Bereits in der letzten Saison adelten Teile der spanischen Presse Marc-André ter Stegen als den Besten seines Faches. Das ist angesichts einer extrem großen Zahl an Weltklassetorhütern in der momentanen Zeit eine sehr steile These. Und dennoch: Auch für uns gibt es aktuell keinen besseren Torhüter auf dieser Welt als den 26-jährigen Deutschen. Anlass genug, ein wenig auf die bisherige Entwicklung von Barcelonas Nr. 1 zu blicken und darzulegen, warum er diesen Status mittlerweile verdient hat.
Die Anforderungen an den modernen Torhüter
Fußball ist ein äußerst komplexes Spiel, was der breiten Masse an Fußballfans wohl erst in den letzten Jahren so richtig klar geworden ist. Die Anforderungen an einen Fußballer wurden im Verlaufe der jüngeren Entwicklung immer höher. Es ist dabei fast egal, ob man von einem Außenverteidiger oder einem klassischen Mittelstürmer spricht. Außenverteidiger haben sich in den letzten Jahren beispielsweise unter vielen Trainern dahin entwickelt, dass sie aktiv am Aufbau des Spiels teilnehmen und teilweise bis in die zentralen Positionen des Mittelfeldes vordringen, um dort für Überzahlsituationen zu sorgen. Kyle Walker oder David Alaba sind gute Beispiele für Spieler, die diese Interpretation der Außenverteidigerrolle perfektioniert haben. Im Fall des Mittelstürmers gab es einige Spielzeiten lang den Trend, dass er sich ins Mittelfeld zurückfallen lässt, um sich dort aktiv am Kombinationsspiel zu beteiligen, auch wenn die Tendenz eher wieder zum klassischen Mittelstürmer geht. Beispiele für diesen Spielertyp sind Robert Lewandowski, Karim Benzema oder der G.O.A.T. Lionel Messi persönlich, wobei dieser wohl nicht einmal mehr als falsche 9, sondern schon als Mittelfeldspieler bezeichnet werden muss. Er ist eben Messi.
Doch nicht nur bei den klassischen Feldspielern sondern auch auf der Torhüterposition sind klare Veränderungen zu beobachten. War ein Torhüter zu früheren Zeiten schlichtweg dazu da, die Schüsse abzuwehren, welche auf sein Tor flogen, reichen heute nicht einfach nur starke Reflexe und eine gute Strafraumbeherrschung, um bei einem Topverein zwischen den Pfosten zu stehen. Ein moderner Torhüter muss in der Lage sein, Bälle mit einer extremen Sicherheit zu verarbeiten und in Drucksituationen Lösungen abseits des weiten Abschlags zu finden. Gleichzeitig ist ein Torhüter mittlerweile schon lange nicht mehr an seine natürliche Position innerhalb des Strafraums gebunden, sondern beispielsweise bei Konterversuchen des Gegners ein extrem wichtiger Faktor um dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht zu einer gefährlichen Situation kommt.
Der Mann, der diese Entwicklung in gewisser Weise gestartet hat und lange Zeit das Ideal dieses modernen Torhüters war, hört auf den Namen Manuel Neuer. Doch es gibt noch einen zweiten deutschen Torhüter, der diese Entwicklung in den letzten Jahren entscheidend prägte.
Marc-André ter Stegen als Prototyp des modernen Keepers
Ein Keeper, der diese Form des Torwartspiels in den letzten Jahren wie kein anderer personifizierte, ist Barcelonas Torhüter Marc-André ter Stegen. Nach vielen erfolgreichen Jahren bei Borussia Mönchengladbach zog es ter Stegen 2014 zu Barça. Bereits zu Gladbacher Zeiten erwarb er sich dabei den Ruf eines mitspielenden Torhüters, der das nötige Selbstbewusstsein mitbringt, um sich ins Kombinationsspiel der eigenen Mannschaft mit einbinden zu lassen. Zu Beginn seiner Zeit in Katalonien musste er sich das Tor jedoch noch mit dem Chilenen Claudio Bravo teilen und kam somit “nur” in Champions League und Pokal zum Einsatz.
Die folgenden Spielzeiten konnte er sich jedoch einen unangefochtenen Stammplatz im Tor der Katalanen sichern. Gab es zu Beginn dieser Zeit noch einige Unsicherheiten, die sich immer mal wieder in ter Stegens Spiel einschlichen, kann man spätestens seit der letzten Saison sagen, dass einfache Fehler kaum noch vorkommen – ganz im Gegenteil. Marc-André ter Stegen hat sich zum vielleicht sichersten Torhüter der Welt entwickelt, was Kontrolle über den Ball und Passspiel angeht. Es ist unglaublich schwer, einen Torhüter zu finden, der sich in dieser Hinsicht mit ihm messen kann. Selbst Manuel Neuer, welcher in dieser Beziehung jahrelang den Krösus darstellte, scheint mittlerweile längst überflügelt. Dazu kommt, dass Ter Stegen in den letzten Jahren auch an den klassischen Eigenschaften eines guten Torhüters gefeilt hat und sich in dieser Hinsicht mittlerweile wohl ebenfalls mit den ganz Großen in diesen Disziplinen messen kann. Er war ein nicht zu unterschätzender Faktor für die extrem stabile Defensive beim Gewinn der vergangenen spanischen Meisterschaft und man sieht ihn mittlerweile immer häufiger dabei, wie auch einen der sogenannten “Unhaltbaren” am Pfosten vorbeilenken kann.
Den besten Beweis für seine Klasse lieferte er gerade erst am Wochenende im Spiel gegen Real Sociedad. Nach dem Führungstreffer von Sociedad, den ter Stegen an sehr guten Tagen evtl. sogar halten kann, raffte sich Barças Nr. 1 wieder auf und hielt ihr Team in der Folge im Spiel. Ohne ter Stegen hätten diese wichtigen drei Punkte am Ende wohl nicht eingefahren werden können. Luis Suárez bezeichnete ter Stegen anschließend als den besten Torhüter der Welt – und er scheint Recht zu haben. Kein anderer Torhüter kombiniert derzeit wohl die besten Eigenschaften der alten Torhüterriege mit den spielerischen Elementen eines modernen Keepers mit einer derartigen Qualität, wie der 26-jährige Deutsche. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass nicht nur Fans des FC Barcelona zu diesem Schluss kommen, sondern auch der Rest der Fußballwelt.