Mit dem Sieg im Pokalfinale am vergangenen Samstag ging die Ära von Luis Enrique endgültig zu Ende. In diesen drei Jahren haben wir Culés viel erlebt. Wir hatten viele Titel zu feiern, aber auch viele frustrierende Auftritte anzusehen, die einen zweifeln ließen. Insgesamt kann man sagen, dass Lucho zwar erfolgreich war, dieser Erfolg aber nicht auf Nachhaltigkeit, sondern auf Formstärke und individueller Klasse beruhte. Lucho konnte, wenn man so will, in ziemlich kurzer Zeit einen Scherbenhaufen, der nach der Amtszeit von „Tata“ Martino zweifelsohne da war (wenn gleich es falsch wäre, die Schuld alleine bei Tata zu suchen), zusammenkleben. Nur sind allen voran Lionel Messi, aber auch Luis Suárez und Neymar Jr. eben ziemlich gutes Klebeband. Schlussendlich werden die Fragen nach der größe des Anteils von Lucho an Barças Erfolg wohl immer bleiben, ebenso wie einige andere. Egal, wie groß der Anteil nun ist, und ich maße mir auch gar nicht an, ein Urteil darüber abzugeben, bin ich Luis Enrique dankbar für seine Arbeit in den letzten drei Jahren. Danke Luis Enrique und alles Gute!
Zu den vorher angesprochenen Fragen, die verbleiben. Diese lauten unter anderem: Wie geht es, mit 0:4 in Paris unterzugehen und dann mit einem 6:1 zurück zu kommen? Aber vor allem, wie geht es, nach solch einem heroischen Erfolg, in der nächsten Runde wieder mit 0:3 unterzugehen? Wieso kann man sich gegen Madrid in der Nachspielzeit zurück kämpfen, schafft es aber in 120 Minuten gegen Málaga nicht, ein einziges Tor zu erzielen? Welche taktische Marschroute war eigentlich in den drei Jahren vorgegeben und haben sich die Spieler daran gehalten? Gab es sie überhaupt? Schlussendlich werden diese Fragen wohl nie wirklich beantwortet werden können. Auch so manche Erwartung, die mit Luis Enrique als neuem Trainer einherging, konnte nicht erfüllt werden.
Am Ende stehen für Luis Enrique neun Titel zu Buche. Die Statistik ist jedoch etwas ambivalent. Schließlich konnte man im ersten Jahr zwar mit einer überragenden Rückrunde die Champions League gewinnen, schied aber in den beiden Folgejahren sang- und klanglos im Viertelfinale aus. Die Guardiola-Vergleiche hinken also. Dieser gewann die Champions League zweimal und schied in den anderen beiden Jahren mit sehr viel Pech im Halbfinale aus. Barça war damals jedoch in jedem Spiel das bessere Team. Doch muss auch gesagt werden, dass die Guardiola-Vergleiche sowieso immer unfair sind. Ernesto Valverde wird sich diesen wohl auch stellen müssen, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit am heutigen Montag als neuer Trainer präsentiert wird. Und um ehrlich zu sein, kann man solche Vergleiche auf der einen Seite wegen der Qualitäten Guardiolas, aber auf der anderen Seite auch wegen den Umständen, nur verlieren.
Pep fand eine blutjunge Mannschaft vor bzw. baute sie zu dieser um, indem er sich von gestandenen, ehemaligen Starspielern trennte. In seinen vier Jahren gewann er alles – mehrmals. Danach folgte ein schweres Jahr unter Tito, in dem eine überragende Meisterschaft gewonnen wurde, Fassaden aber durch gewisse Personalentscheidungen und vor allem durch die lange Abwesenheit Titos zu bröckeln begannen. Tata Martino musste kurzfristig nach Titos Rückfall übernehmen und wurde ein Opfer der Umstände. Als guter Taktiker strebte er zwar gewisse Änderungen an. Wenn man jedoch gleichzeitig als ein eher ungeschriebenes Blatt kommt und nicht den gewünschten Rückhalt erfährt, kann man eigentlich nur verlieren.
Luis Enrique hat mit seinem Amtsantritt die Scherben dieser Mannschaft dann übernommen und es wirkte immer so, als wären sie hastig zusammen geflickt worden. Ein konsequenter Umbruch war höchstens anfänglich zu erkennen, dennoch wurde auch damals auf Grund der vielen Rotationen nicht der beste Fußball gespielt. Diese Rotationen zogen sich wie ein roter Faden durch die Amtszeit von Enrique, einzig der Sturm war davon ausgenommen. Das Ergebnis? Messi, Suárez und Neymar dominierten über weite Strecken alles, sahen sich aber immer damit konfrontiert, vor einem zusammengewürfelten Mittelfeld zu spielen. Messi musste sich die Bälle oft selbst abholen und wenn man die drei zustellte, wurde es für Barça schwierig. Das Mittelfeld wurde immer schwächer und Barça immer abhängiger vom Sturm-Trio. Ob das so forciert wurde, ist anzuzweifeln. Insgesamt stellt sich nach dieser Saison auch die Frage, ob es in Zukunft Sinn macht, alle drei Spieler ganz vorne zu positionieren. Messi hat in diesem Jahr angedeutet, dass er bereit für das Mittelfeld ist, allerdings braucht es dazu ein Mittelfeld in anderer Form. Es ist zweifelhaft, ob Iniesta über das nächste Jahr hinaus bei Barça bleibt. Doch was macht man dann ohne ihn? Im Prinzip wäre es eine Option, das Mittelfeld neu zu strukturieren und hinter Messi neben Busquets einen zweiten defensiven, aber spielstarken Akteur zu stellen. Verratti, Weigl und Co. wären allesamt prädestiniert dafür, sind aber entweder teuer, verletzt oder gar unverkäuflich. Eine Kompromisslösung wird hier wieder nicht viel bringen und Barça vor weitere Probleme stellen. Doch was hat Valverde vor? Sieht er Messi überhaupt als Mittelfeldspieler? Sieht er Barça eher mit Vierer- oder mit Dreierkette?
Man kann noch nicht sagen, was die Zukunft bringt. Sie sieht in jedem Fall etwas dunkler aus, als es nach Pep der Fall war. In diesem Sommer stehen wichtige Entscheidungen an und man darf zurecht daran zweifeln, ob diese gut getroffen werden.
Luis Enrique kann das in jedem Fall entspannter sehen. Er wird seine Zeit nun nicht mehr vor der Taktiktafel, sondern eher am Strand oder auf dem Fahrrad verbringen. Viel Spaß und alles Gute dabei! Auf ein baldiges Wiedersehen im Camp Nou!