Es war ein gewohntes Bild. Die 64. Minute war gerade angebrochen als Cesc Fàbregas, der Mann den viele bei seiner Rückkehr nach Barcelona als einzigen Xavi-Nachfolger in Betracht zogen, den Platz verließ und Andrés Iniesta für ihn ins Spiel kam. Wieder war er blass geblieben, wieder hatten seine Bemühungen keine Wirkung, wieder waren sowohl er selbst als auch die Fans von ihm enttäuscht und wieder war er weit unter den Erwartungen zurückgeblieben.
Zwei hundertprozentige Torchancen hatte er liegen gelassen und auch ansonsten war seine Leistung völlig matt und das einzig Auffallende die vielen Fehlpässe. Doch was ist der Grund für diese bescheidene Darbietung, ist es nur eine Formkrise? Oder ist es ein Problem mit dem System? Denn an seinen fußballerischen Qualitäten zweifelt kaum einer. Die sind zweifelsohne vorhanden um sich auch bei Barça zu etablieren, doch ausschöpfen kann er sie im Moment nicht.
Die Rückkehr
Man werfe einen Blick zurück auf den Sommer letzten Jahres. Die Stadt Barcelona schrieb den 15. August 2011, als der “verlorene Sohn” ins Camp Nou zurückkehrte. Das Camp Nou war so gut gefüllt wie selten bei einer Spieler-Präsentation. Und auch der Kuss auf das Wappen durfte nicht fehlen. Jeder wusste, dass Cesc nach wie vor durch und durch ein Culé war. Der Einstand war also perfekt verlaufen und auch fußballerisch setzte er sich fort. Sein Debüt gab Fàbregas, wie könnte es anders sein, gegen den ewigen Rivalen Real Madrid. Man schrieb die 82. Minute. Benzema hatte gerade für die “Königlichen” ausgeglichen und auch wenn sich ganz Barcelona die Einwechslung wohl anders gewünscht hatte, kam Francesc direkt nach dem Gegentor in die Partie. Und er spielte als wäre er nie weg gewesen. Nun die 88. Minute, alle Zeichen deuteten auf Verlängerung. Barças Nummer 4 stoppt sich eine Flanke und passt zu Messi, der zu Adriano, zurück zu Messi und da ist das Tor, in der vorletzten Minute der regulären Spielzeit. Das Camp Nou in Ekstase, Messi auf Fàbregas´ Armen. Alles schien perfekt, obwohl es “nur” der Supercup war.
29. August 2011: Barcelona – Villarreal
Dann das erste LaLiga Spiel 2011/12, Villarreal war in Barcelona zu Gast, welches aufgrund von Sperren zu einer Dreierkette gezwungen war.
Barças Aufstellung lautete wie folgt :
Der Kontrahent aus Villarreal begann mit einem 4-4-2. Fàbregas agierte zunächst etwas hinter Léo Messi, doch schon nach gut 20 Minuten begann ein wildes Rotationsspiel zwischen den beiden. Messi ließ sich gerne ins Mittelfeld zurückfallen und überließ Cesc die “Falsche 9”, zeitweise agierte er auch am Flügel und Fàbregas hatte das offensive Zentrum vor Iniesta und Thiago Alcántara für sich alleine. Doch zumeist wirbelten sowohl Cesc als auch Messi zentral vor dem gegnerischen Strafraum. Fast alle Offensivaktionen liefen über die beiden oder zumindest einer hatte seinen Fuß im Spiel.
Barcelona ging nach fünfundzwanzig Minuten durch Thiago in Führung und zwanzig Minuten später erzielte Cesc Fàbregas das 2:0. Locker-leicht wird die Abwehr der Gäste seziert. Messi bedient aus mittiger Position Fàbregas zwischen zwei Abwehrspielern hindurch, dieser umkurvt Gästetorhüter Lopez und kann den Ball aus fünf Metern ins Tor tragen. Das Spiel endete 5:0, denn auch Neuzugang Alexis Sánchez sowie Messi (2 mal) trafen.
