Aus gegebenem Anlass haben wir etwas im Barcawelt-Archiv gestöbert und sind bei diesem Artikel gelandet, ein Artikel über die Problematik in der Causa Fàbregas. Der Artikel stammt aus der grauen Vorzeit, genauer gesagt aus der Anfangsphase dieser Saison, erweist sich allerdings jetzt als äußerst treffend, denn nach einem kurzen Hoch in der Frühphase der Saison ist bei Fàbregas nun ein gefühlt viel längeres Tief anzutreffen. In den vergangenen Spielen gab es vereinzelt sogar Pfiffe von den Rängen und die drei entscheidenden Niederlagen im Champions League Achtelfinal-Hinspiel wurden mit dem “modifizierten Cesc System” eingefahren. Kaum spielt Villa anstelle von ihm und Iniesta geht ins Mittelfeld, läuft es offensiv wieder viel besser. Als Beispiel dafür muss man nur das Rückspiel gegen Milan hernehmen. Natürlich wäre es schlichtweg zu einfach und beinahe naiv, alles am Faktor Fàbregas festzumachen. Dies tun wir gewiss nicht, denn gegen Milan spielten eine Menge anderer Faktoren mit, die das Comeback schlussendlich doch ermöglichten. Aber die Aspekte rund um Cesc Fàbregas sollte man dennoch ausreichend beleuchten.
Natürlich würden wir es nicht wagen, euch ein und denselben Artikel nochmal aufzutischen. Nein, wir haben ihn überarbeitet und um einzelne Passagen ergänzt, chronologisch versteht sich.
Die Rückkehr
Man werfe einen Blick zurück auf den Sommer letzten Jahres. Die Stadt Barcelona schrieb den 15. August 2011, als der “verlorene Sohn” ins Camp Nou zurückkehrte. Das Camp Nou war so gut gefüllt wie selten bei einer Spieler-Präsentation. Und auch der Kuss auf das Wappen durfte nicht fehlen. Jeder wusste, dass Cesc nach wie vor durch und durch ein Culé war. Der Einstand war also perfekt verlaufen und auch fußballerisch setzte er sich fort. Sein Debüt gab Fàbregas – wie könnte es anders sein – gegen den ewigen Rivalen Real Madrid. Man schrieb die 82. Minute. Benzema hatte gerade für die “Königlichen” ausgeglichen, und auch wenn sich ganz Barcelona die Einwechslung wohl anders gewünscht hatte, kam Francesc direkt nach dem Gegentor in die Partie. Und er spielte als wäre er nie weg gewesen. Nun die 88. Minute, alle Zeichen deuteten auf Verlängerung. Barças Nummer 4 stoppt sich eine Flanke und passt zu Messi, der zu Adriano, zurück zu Messi und da ist das Tor, in der vorletzten Minute der regulären Spielzeit. Das Camp Nou in Ekstase, Messi auf Fàbregas’ Armen. Alles schien perfekt, obwohl es “nur” der Supercup war.
Um den Artikel nicht noch länger zu machen, als er ohnehin schon ist, haben wir einen essenziellen Bestandteil des ursprünglichen Artikels sozusagen “rausgeschnitten”. Wer dennoch Interesse daran hat und noch mehr Aspekte geliefert bekommen möchte, kann die Kurzanalysen hier nachlesen. Dieser Artikel soll sich eher auf die negativen Aspekte berufen und an den alten Artikel anknüpfen.
Der Absturz: Von Änderungen im System bis hin zur Formkrise
Es kam schleichend und langsam und kündigte sich kaum an. Die Spiele von Barças Nummer 4 wurden immer durchwachsener und ein Leistungsabfall machte sich erkennbar. Den Höhepunkt erreichte das Tief von Fàbregas im Champions League-Halbfinale 2012. Der Gegner hieß FC Chelsea. An der Stamford Bridge ging Barça mit folgenden elf Herren in die Partie:
Valdés; Alves, Puyol, Mascherano, Adriano; Xavi, Busquets, Cesc; Messi, Alexis, Iniesta
Man sieht hier schon anhand der Aufstellung, dass Iniesta den Flügel beackert und Fàbregas in der Zentrale zu finden ist. Da drängt sich doch glatt die Frage auf, warum Pep Guardiola Cesc nicht wie üblich etwas hinter Messi aufstellt, damit die Beiden wieder rotieren können. Die Antwort scheint schnell gefunden: Chelsea steht hinten tief und sehr kompakt in der Mitte, somit muss das Spiel in die Breite gezogen werden. Das leuchtet zunächst ein. Ein Faktor jedoch ist, dass Iniesta kein klassischer Flügelspieler ist und immer etwas Zug zur Mitte hat. Ganz auf Außen ist seine Spielintelligenz und Übersicht etwas verschwendet, ähnlich wie bei Messi am rechten Flügel. Also wäre hier vielleicht eine Variante mit Cuenca oder Tello besser gewesen. Es ist aber verständlich, dass Pep in einem solch wichtigen Spiel auf einen erfahrenen Akteur setzt, respektive auf Fàbregas.
