Lionel Messi: Ein Phänomen

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Bildquelle: fcbarcelona.com

Alle haben die Luft angehalten, als Messi sich nicht sofort vom Boden erhob und den Fans signalisierte, dass alles in Ordnung sei. Seine schmerzverzerrte Mimik trug nicht gerade zur Deeskalation der inneren Gefühlswelt bei und als der kleine Argentinier schließlich mit einem Wagen abtransportiert wurde, brach für viele eine kleine Welt zusammen. Lange Zeit trotzte Lionel Messi allen möglichen regelwidrigen Tacklings und rüden Verhaltensweisen seiner Gegenspieler, es schien, als sei er durch nichts und niemanden aufzuhalten. Er wurde zum Stehaufmännchen der Liga, der auch die übelsten Fouls wie Schnee auf seinem Haupt abschüttelte und den Blick nach vorne richtete. Seine Unanfälligkeit für Verletzungen und seine Nehmerqualitäten sind aber keineswegs naturgegeben. Noch vor einigen Jahren quälte sich La Pulga von einer Verletzung zur anderen und es stand zu befürchten, dass er an diesen Verletzungen scheitern, dass er sich nie zu einem alles überragenden Akteur entwickeln würde.

Kontinuität im eigenen Spiel der Schlüssel zum Erfolg

So weit wollte es der FC Barcelona nicht kommen lassen. Mit einem kostenintensiven Aufbauprogramm sollte Messis Verletzungsanfälligkeit in den Griff bekommen werden. Das Programm umfasste unter anderem spezielle Dehnübungen, um seine Bänder und Sehnen optimal auf die hohen Belastungen vorzubereiten. Diese hohe Belastungsintensität war auch seiner Spielart geschuldet – schnelle Richtungwechsel, ein starker Antritt und der Anspruch, es mit jedem Verteidiger auf der Welt aufzunehmen, kennzeichnen noch heute sein Spiel und charakterisieren einen einzigartigen Fußballer, einen Fußballer, den die Welt bisweilen noch nicht erlebt hat. Die Investition in die Zukunft von Lionel Messi sollte sich für den FC Barcelona bezahlt machen. Immer seltener traten Verletzungen zu Tage und versetzten Messi in die Lage, kontinuierlich an sich zu arbeiten. Er konnte in neue Superlative vorstoßen und wann immer die Presse das Ende der Entwicklung und damit den absoluten Zenit, die Vollkommenheit zu erblicken glaubte, konnte Messi sie in der darauffolgenden Saison eines besseren belehren. 

Die Kontinuität im eigenen Spiel ohne störende Verletzungseinflüsse hat demzufolge einen großen Anteil an seinem Erfolg. Dabei soll allerdings nicht der Eindruck erweckt werden, dass ausschließlich monetäre Aspekte Messi auf den richtigen Weg gebracht haben. Die Verantwortlichen des FC Barcelona versichern, dass ohne einen unbedingten Willen und größtmöglicher Eigendisziplin ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Messi hat sehr hart trainiert und seine Lebensgewohnheiten von Grund auf umgestellt, angefangen bei der Ernährung, die seine Muskeln und Bänder stärken sollte. Die heutige Erscheinung von La Pulga hat nur noch wenig mit dem verletzungsanfälligen “kleinen Maradona” zu tun. Messi ist bulliger geworden und hat sehr viel Muskelmasse hinzugewonnen, was sich auch in einer Gewichtszunahme von mehreren Kilogramm niederschlägt – ein Beweis für die Anstrengungen, die er auf sich genommen hat. Nicht messbar sind allerdings jene Entbehrungen, die sich nicht in einer Körpergewichtszunahme bemerkbar machen. Diese dürften ihm, wenn es nach dem Urteil seiner Betreuer geht, weitaus mehr abverlangt haben. 