Das Fazit bezüglich Fàbregas in dieser Partie war schnell gezogen: Ein ständiges Wechselspiel zwischen Messi und Cesc als “Falsche 9” bzw. “Klassischer 10” machte Villarreal schwindelig. Doch das Mittelfeld überließ Fàbregas eher Thiago und Iniesta. Zeitweise hielt er sich näher am gegnerischen Tor auf als Messi und selten war er sogar als klassischer Mittelstürmer zu finden.
10. September 2011: Barcelona – Sociedad
Am 2. (eigentlich 3.) Spieltag war man dann bei Real Sociedad zu Gast. Guardiola schonte Messi und Fàbregas bekleidete die Position der “Falschen 9”. Guardiolas Idee dahinter? Cesc, welcher schon in den ersten Spielen für Barça eine Torgefahr und Strafraumpräsenz offenbarte, sollte Messis Position einnehmen und auch im Mittelfeld als 10er aushelfen. Ansonsten spielte Barcelona wieder im klassischen 4-3-3 und in schwarz. Nachdem Barcelona in einer tollen Anfangsphase durch ein Tor von Xavi in Führung ging, nach Vorarbeit von Fàbregas, welcher eine Minute später selbst auf 2-0 erhöhte und die Führung behauptete, wurde der Sieg durch fahrlässige Fehler binnen zwei Minuten doch noch aus der Hand gegeben.
Doch auch in diesem Spiel war Fàbregas mit einer der Besten. In einer etwas anderen Art und Weise konnte er Messis Position fabelhaft interpretieren und auch als Messi dann eingewechselt wurde harmonierten die beiden wieder ähnlich gut wie gegen Villarreal.
17. September 2011: Barcelona – Osasuna
Beim furiosen 8-0 agierte Fàbregas ähnlich wie in seinem ersten Spiel gegen Villarreal. Er und Messi spielten die Gegner schwindelig und erzielten gemeinsam vier der acht Tore (Messi 3, Cesc 1).
Auch in diesem Spiel war Fàbregas sehr häufig als Mittelstürmer im gegnerischen Sechzehner zu finden. Sobald Barcelona das Tiki-Taka im Mittelfeld aufzog, ließ er sich zurückfallen und spielte mittig etwas hinter dem zentral-rechts aufgestellten Messi als Anspielstation für Xavi und Thiago.
Es folgte noch das Spiel gegen Valencia in dem er das 2:2 erzielte und auch diesmal war er zumeist im Strafraum zu finden. Messi hingegen fand seine Position im Mittelfeld und fütterte Cesc mit Traumpässen. In dieser Partie fand sich auch Pedro von links in das Wechselspiel der zwei ein und trotz Dominanz knüpfte Valencia Barça ein Unentschieden ab. Grund dafür waren ein wirklich gutes Spiel der Valencianer und ein paar katastrophale Fehler von Barcelonas Hintermannschaft.
10. Dezember 2011: Real Madrid – FC Barcelona: Doppelrolle in Guardiolas Geniestreich
Madrid, 10. Dezember 2011. Für viele Fußballinteressierte war es Barcelonas letzte Chance im Kampf um die Meisterschaft. Die Katalanen reisten mit sechs Punkten Rückstand im Gepäck in die Hauptstadt. In den letzten Partien machte es ein bisschen den Anschein, als ob dem FC Barcelona der letzte Siegeswille fehlen würde, doch auch das Pech, die Gegner und vor allem Reals Siegesserie waren der Grund für den hohen Punkterückstand zu diesem Zeitpunkt.
Guardiola begann mit folgender Formation und taktischer Grundausrichtung:
Nachdem Real Madrid nach bereits 22 Sekunden durch Benzema in Führung ging, herrschte Handlungsbedarf. Guardiola ließ sein Team ein 3-4-3 spielen, in welchem Fàbregas anfangs als zentraler Mittelfeldspieler zu Werke ging, um Messi vorne Räume gegen die gut stehende Abwehr zu lassen. Doch Messi lief sich oft fest, da Mourinho seinen Spielern eingebläut hatte ihn zu doppeln bis vierfach zu bewachen. Schon bald fiel Messi ins Mittelfeld zurück und man spielte zwischenzeitlich ein 3-5-2 mit Alves als rechtem Flügelspieler. Dann ging Cesc etwas mehr in die Offensive und ließ sich von Messi und Iniesta mit Bällen füttern, während Sánchez vorne den Solostürmer gab. Barça konnte noch in der ersten Hälfte nach einem Solo von Messi und dem darauffolgenden Pass auf Alexis ausgleichen.
