Mit Jérémy Mathieu und Thomas Vermaelen holte der FC Barcelona in diesem Transfersommer zwei neue Innenverteidiger. Auch wenn Vermaelen verletzungsbedingt die gesamte Spielzeit verpassen wird, herrscht ein reger Konkurrenzkampf um einen Platz in der Innenverteidigung. Für ein Eigenbaugewächs ist es aber ganz schwierig, sich in Szene zu setzen: Marc Bartra.
Nach der letzten Saison war vielen Culés klar: Marc Bartra habe das Zeug zum Stammspieler und muss nun unbedingt gefördert werden und auch in den großen Spielen zum Zug kommen. Der Innenverteidiger habe bewiesen, dass er ein sehr guter Spieler sei, dem es nur noch an Routine fehle. Der 23-Jährige sei reif für einen Startplatz und müsse vom neuen Trainer Luis Enrique das Vertrauen zugesprochen bekommen. Über die Transfers von Jérémy Mathieu und Thomas Vermaelen freuten sich die Barça-Anhänger zwar, aber eine Frage stellte man sich: Was passiert mit Bartra? Auch wenn Vermaelen die gesamte Saison verpassen wird, mit Gerard Piqué, Jérémy Mathieu und auch Javier Mascherano hat Bartra drei ernsthafte Konkurrenten um einen Platz in der ersten Elf. Keine leichte Situation für den jungen Verteidiger. Mittlerweile sind nun 13 Spieltage in der Liga und 5 in der Champions League gespielt und man kann ernüchternd bilanzieren, dass sich an der Situation von Bartra kaum etwas geändert hat. Unten sehen wir eine Tabelle mit den Startelfeinsätzen der vier Innenverteidiger, sowohl in der Liga als auch in der Champions League. Zwar agierte Mascherano insgesamt viermal auf der Position im defensiven Mittelfeld und Mathieu zweimal als Linksverteidiger, doch das spielt keine große Rolle. Eine viel größere Rolle spielt, wem Luis Enrique generell öfter das Vertrauen schenkt.
Startelfeinsätze La Liga | Startelfeinsätze Champions League | Gesamt | |
Javier Mascherano | 9 | 4 | 13 |
Gerard Piqué | 7 | 3 | 10 |
Jérémy Mathieu | 11 | 1 | 12 |
Marc Bartra | 3 | 4 | 7 |
An dieser Statistik kann man deutlich erkennen, dass Bartra in der Rangordnung eindeutig auf Rang 4 liegt. Daran ändert auch die Tatsache, häufig in der Champions League gespielt zu haben, erstmal nichts, denn in den zwei Spielen gegen Nikosia und Ajax hat Enrique rotiert und nicht auf seine beste Elf gesetzt. Im wichtigen Spiel in Paris hingegen war Bartra gar nicht im Kader. Dies war ein deutlich größeres Zeichen als die vier Einstätze gegen Ajax und Nikosia. Noch immer drückt der Spanier in den sogenannten ‘Big Games’ die Bank. Sowohl gegen Real Madrid, Paris St. Germain als auch in Valencia war es überhaupt kein Thema, an Bartra in der Startaufstellung zu denken. Aber warum? Warum schafft es der Innenverteidiger nicht, sich einen Platz in der ersten Elf zu sichern? Bartra besticht auch in dieser Saison wieder durch konstantes und sauberes Spiel. Fehler sieht man im Spiel des 1,83m großen Innenverteidigers nur ganz selten. Die Tacklings werden elegant und vor allem sauber ausgeführt. Bartra hat es in La Liga in 341 gespielten Minuten geschafft, ohne ein einziges Foul auszukommen. Eine schlichtweg unglaubliche Statistik. Auch in der Champions League begeht Bartra nur 0,3 Foulspiele pro Spiel.
Nach dem Länderspiel der Spanier gegen Deutschland fragte sich wohl jeder Zuschauer, warum Bartra bei Barça hauptsächlich auf der Bank sitzt. Zur Pause eingewechselt, nahm er den sich in Topform befindenden Mario Götze komplett aus dem Spiel und gewann nahezu jeden Zweikampf gegen diesen. Des Weiteren bestach er durch wunderschöne Diagonalbälle, die immer den Weg zum Mitspieler fanden. Bei Barça hatte Bartra, zugegeben, noch keine überragende Partien, doch einerseits ist es sehr schwierig, als Innenverteidiger gegen Teams aus dem unteren Tabellendrittel zu brillieren, und andererseits ließ er sich nie etwas zu Schulden kommen. Bartra ist ein Spieler, der all seine Kraft in den Verein steckt und mit Herz und Seele dabei ist. Man erinnere sich an das Führungstor von Lionel Messi in Amsterdam, dass Bartra durch seinen Kampfgeist vorbereitet hatte.
Doch nun stellt sich wieder einmal die Frage: Warum darf Bartra nicht ran? Als Außenstehender kann man diese Frage nicht mit absoluter Gewissheit beantworten, aber eines muss man auf jeden Fall festhalten: Seine Konkurrenten agieren allesamt auf Topniveau. In den letzten Jahren war die Innenverteidiger-Frage die wohl meistdiskutierteste bei den Culés. Die Klasse reiche nicht aus und man habe auf dieser Position kein Weltklasse-Niveau – das waren die gängigsten Aussagen. Doch stimmt das jetzt noch? Nein. Marc Bartra hat Konkurrenten, die man nicht so leicht aus der ersten Elf verdrängen kann.