Letzte Verletzung im September 2010

Die letzte ernsthaftere Verletzung von Messi liegt schon einige Zeit zurück. Im September 2010 erlitt Messi eine Stauchung der inneren und äußeren Seitenbänder im rechten Knöchel, die aus einem brutalen Foul von Tomas Ujfalusi, der bei Atlético Madrid unter Vertrag war, resultierten. Zwei Wochen musste Messi nur pausieren, was in Anbetracht eines vermuteten Knöchelbruchs allseits für Erleichterung sorgte. Am Ende dieses Artikels könnt ihr euch das Foul von Ujfalusi an Messi noch einmal zu Gemüte führen. Die Brutalität des Fouls zeigt, dass es ein außerordentliches Ereignis war, bei dem der Toleranzrahmen um ein Vielfaches überschritten worden ist. Die Grenze zwischen einem Foul dieser Sorte und einer einfachen Körperverletzung verläuft fließend. 

Dass es eines solchen Einsteigens bedarf, um Messi zu verletzen, unterstreicht die Verletzungsunanfälligkeit seines Körpers unter der Bedingung eines normalen Spielbetriebs. Mehr als zwei Jahre vergingen ohne einen nennenswerten Zwischenfall, kein Foul der Welt, sei es noch so hart gewesen, konnte Messi stoppen. Auch Ramos nicht, der es nicht nur einmal auf die Gesundheit des dreifachen Weltfußballers abgesehen hat. Am Mittwoch hat ein unglücklicher Zusammenstoß mit dem Torhüter eine leichtere Prellung bewirkt, die aber seinem Mitwirken im nächsten Spiel gegen Betis nicht entgegenstehen dürfte. Die Ärzte betonen zwar, dass sein Einsatz von dem Heilungsverlauf abhängig sei, zeigen sich aber vorsichtig optimistisch. Einmal mehr suggerierten die Fernsehbilder eine schlimmere Verletzung, doch Messi lässt sich dem Anschein nach nicht so leicht unterkriegen.

“Das hätte genauso gut im Training passieren können”

Trotzdem ging auch er zunächst von einer schlimmeren Verletzung aus, die ihn eine lange Zeit außer Gefecht setzen würde. “In dem Moment, als ich den Schlag gespürt habe, habe ich aufgrund des starken Schmerzes das Schlimmste befürchtet. Ich dachte, ich würde monatelang ausfallen. Erst nachdem die Ärzte eine schlimmere Verletzung ausgeschlossen haben, konnte ich mich wieder beruhigen”, schilderte Messi seine Eindrücke während und nach dem Spiel. Ungeachtet der Schmerzen hat Messi noch versucht, ein Tor zu schießen, bevor ihn der Schmerz zu Boden zwang und sein Rekordversuch ein jähes Ende nahm. “Ich habe die Aktion mit einem Schuss abgeschlossen, weil ich Schmerzen fühlte und dachte, dass ich den Ball das letzte Mal für eine lange Zeit berühren darf”, rechtfertigte Messi seinen Schuss im Anschluss an die Verletzung.

Tito Vilanova musste im Anschluss an die Begegnung zahlreiche Kritik einstecken. Er musste sich den Vorwurf gefallen lassen, Messis gesundheitliche Integrität in einem unbedeutenden Spiel ohne Not riskiert zu haben, um ihm zu einem neuen Rekord zu verhelfen. Die Medienlandschaft und der ein oder andere Culé haben sich mehr Besonnenheit von Vilanova erwartet, er hätte Messis Ehrgeiz bremsen und die Risiken besser kalkulieren sollen. Messi aber sprach den Trainer von jeder Verantwortung frei, es habe sich vielmehr ein unwägbares Risiko realisiert. “Ich habe meine Meinung nicht geändert, das hätte genau so gut im Training oder in einem anderen Spiel passieren können. Es besteht immer ein Verletzungsrisiko, in jedem Spiel”, so Messi. Paradoxerweise forderten die Kritiker am vehementesten einen Einsatz von Lionel Messi von Beginn an, damit sie endlich die vorgefertigten Artikel über einen neuen Torrekord verpulvern können. 

Messi hingegen kann dem Wirbel um dem Torrekord nur wenig abgewinnen. “Ich bin nicht besessen davon, den Torrekord von Gerd Müller zu brechen. Klar wäre es schön, ihn zu brechen, weil der Rekord schon so lange Bestand hat und ich ihm sehr nahe bin. Aber besessen von dem Rekord bin ich deswegen nicht”, relativierte Messi die Bedeutung des Torrekordes.

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