Zunächst scheint das Spiel für Barcelona ganz gut zu laufen, wäre da nicht das Pech und die Fahrlässigkeit in der Chancenauswertung. Dennoch ist diese Partie beispielhaft dafür, dass sich Cesc als reiner Mittelfeldspieler nicht entfalten kann, da er nicht die Freiheiten hat, die er benötigt um zur Geltung zu kommen. Sprich, ihm fehlt die Möglichkeit, sich offensiv zu entfalten.
Schlussendlich ging das Spiel 1:0 verloren und auch im Rückspiel konnte man trotz einer Dreierkette und mit Cuenca als Flügelspieler keinen Kraftakt mehr setzen, nachdem man ein 2:0 noch in ein 2:2 abdriften ließ. Klar, das Ergebnis lässt sich sowohl auf Fahrlässigkeit in der Defensive als auch auf mangelnde Chancenauswertung zurückführen, doch es wurde dadurch auch noch ein ganz anderer Aspekt beleuchtet. Gegen tiefstehende, gut und kompakt verteidigende Gegner macht das Wechseln der Positionen von Messi und Cesc keinen Sinn, sprich: sie stehen sich auf dem ohnehin schon engen Raum eigentlich mehr im Weg, als dass sie sich gegenseitig entlasten.
Dennoch agierte Fàbregas im Rückspiel hinter Lionel Messi und zunächst schienen die Beiden auch ganz gut zu harmonieren. In diesem Spiel lässt sich Fàbregas’ schlechte Leistung zwar mehr auf die Form zurückführen, dennoch war deutlich zu sehen, dass sie bei einer so kompakten Abwehr einfach nicht auf die Räume zurückgreifen können, die sie gerne hätten.
Was gibt es also für weitere Möglichkeiten?
Messi auf dem Flügel würde nichts bringen, da somit seine Genialität eindeutig verloren gehen bzw. zumindest schwinden würde. Das sah man beispielsweise bei der Regenschlacht in Bilbao, als Barcelona im Hinspiel Athletic Club noch ein 2:2 abtrotzte. Somit muss Cesc wohl oder übel ins Mittelfeld weichen, zumindest gegen tiefstehende Gegner. Hier ist man mit Xavi, Iniesta und Busquets allerdings wohl mit den drei Besten ihres Faches besetzt. Es besteht noch die Alternative, Busquets in die Innenverteidigung zu stellen. Allerdings muss man auch hier abwägen, ob sein Spielaufbau und frühes Pressing nicht etwas verschwendet wären und dann im Mittelfeld fehlen würden.
Eigentlich wurde Fàbregas geholt, um mit zunehmender Zeit als Xavi-Ersatz zu fungieren und ihm Verschnaufpausen zu gönnen und um einen Spieler zu haben, der ihn in ferner aber nicht zu ferner Zukunft vollständig ersetzen kann. Doch hierfür hat Cesc einfach zu viel Zug zum Tor und noch etwas zu wenig Ruhe im Kurzpassspiel. Das lässt sich bei seinen Fähigkeiten zweifelsohne erlernen, doch es benötigt auch seine Zeit.
Aber warum ist Fàbregas im zentralen Mittelfeld so verschwendet und unauffällig? Zur Beantwortung dieser Frage kann man die unterschiedliche Spielweise Arsenals und Barças heranziehen. Während im System der Londoner unter Fàbregas eine klassische 10 verankert war, existiert bei Barça diese Position nicht und wird von Messi, der als eine Mischung aus “Falscher 9” und “Falscher 10” agiert, gefüllt.
