El Clásico: Tito Vilanova gegen José Mourinho

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Bildquelle: kicker.de

Alle Augen werden morgen am späten Abend gebannt auf das Spielfeld gerichtet sein. Sie werden erkunden, welche Mannschaft das schönere und effizientere Spiel darbieten kann, welche Spieler sich in den Vordergund spielen und welchen Verlauf das nicht existente Privatduell zwischen Lionel Messi und Cristiano Ronaldo nimmt. Wenn das Spiel um 22:30 Uhr seinen Anfang nimmt, werden die Entscheidungen über Sieg und Niederlage aber bereits im großen Umfang getroffen sein. Tito Vilanova und José Mourinho tüfteln mit Gewissheit nicht erst seit dieser Woche daran, wie sie ihre Mannschaft gegen den größten Konkurrenten auftreten lassen wollen. Für den Trainer des FC Barcelona ist das Spiel gegen die Königlichen nicht weniger als eine Feuertaufe, bei der er die Spielart des Gegners und diejenige seiner Mannschaft in Einklang bringen und seinem Team damit zum größtmöglichen Erfolg verhelfen muss. Kein leichtes Unterfangen, handelt es sich bei Mourinho doch um den vermeintlich besten Taktiker der Fußballwelt.

“Wir wollten den Ball nicht haben, weil wir unsere Grundordnung verlieren, wenn Barcelona presst und den Ball zurückgewinnt – Da ich niemals die Grundordnung auf dem Platz verlieren will, wollte ich nicht, dass wir den Ball haben. Wir haben ihn weggegeben.” Mit diesen Worten kommentierte und rechtfertigte Mourinho das Auftreten seiner Mailänder im Halbfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Barcelona im Jahre 2010. Diese Worte zeugen von einem sehr tiefen taktischen Verständnis und der Kenntnis der Erfolgsmechanismen im Fußball. Zweifellos droht den Katalanen in Gestalt von Mourinho die größte Gefahr im morgigen Supercup. MIt Ausnahme seines ersten Clásico, in dem Real Madrid sensationell mit 5:0 unterlag, war seine Mannschaft stets in der Lage, dem FC Barcelona gefährlich zu werden. Mit immer neuen Taktikvariationen wusste er stets zu überraschen und verschaffte seinem Team damit einen Vorteil auf dem Platz. Die Frage, ob Madrid diesmal mit einem starken Offensivpressing, einem Mittelfeldpressing oder einer abwartenden konterbetonten Spielweise aufwarten wird, stellt für Tito Vilanova ein nicht kalkulierbares Risiko dar.

Am meisten Sorgen dürfte Vilanova das Angriffspressing von Real Madrid bereiten, mit dem sie in der Vergangenheit am erfolgreichsten waren. Durch das hohe Pressing konnten sie viele Ballgewinne in für den FC Barcelona gefährlichen Regionen generieren und sich zahlreiche Torchancen herauszuspielen, die nur durch Zufall nicht zu mehr Toren geführt haben. Besonders gefährlich stellt sich das Offensivpressing für die Blaugrana deshalb dar, weil sie stets darum bemüht sind, einen Spielaufbau aus der Abwehr heraus zu gewährleisten und sich aus der Gefahrenzone herauszukombinieren. Hohe Flankenbälle auf die Stürmer widersprichen dem Wesen der Mannschaft dürften angesichts der naturgemäßgen Kopfballschwäche der katalanischen Spieler kaum Aussicht auf Erfolg haben. Insofern trifft Mourinho mit einem Angriffspressing die Achillesferse von Vilanovas Mannschaft. Auch die sonstigen Ideen von Mourinho vermochten immer Gefahr auszustrahlen, wenngleich sie nicht an der Gefahrenpotenzial eines permanenten Angriffspressings heranreichten.

Tito Vilanova steht damit eine schwere Aufgabe bevor. Hoffnung dürften ihm die Auftritte des FC Barcelona in der Vergangenheit machen, bei denen die Spieler sich auch immer zahlreiche Torchancen erspielen und Tore erzielen konnten. Das Erspielen solcher Torchancen ist jedoch für sich genommen noch keine hinreichende Bedingung für einen Erfolg, was das letzte Clásico in schmerzlicher Art und Weise verdeutlicht hat. Spiele gegen Real Madrid sind immer ein Balanceakt und geben dem Trainer keinen Spielraum für Fehler. Vilanova muss Strategien entwickeln, wie sich seine Mannschaft verhalten soll, wenn Real Madrid tatsächlich zum Angriffspressing ansetzt, wie die Spieler agieren müssen, wenn sich Real Madrid zurückzieht und auf Konter wartet und schließlich auf die Frage eines harten Mittelfeldpressings eine Antwort parat haben, damit seine Spieler auf dem Feld stets die richtigen Entscheidungen treffen – und das alles unter Wahrung der spielerischen Identität der Mannschaft.

Als Trainer des FC Barcelona hat man es freilich nicht leicht. Tito Vilanova ist allerdings der Spagat zwischen der Identitätswahrung seiner Mannschaft einerseits und der Hemmung des madrilenischen Spiels andererseits durchaus zuzutrauen. Bereits zu Zeiten von Pep Guardiola war Vilanova stark in die taktischen und personellen Entscheidungen eingebunden und ist der Urheber der 3-4-3. Das morgige Spiel leitet ihren Reiz vor allem aus dem Umstand ab, dass Tito Vilanova morgen zum ersten Mal in einem Clásico die volle Verantwortung trägt und die Letztentscheidungsbefugnis hat. Wenn Vilanova tatsächlich in dem Maße Einfluss auf die Entscheidungen von Guardiola hatte, wie häufig in den Medien zu lesen war und letzterer damit einen großen Wert auf die Meinung seines Assistenztrainers legte, dann kann man bei Vilanova eine Erwartungshaltung anlegen, die weit über eine bloße Arbeitskontinuität hinausgeht. Morgen wird uns Vilanova zum ersten Mal sein wahres Trainergesicht zeigen und uns die Frage beantworten, ob mit ihm als Trainer zu rechnen ist. Freuen wir uns auf den morgigen Tag.

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