Die New York Times hat kürzlich ein Interview publiziert, in welchem Jordi Cruyff über Barça-Ikone und Vater Johan Cruyff spricht; dieser war vor einem halben Jahr an Lungenkrebs verstorben. Johan Cruyff war nicht nur Papa, sondern ein Genie, welches die gesamte Fußball-Welt maßgeblich beeinflusst und geformt hat – ein Fakt, über den sich Jordi während Johans Lebenszeit bewusst war, der sich allerdings jetzt nach dem bitteren Tod noch stärker ausgebreitet hat. Im Gespräch mit Fußball-Chef-Korrespondent Rori Smith gibt der 42-Jährige emotionale Details über das Wesen seines Vaters und dessen untragbares Erbe preis und reflektiert überdies sein eigenes Schicksal.
Sechs Monate sind vergangen, seitdem Jordis Vater den Kampf gegen den Krebs in seinem Zuhause in Barcelona verloren hat. Es ist sechs Monate her, dass die Fußballwelt kurz aufgehört hat, sich zu drehen, um einer Sportlegende Lebewohl zu sagen. Cruyff war sowohl als Spieler als auch als Trainer ein Pionier, der die Kunst des schönen, angriffslustigen Fußballs nach Katalonien brachte und zudem eine ganze europäische Spielkultur prägte. Für Jordi ist es immer noch so, als wäre sein Vater noch da. Bekannte und unbekannte Menschen zollen ständig Respekt und äußern ihr Beileid. So liegen für Jordi Stolz und Schmerz Tag für Tag nahe beieinander.
Seinem großen Nachnamen konnte er nie wirklich gerecht werden, dessen ist er sich bewusst. Jordi Cruyff ist einer, der nach seiner Zeit in Barcelona eher seinen eigenen Weg suchte und fand. Lukrative Deals mit Qatar schlug er aus, um Zeit in der Ukraine oder Malta zu verbringen. So führte er unter anderem auch Makambi im Jahr 2015 in die Gruppenhase der Champions League und in der jetzigen Saison in die Europa League. Ob Cruyff aber noch einmal den Weg zurück nach Barcelona finden wird, steht in den Sternen.
Jordi Cruyff über …
… eine kollektive Trauer:
„Dir wird nie erlaubt, irgendetwas zu vergessen. Da gibt es fast jeden Tag neue Anekdoten – viele Geschichten, die ich nicht kannte. Die Leute sagen dir immer, wie leid es ihnen tut, was er ihnen bedeutet hat. Ich war in unterschiedlichen Ländern in den letzten Monaten, und du siehst Männer, die 65, 70 Jahre alt sind, und sie werden sehr emotional. Sie hatten Momente, in denen mein Vater sie berührt hat, auf welche Art und Weise auch immer, und sie möchten darüber sprechen.“
„Sie sagen, wo sie 1974 oder 1978 gerade waren, während der Weltmeisterschaft, oder besitzen 30 Jahre alte Bilder auf ihren Handys. Ich weiß nicht, wie sie diese darauf bekommen. Vielleicht ist es ihre Art und Weise zu trauern, das ist eine Sache des Respekts. Sie müssen nur etwas sagen. Denn sie kommen jeden Tag, du kannst damit niemals wirklich fertig werden.“
„Es gibt ein einstimmiges Gefühl dafür, dass mein Vater etwas bedeutet hat.“
… seine Zeit als Spieler, nachdem er und Johan Barcelona verlassen hatten:
„Ich hatte einige gute Angebote. Diese Teams schauen nicht nach dir, wenn du kein Talent hast. Das hat mir sehr viel Selbstbewusstsein gegeben.“
… Name und Rückennummer während seiner ersten Saison für Manchester:
„Mein Vater hat ‚Cruyff 14‘ etabliert, also konnte niemand anderes diesen Namen und diese Zahl auf dem Shirt tragen.”
… seinen eigenen Weg:
„Ich habe mich in unterschiedlichen Umgebungen für meinen eigenen Weg und einen anderen Fußball entschieden.”
… die Arbeit als technischer Direktor bei Maccabi Tel Aviv:
„Es ist einfach, Leute davon zu überzeugen, in die Premier League zu gehen. In Israel gibt es eine Menge Überzeugung und viele Erklärungen.“
„Meine Arbeit dreht sich überwiegend um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Coach und dem Sportdirektor. Ich muss mich in einem bestimmten Umfeld befinden, mit einem guten Gefühl, gemeinsam mit dem Klubbesitzer und dem Geschäftsführer.“
… seinen Vater:
„Mein Vater war ein Typ mit einer starken Persönlichkeit und einer starken Meinung.“
„Er war eine Person mit sozialem Bewusstsein und beindruckenden moralischen Werten.“
„Er war sehr gut im Autofahren.“
„Sogar beim Autofahren kannte er immer die richtige Route, und mehr noch, er fuhr alle möglichen Schleichwege, um sicherzugehen, dass er möglichst viele grüne Ampelphasen erwischen würde. Er kalkulierte, dass wenn die eine Ampel Rot war, die nächsten beiden Grün sein mussten. Er versuchte immer den schnellsten Weg zu finden, den besten Weg. Er war einen Schritt voraus. Sein Gehirn schlief nie.“
… das Erbe seines Vaters:
„Er war Teil von dem einen Prozent, der immer in Erinnerung bleiben wird. Bereits vor langer Zeit habe ich realisiert, dass ich zu den 99 Prozent gehöre.“