Fàbregas unter Vilanova: Das erste Saisondrittel
Vilanova erwies sich als Fan von Fàbregas und folglich kam dieser in fast allen Partien in der Anfangsphase der Saison zum Einsatz. Fast bis Weihnachten machte Fàbregas nahezu jedes Spiel und in den meisten davon half er Barcelona sogar enorm weiter. Wichtige Tore und vor allem wichtige Assists konnte er für sich verbuchen. Dennoch war auch in diesen Spielen – trotz der Siegesausbeute von fast 100% – etwas vom eigentlichen Barcelona-Glanz verloren gegangen. Es ging sehr viel durch die Mitte und die Flügel waren eher unbesetzt, zumindest der linke. Wieso? Weil Iniesta schlichtweg kein reiner Flügelspieler ist, wie er es selbst schon treffend auf den Punkt brachte, als er sagte: er spiele zwar dort wo ihn der Trainer aufstelle, aber seine eigentliche Position sei das Mittelfeld. Das merkt man auch. Nun wollen wir aber noch die Systemumstellung für Fàbregas etwas genauer beleuchten.
Das “modifizierte Cesc System”
Da man im Mittelfeld nahezu perfekt besetzt ist, findet Fàbregas dort eigentlich keinen Platz. Busquets auf der defensiven Position kann er nicht verdrängen, das kann niemand, noch dazu ist das ja auch nicht die klassische Position von Fàbregas. Xavi würden zwar einige Verschnaufpausen nicht schaden, aber mit der Rolle eines Reservisten gibt sich Fàbregas wohl verständlicherweise nicht zufrieden. Iniesta ist sowieso nicht zu verdrängen und gibt dem Barcelona-Spiel ein weiteres wichtiges Element: er ist im Eins gegen Eins stark, sehr stark. Diese Stärke bringt Fàbregas nicht mit und daher ist es auch für Messi besser, wenn Iniesta – mittlerweile ja fast neben ihm, da sich der Argentinier bekanntlich immer mehr ins Mittelfeld zurückfallen lässt – spielt. Somit hat man zwei Spieler in der Offensive, die einfach zwei bis drei Gegenspieler stehen lassen können. Wenn Iniesta nicht auf dem Feld ist, konzentrieren sich die Gegner mehr auf Messi und dieser und sein Spiel leiden darunter. Welche Lösungsansätze gibt es nun? Fàbregas auf dem Flügel, das klappt nicht. Er hat es zwar schon ein paar mal gespielt, zumindest als er mit Iniesta rotiert hat, aber wenn er dort agiert bleibt er völlig blass. Sein Passspiel kommt dort nicht wirklich zur Entfaltung, da er nur Anspielstationen im Umkreis von 180° und nicht von 360° hat. Bei Iniesta ist das ähnlich, nur kommen diesem eben seine Stärken im Eins gegen Eins zugute, mit denen er immer wieder mit dem Ball am Fuß an der Strafraumgrenze entlang nach innen ziehen kann. Ist er dann dort angelangt, ist der Flügel unbesetzt, es sei denn, Alba oder Adriano haben gerade eine inspirative Phase in Sachen Offensive. Diese Phasen gibt es zwar häufig, nur ist dann die Abwehr hinten löchrig, und das führt zu einer höheren Gefahr bei Konterangriffen und – wie wohl jedem bekannt ist – resultieren daraus zumeist die Gegentore, die es in dieser Saison ohnehin viel zu häufig gibt.
Kurzgefasst, das System mit Cesc Fàbregas am Feld, ohne das Iniesta oder Xavi verloren gehen, funktioniert einfach nicht reibungslos. Irgendeine Position ist fast immer unbesetzt und das Mittelfeld dann oft auch fast und – ja, das gibt es komischerweise auch – gefühlt überbevölkert, so dass man sich selbst fast Platz wegnimmt. Gegen tiefstehende Gegner ist ein Mittelfeld, das dicht besetzt ist, schon wichtig, aber dieses wird nun eher durch Messis Spiel, das er nach weiter hinten verlagert hat, erzeugt. Eine weitere Frage, die man sich stellen muss, ist, ob Fàbregas dem Spiel Barcelonas überhaupt die Elemente gibt, die es wert machen, eine Position – besser gesagt einen echten Stürmer – dafür zu opfern. Diese lässt sich allerdings mit einem klaren Nein beantworten, aktuell zumindest. Iniesta gibt dem Mittelfeld meistens viel mehr Kreativität und Ideenreichtum als Fàbregas und Villa, Pedro oder Alexis (manchmal auch Tello) strahlen auf dem linken Flügel auch mehr Gefahr aus als Iniesta. Außerdem ist ein Messi im Mittelfeld, falls vorne kein Platz ist, meist auch erfrischender als ein Fàbregas. Warum?
