barcelona?

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