In Hälfte zwei ordnete Guardiola eher ein 4-3-3 als ein 3-4-3 an, doch es war mehr ein dauerhaftes Verwirrspiel mit den beiden Systemen in welchen Busquets sowohl die Rolle eines klassischen Sechsers als auch die Rolle des linken Innenverteidigers bekleidete. Welche Auswirkungen hatte dies auf die Rolle von Cesc Fàbregas? Der Spanier agierte dadurch mit zunehmender Häufigkeit als zentraler Partner von Xavi, während Iniesta auf den linken Flügel ging und Messi seine angestammte Position einnahm. Eine Sache ist hierbei nicht außer Acht zu lassen, und zwar die Tatsache, dass Fàbregas durch präzise Vorstöße auch teilweise seine “neue” Position ausspielte. Mourinho wirkte überrascht, dass Pep noch so einen Trumpf im Talon hatte und dadurch fehlte es Cesc teilweise an angemessener Bewachung weil Messi schon die halbe Madrider Mannschaft auf sich zog. So kam es auch, dass nachdem Xavi mit ganz viel Glück kurz nach der Pause auf 2:1 erhöht hatte, Fàbregas nach Traumflanke zum 3:1 einköpfen konnte. Fabio Coentrao war noch nicht damit vertraut Fàbregas zu bewachen. So schlich ihm dieser davon und war einfach gedankenschneller. Das 3:1 war gleichzeitig auch der Endstand, denn nach dem Tor von Fàbregas gehörte Barça das Spiel alleine.
Der Absturz: Von Änderungen im System bis hin zur Formkrise
Es kam schleichend und langsam und kündigte sich kaum an. Die Spiele von Barças Nummer 4 wurden immer durchwachsener und ein Leistungsabfall machte sich erkennbar. Den Höhepunkt erreichte das Tief von Fàbregas im Champions League Halbfinale 2012. Der Gegner hieß FC Chelsea. An der Stamford Bridge ging Barça mit folgenden elf Herren in die Partie:
Valdés; Alves, Puyol, Mascherano, Adriano; Xavi, Busquets, Cesc; Messi, Alexis, Iniesta
Man sieht hier schon anhand der Aufstellung, dass Iniesta den Flügel beackert und Fàbregas in der Zentrale zu finden ist. Da drängt sich doch glatt die Frage auf, warum Pep Guardiola Cesc nicht wie üblich etwas hinter Messi aufstellt, damit die beiden wieder rotieren können. Die Antwort scheint schnell gefunden: Chelsea steht hinten tief und sehr kompakt in der Mitte, somit muss das Spiel in die Breite gezogen werden. Das leuchtet zunächst ein. Ein Faktor jedoch ist, dass Iniesta kein klassischer Flügelspieler ist und immer etwas Zug zur Mitte hat. Ganz auf außen ist seine Spielintelligenz und Übersicht etwas verschwendet, ähnlich wie bei Messi am rechten Flügel. Also wäre hier vielleicht eine Variante mit Cuenca oder Tello besser gewesen. Es ist aber verständlich, dass Pep in einem solch wichtigen Spiel auf einen erfahrenen Akteur setzt, respektive Fàbregas.
Zunächst scheint das Spiel für Barcelona ganz gut zu laufen, wäre da nicht das Pech und die Fahrlässigkeit in der Chancenauswertung. Dennoch ist diese Partie beispielhaft dafür, dass sich Cesc als reiner Mittelfeldspieler nicht entfalten kann, da er nicht die Freiheiten hat die er benötigt um zur Geltung zu kommen. Sprich ihm fehlt die Möglichkeit sich offensiv zu entfalten.