Das Spiel mit dem Rücken zum gegnerischen Tor
Das ist eine Sache, die Fàbregas noch nicht wirklich beherrscht, bzw. die nicht in seinem Spieldenken verankert ist. Ist dieses Spiel doch die unbändige Stärke eines Busquets. Aber auch Iniesta, Xavi und Messi haben dieses Spiel verinnerlicht. Oft ist es einfach nicht sicher bzw. sinnvoll, einen Ball vorwärts zu spielen und deshalb spielt man ihn zurück, oder gewinnt beispielsweise mit einer Drehung Zeit und Raum. Das sind Spielkniffe der Philosophie des FC Barcelona, die Fàbregas noch nicht wirklich intus hat. Oft wirkt sein Abspiel überhastet und hektisch nach vorne, manchmal sogar wenig durchdacht. Als er seine starken Spiele als “Falsche Neun” vor Messi bzw. in Rotation mit Messi gemacht hat – sprich Anfang letzter Saison (siehe Link zu den Kurzanalysen) -, war dieses Attribut nicht notwendig, da er selten in die Situation eines Spiels mit dem Rücken zum gegnerischen Tor gekommen ist. Im Mittelfeld sieht das in dieser Beziehung natürlich ganz anders aus. Dort ist es bei Barcelona essenziell und unabdingbar, dieses Spiel zu beherrschen.
Der Faktor Thiago
Jetzt kommt noch ein weiterer Faktor dazu: Thiago Alcantara, der vermeintliche Xavi- bzw. Iniesta-Nachfolger. Eigentlich ist es ja Blödsinn, jetzt schon irgendwelche Nachfolger zu bestimmen, da man wohl keinen der genannten Spieler je eins zu eins ersetzen kann und wohl alle Spieler ihren eigenen Weg mit einer unterschiedlichen Spielweise gehen werden, die eben mehr oder weniger ans System angepasst wird. Bei Thiago klappt das eigentlich recht gut. Er hat sogar schon ab und an Spiele als defensiver Mittelfeldspieler bestritten, zwar gegen kleinere Gegner, aber dennoch ordentlich. Bei ihm hat man irgendwie das Gefühl, dass er wandelbarer ist. Das liegt vielleicht auch daran, dass er einfach jünger ist und nicht die Ansprüche eines Topstars wie Fàbregas hat – noch nicht. Wenngleich auch Fàbregas kämpferisch und anpassungsfähig wirkt – zumindest wenn man seine Interviews betrachtet – hat man dennoch irgendwie das Gefühl, er sei nicht ganz bereit, sich für ein System zu ändern. Natürlich kann hier viel hineininterpretiert werden, vielleicht ist es einfach nur eine Formkrise, vielleicht aber auch mehr. Das System und die taktische Auslegung machen viel aus, aber eben nicht alles.
Fazit
Einstweilen muss man noch abwarten, gerade ein Fàbregas kann dem Spiel einer Mannschaft natürlich auch weitere Elemente geben, selbst wenn er es bei Barcelona bis dato selten getan hat. Es wird sich zeigen, welche Rolle Fàbregas in Barcelonas System auf Dauer finden wird. Kommen die Faktoren Formkrise und Unzufriedenheit bzw. Umschulung im System gleichzeitig auf einen Spieler zu, so spielen auch die besten Spieler schlecht. Man kann nur hoffen, dass er bald anfängt, etwas defensiver zu agieren und sich in die Rolle von Xavi einzufinden, sonst ist auch für Vilanova eindeutig Handlungsbedarf gegeben. Denn man sollte einen Spieler wie Fàbregas keinesfalls aufgeben; das tut bei Barça mit Sicherheit aber ohnehin keiner. Also sollte man schlicht und einfach nach vorne blicken und abwarten, denn auch Fàbregas weiß, wie schwer es ist, sich bei Barça zu etablieren und dass er wohl auch selbst etwas zurückstecken muss.
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