Im zweiten Teil unserer Berichterstattung widmen wir uns dem ersten großen Erfolgen Lieke Martens‘ und gehen dabei auch auf einige ihrer emotionalsten Ereignisse als Fußballerin ein. Natürlich lüften wir auch das Geheimnis, welcher Umstand ihre Karriere derart beeinflusste und sie endgültig zum Profifußball brachte. Weiters erfahrt ihr, wie die letztjährige Weltfußballerin die ersten Turniere mit der Nationalmannschaft beurteilt, ein besonderes Augenmerk gilt dabei selbstverständlich dem beinahe surrealen Märchen in den Niederlanden 2017. Ihr wisst nicht, wovon die Rede ist? Bei uns erfahrt ihr es!
Was den Wunsch real werden ließ
Im Alter von 15 Jahren spielte Lieke Martens noch bei den Jungen, wie im ersten Teil unseres Berichts bereits erwähnt wurde. Sie fragte sich, wo sie ihr Weg hinführen würde, und betrachtete ihre Situation mit Zweifel. Doch eines Tages bekam sie einen Anruf, der all diese Zweifel beseitigen sollte: Lieke Martens wurde in die U19-Frauennationalmannschaft der Niederlande berufen. Nachdem sie erst 15 war, konnte sie dieser Einladung zuerst fast nicht Glauben schenken. Doch es war kein Traum, sondern die Realität. Sie verließ also ihre Heimatstadt Bergen und brach in Richtung des ihr damals riesig erscheinende Amsterdam auf, wo die Frauen trainierten und lebten. Das bedeutete, dass sie ihre Stadt und ihre Familie verlassen musste. In Amsterdam lebte sie dann mit 18 und 19 Jahre alten Frauen zusammen und Lieke Martens musste vieles auf einmal alleine machen.
„Mama? Was soll ich tun?“
Die erste Zeit in der Hauptstadt mit den anderen Frauen beschreibt Martens so:
„Wir waren zwar Teamkolleginnen, aber das Meiste erledigten wir getrennt voneinander und daher musste ich selbst herausfinden, wie manche Dinge funktionierten. Sachen wie Kochen und Wäschewaschen. Natürlich hatte ich davon keine Ahnung. Also rief ich meine Mutter an. Wenn ich etwas nicht verstand, rief ich sie ein zweites Mal an. Manchmal ein drittes Mal.“ Dass sie ihre Kleidung hin und wieder fast zerstörte und das Essen am Anfang schrecklich war, bestreitet sie heute nicht mehr.
Martens wurde schnell erwachsen, denn anders hätte sie dort nicht bestehen können. „Amsterdam ist nicht Barcelona. Es ist dunkler. Und ich war allein.“ In dieser Zeit half ihr besonders ihre Familie, denn sie wusste, dass, sollte sie etwas benötigen, ihre Eltern auch um 3:00 Uhr in der Früh sofort zu ihr kommen würde. Selbstverständlich stärkte sie auch der Traum des Profidaseins.
Aber dennoch verlor sie einen Teil ihrer Kindheit, wie sie berichtet. Martens‘ kleine Schwester war erst acht Jahre alt, als sie nach Amsterdam aufbrach. Obwohl sie heute eine gute Beziehung zueinander haben, ist ihre Situation ein wenig seltsam, denn Lieke Martens war, im Vergleich zu ihren zwei Brüdern, nicht da, als ihre Schwester älter wurde. „Ich bin mir sicher, dass es vielen Fußballern – Frauen und Männern – genauso ergeht. Aber du musst Opfer bringen.“
Als Lieke Martens’ Karriere Fahrt aufnahm
Nach nicht allzu langer Zeit begann Lieke Martens für verschiedene Vereine in Belgien, Deutschland und Schweden zu spielen. 2010 nahm sie bei der U19-Europameisterschaft teil und ein Jahr später debütierte sie am 22. August 2011 bei der Kampfmannschaft. Drei Jahre danach war sie bereits ein Teil des Kaders bei der Europameisterschaft 2013 in Schweden.
Weitere zwei Jahre danach, im Sommer 2015, stand das erste wirkliche Highlight in der Nationalmannschaft für Martens an – die Weltmeisterschaft in Kanada. Dieses Turnier stellte insofern etwas Besonderes dar, da es die erste WM war, für die sich eine Frauenmannschaft der Niederlande je qualifiziert hatte.