Schlussendlich ging das Spiel 1:0 verloren und auch im Rückspiel konnte man trotz einer Dreierkette und mit Cuenca als Flügelspieler keinen Kraftakt mehr setzen, nachdem man ein 2:0 noch in ein 2:2 abdriften ließ. Klar, das Ergebnis lässt sich sowohl auf Fahrlässigkeit in der Defensive als auch auf die Chancenauswertung zurückführen, doch es wurde dadurch auch noch ein ganz anderer Aspekt beleuchtet. Gegen tiefstehende, gut und kompakt verteidigende Gegner macht das Wechseln der Positionen von Messi und Cesc keinen Sinn, sprich sie stehen sich auf dem ohnehin schon engen Raum eigentlich mehr im Weg herum als dass sie sich gegenseitig entlasten.
Dennoch agierte Fàbregas im Rückspiel hinter Lionel Messi und zunächst schienen die beiden auch ganz gut zu harmonieren. In diesem Spiel lässt sich Fàbregas’ schlechte Leistung zwar mehr auf die Form zurückführen, dennoch war deutlich zu sehen, dass die beiden bei einer so kompakten Abwehr einfach nicht auf die Räume zurückgreifen können, die sie gerne hätten. Was gibt es also für weitere Möglichkeiten?
Messi auf dem Flügel würde nichts bringen, da somit seine Genialität eindeutig verloren gehen bzw. zumindest schwinden würde. Das sah man beispielsweise bei der Regenschlacht in Bilbao als Barcelona im Hinspiel Athletic Club noch ein 2:2 abtrotzte. Somit muss Cesc wohl oder übel ins Mittelfeld weichen, zumindest gegen tiefstehende Gegner. Hier ist man mit Xavi, Iniesta und Busquets allerdings wohl mit den drei besten ihres Faches besetzt. Es besteht noch die Alternative Busquets in die Innenverteidigung zu stellen. Allerdings muss man auch hier abwägen, ob sein Spielaufbau und frühes Pressing nicht etwas verschwendet wären und dann im Mittelfeld fehlen würden.
Eigentlich wurde Fàbregas geholt um mit zunehmender Zeit als Xavi-Ersatz zu fungieren, um ihm Verschnaufpausen zu gönnen und um einen Spieler zu haben, der ihn in ferner aber nicht zu ferner Zukunft vollständig ersetzen kann. Doch hierfür hat Cesc einfach zu viel Zug zum Tor und noch etwas zu wenig Ruhe im Kurzpassspiel. Das lässt sich bei seinen Fähigkeiten zweifelsohne erlernen, doch es benötigt auch seine Zeit.
Aber warum ist Fàbregas im zentralen Mittelfeld so verschwendet und unauffällig? Zur Beantwortung dieser Frage kann man die unterschiedliche Spielweise Arsenals und Barças heranziehen. Während im System der Londoner unter Fàbregas eine klassische 10 verankert war, existiert bei Barça diese Position nicht und wird von Messi, der als eine Mischung aus “Falscher 9” und “Falscher 10” agiert, gefüllt.
Neo-Coach Tito Vilanova hat bis dato in all seinen Partien auf Cesc Fàbregas als Mittelfeldspieler gesetzt, mit der Folge, dass dieser blass blieb und etwas unglücklich wirkte.
Fazit: Es wird sich zeigen welche Rolle Fàbregas in Barcelonas System auf Dauer finden wird. Kommen die Faktoren Formkrise und Unzufriedenheit bzw. Umschulung im System gleichzeitig zu Tage, so spielen auch die besten Spieler schlecht. Man kann nur hoffen, dass er bald anfängt etwas defensiver zu agieren und sich in die Rolle von Xavi einzufinden, sonst ist auch für Vilanova eindeutig Handlungsbedarf gegeben. Denn man sollte einen Spieler wie Fàbregas keinesfalls aufgeben; das tut bei Barça mit Sicherheit aber ohnehin keiner. Also sollte man schlicht und einfach nach vorne blicken und abwarten, denn auch Fàbregas weiß, wie schwer es ist sich bei Barça zu etablieren und dass er wohl auch selbst etwas zurückstecken muss.