Konkurrenten, die sich sehen lassen können
Gerard Piqué hat von Enrique nach schwachem Start eine Denkpause erhalten, in den letzten Spielen hat er aber wieder gezeigt, welch großes Potential doch in ihm steckt. Ein Piqué in Topform ist der wohl beste Innenverteidiger bei Barça. Sowohl sein Zweikampfverhalten als auch seine Bälle sind erste Sahne. An Javier Mascherano gibt es, egal auf welcher Position, kein Vorbeikommen. Der Argentinier kam nach einer starken Weltmeisterschaft in Topform nach Katalonien und konnte diese bis heute konservieren. Seine einzige Schwäche ist seine Größe mit 1,74m. Ansonsten ist er ein extrem starker Innenverteidiger, an dem momentan nicht zu rütteln ist. Egal, ob in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld, ein Platz in der Anfangsformation ist fest gebucht (außer natürlich bei Rotation oder Schonung). Und dann gibt es noch Jérémy Mathieu, der seit seinem Wechsel von Valencia die Kritiker eines Besseren belehrt hat und stark spielt. Viele sehen ihn sogar als den konstantesten Innenverteidiger an. Mit seiner Physis und Schnelligkeit kann er dem Spiel von Barça ungemein helfen.
Dass Barça bislang nur sechs Gegentreffer erhalten hat, ist kein Zufall. Natürlich hätten es bei etwas weniger Glück schon mehr sein können, nichtsdestotrotz stellt man die beste Defensive der Liga und das ist auch der Verdienst der Innenverteidiger. Die gesamte Mannschaft lässt defensiv nicht mehr so viel zu wie in den letzten Jahren, die Innenverteidigung ist jedoch besonders hervorzuheben. Doch auch nicht alles, was glänzt, ist Gold: In den Spielen gegen Paris St. Germain und Real Madrid erhielt man jeweils drei Gegentreffer. Die Schuldigen waren zwar nicht immer die Innenverteidiger – man erinnere sich nur an die Darbietung der Außenverteidiger im Spiel in Paris oder daran, wie Barças Mittelfeld in Madrid überlaufen wurde. Doch auch Javier Mascherano in Paris und Gerard Piqué in Madrid schauten bei einem Gegentor nicht glücklich aus.
Was spricht also dagegen, es einmal mit Bartra zu versuchen? Aus ihm kann noch ein absoluter Weltklasse-Verteidiger werden, wenn man nur auf ihn setzt. Luis Enrique hat in dieser Saison schon sehr viel ausprobiert und experimentiert, auch in Topspielen. In Valencia hat er Busquets und Mascherano gemeinsam im Mittelfeld auflaufen lassen, in Madrid wurde Mathieu als Linksverteidiger aufgeboten. Warum also wird Bartra immer außen vor gelassen bei großen Spielen?
Nachfolgend einige interessante statistische Werte zu den Innenverteidigern (Quelle: whoscored.com). Hierbei wird der Durchschnitt (sowohl in der Liga als auch in der Champions League) aus jedem Spiel berechnet. Natürlich sind Statistiken bei weitem nicht alles, aber auch hier sieht man, dass Bartra mit seinen Konkurrenten auf Augenhöhe ist.
Tacklings | Interceptions | Clearances | Fouls | Passquote | |
Javier Mascherano | 3,2 | 2 | 1,3 | 0.5 | 92,2% |
Gerard Piqué | 1,1 | 1,9 | 4,3 | 0,9 | 91,8% |
Jérémy Mathieu | 1,4 | 2,8 | 4,5 | 0,7 | 90,4% |
Marc Bartra | 1,9 | 1,7 | 3,1 | 0,3 | 91% |
Droht eventuell sogar der Abschied?
Zusammenfassend kann man sagen, dass Marc Bartra mit seiner Situation nicht zufrieden sein kann. Momentan ist er Innenverteidiger Nummer 4 und wenn Luis Enrique weiterhin so verfährt wie bislang, wird sich daran auch nichts ändern. Momentan scheint es so, als könnten Bartra nur Verletzungen oder Sperren anderer Spieler helfen, um auch in großen Spielen eingesetzt zu werden. Für einen Spieler wie ihn kann das allerdings nicht der Wunsch sein. Ganz nüchtern betrachtet schaut die Zukunft des Innenverteidigers nicht rosig aus: Durch die Transfersperre im nächsten Sommer scheint es überaus unwahrscheinlich, dass auch nur einer seiner Konkurrenten den Verein verlässt. Dazu kommt die für den Sommer geplante Rückkehr von Thomas Vermaelen. Wann soll es Bartra also zum Stammspieler schaffen? Die Qualität dazu ist da, von daher sollte es eigentlich nur eine Frage der Zeit sein – oder doch nicht? Bartra ist ein Spieler, der Barça liebt und dem Verein nicht so schnell den Rücken zuwenden wird. Doch auch er wird seine Situation mit Sicherheit überdenken. Wenn nicht schnell etwas geändert wird, dann sieht die Zukunft von Bartra im Dress der Blaugrana eher düster aus.