Die Weltmeisterschaft
„Es war ein verrücktes Erlebnis. Ich erinnere mich an das erste Match gegen Neuseeland in Edmonton. Kanada, die Heimmannschaft, hatte vor uns gespielt und daher sahen wir, wie viele Menschen dort waren. Es waren sicher mehr als 40.000 Fans anwesend. Wie waren bereits glücklich, uns qualifiziert zu haben und plötzlich würden wir in diesem großartigen Stadion vor einer Menge Leute, in einer fantastischen Atmosphäre und gegen ein Team vom anderen Ende der Welt spielen. Es war unglaublich.“
Es kam, wie es kommen sollte, und die Niederlande gewannen dieses Spiel mit 1:0. Die Torschützin: Lieke Martens. Noch heute erinnert sie sich an alle Details. An den Schuss und an die wahnsinnige Freude danach. Schlussendlich überstanden die Niederlande die Gruppenphase und man scheiterte im Achtelfinale am späteren Halbfinalisten aus Japan. Für eine zum ersten Mal teilnehmende Mannschaft war es jedoch ein großer Erfolg.
„Ich träumte davon, ja. Aber…“
Das nächste Großereignis war die Europameisterschaft 2017 und das gastgebende Land waren die Niederlande. Bei der vorangegangenen Ausgabe war die Oranje bereits in der Gruppenphase gescheitert und dementsprechend durfte eigentlich kein Wunder erwartet werden – eigentlich.
„Ich wusste, dass wir ein gutes Team hatten und die Mentalität stimmte auch. Nach der WM waren viele Mädels ins Ausland gewechselt und hatten damit das Niveau allgemein deutlich angehoben. Deshalb träumte ich auch heimlich von einem Erfolg, aber ich traute mich nicht einmal, es laut auszusprechen.“
Norwegen hieß der erste Gegner der Gruppenphase und Martens erinnert sich gerne an diese Partie, die ihr noch sehr gut im Gedächtnis geblieben ist. Bevor der Mannschaftsbus ankam, wusste niemand, welche Atmosphäre man erwarten durfte. Als dann der Bus um die letzte Ecke bog, sahen Martens und ihre Kolleginnen ein orangenes Meer. Orangene T-Shirts, orangene Flaggen und orangene Schals.
„In diesem Moment versprachen wir uns gegenseitig etwas: ,Gut, Mädels. Wir werden für uns spielen und wir werden der Welt zeigen, wie gut wir sind. Aber wir werden auch für sie spielen. Für all diese Leute, die nur gekommen sind, um uns zu unterstützen.‘“
Der für unmöglich gehaltene Sieg
Genau dieser Moment, der ihnen viel Kraft gab, war nach Martens für den späteren Verlauf des Turniers ausschlaggebend. In jedem Spiel sahen sie ihre Fans und deren Freude.
Die Niederlande gewannen die Gruppe und kämpften sich bis ins Finale. Dabei hatten sie ohne Zweifel ein wenig Glück, aber „auch das Glück muss man sich erst verdienen. Alles fühlte sich gut an und der Teamgeist war phänomenal. Von der ersten Stürmerin bis hin zur dritten Torfrau kannte jede ihre Rolle in der Mannschaft. Umso weiter wir im Turnier kamen, desto enger wuchsen wir zusammen. Wir fühlten uns unschlagbar. Und wie sich herausstellte, waren wir es auch.“
Dänemark wurde im Finale nach einem frühen 0:1-Rückstand doch noch 4:2 geschlagen und Lieke Martens trug sich mit einem Treffer ebenfalls in die Torschützenliste ein und war maßgeblich an dem Erfolg beteiligt. „Niemand hatte etwas Derartiges erwarten können. Es war unbeschreiblich.“
Könnt ihr die Schwierigkeiten eines jungen Fußballerdaseins nachvollziehen? Und wie steht ihr zum Erfolg der Niederlande bei der EM? Habt ihr sie vielleicht sogar live mitverfolgt? Im dritten und letzten Teil dieses Berichts kommt die Sprache auf Martens Wahl zur Weltfußballerin, ein unerwartetes Treffen mit Lionel Messi und ihre Meinung zur Entwicklung des Frauenfußballs. Verpasst ihn nicht!