In einem sehr ausführlichen Interview mit FIFA.com sprach Barças Mittelfeldakteur Andrés Iniesta über eine Variation von spannenden Themen rund um den FC Barcelona, das Auftreten von Spanien bei der Weltmeisterschaft in Brasilien, seine persönliche Verfassung und die Zukunft, auf die man sich laut Iniesta freuen könne.
Was zeichnet dich aus im Vergleich zu anderen Mittelfeldspielern, was dir wieder einen Platz im Team des Jahres beschert hat?
Nein, es ist sehr schwierig herauszuheben, was man selbst hat und die anderen nicht. Jeder hat bestimmte Qualitäten. Aus meiner persönlichen Sicht mit Berücksichtigung meiner Spielweise und meiner Position auf dem Spielfeld versuche ich, das Spiel so schnell wie nur möglich zu lesen, genauso wie die Spielzüge zu beobachten und vorherzuahnen, was meine Teamkollegen vorhaben, um sie ins Spiel zu bringen. Jeder Spieler hat seine eigene Rolle und Aufgabe und ich versuche, das bestmöglich umzusetzen. Ich will nur sagen, dass ich es sehr wertschätze, dass meine Profi-Kollegen diese Sichtweise von mir haben und mich weiter in das Team des Jahres wählen und das trotz vieler anderer großartiger Spieler.
Mit der Entwicklung des modernen Fußballs, wo in Spielen sehr kleine Räume vorzufinden sind und man auch viel rennen muss, werden die Fähigkeiten eines Iniesta immer mehr gebraucht?
Es ist vieles erforderlich. Wenn das ein Individualsport wäre, würden wir über all das nicht sprechen. In einem Team hat jeder seine eigene Aufgabe. Danach versucht man als ein Einzelner, seine eigenen Fähigkeiten bestmöglich zu nutzen. Es stimmt aber, dass in so einem körperbetonten Sport, manchmal die individuellen Fähigkeiten und die Qualität ein Spiel drehen zu können, den Unterschied ausmachen können. Schließlich ist der Fußball heutzutage sehr ausgeglichen.
Die enttäuschende WM 2014:
Ich hatte auch schwierige Momente in meiner Karriere. Das Ergebnis der WM 2014 war nicht positiv, weil wir unsere Ziele, die wir uns am Anfang gesetzt haben, nicht erreicht haben. Deshalb ist es schwierig, etwas Gutes darüber zu sagen. Aber der Sport ist so und in solchen Fällen muss man wieder die Motivation für das nächste Jahr und die Zukunft gewinnen. Es ist nicht so, dass wir es nicht hart genug versucht hätten. Natürlich wollen wir alle gewinnen. Manchmal ist es aber nicht möglich, egal wie stark man es versucht. Deshalb können wir das Jahr 2014 auch nicht als positiv bezeichnen.
Was schmerzt am meisten: Die Liga am letzten Spieltag zu verlieren oder in der Gruppenphase der WM auszuscheiden?
Beide Situationen sind sehr schwierig zu verdauen. Die Liga am letzten Spieltag zu Hause zu verlieren war eine große Enttäuschung für uns. Und all das in einem Jahr, das bereits zu diesem Zeitpunkt schwierig genug war. Dasselbe gilt auch für die WM. Wir hatten selbst sehr hohe Erwartungen an uns und wollten natürlich weiter kommen als in der Gruppenphase. Das erwartet man auch von einer Mannschaft wie Spanien mit den Spielern, die das Team besitzt. Wenn man aber seine Aufgaben bei so einem Turnier nicht gut erledigt, wird man am Ende dafür den Preis bezahlen. Und das ist auch eingetreten.
Hast du die WM nach dem Ausscheiden Spaniens weiter verfolgt?
Ja, man verfolgt das Turnier weiterhin, aber es fühlt sich alles ganz anders an, wenn man selbst nicht dabei ist. Die Erfahrung ist eine ganz andere.
War die WM in Deutschland aus neutraler Sicht die beste bisher?
Die WM hatte von allem etwas dabei. Es gab einige Spiele mit sehr gutem Fußball und auch andere, mit weniger gutem Fußball. Alles in allem ist die Weltmeisterschaft ein einzigartiges und unvergleichbares Ereignis, wo die Besten des Sports versammelt sind. In diesem Sinne war Spanien, bzw. waren wir nicht gut genug. In Hinsicht auf unseren Weg dahin und mit der Mannschaft, die wir hatten, war es sehr schmerzhaft. Wir hätten noch weiter kommen müssen.
Hast du im Finale Lionel Messi angefeuert?
Ja, wir haben alle das Finale geschaut. Es war sehr schade, dass er die Trophäe nicht gewinnen konnte. Es gab einige Parallelen zwischen diesem Finale und unserem gegen die Niederlande – wie die ausgelassenen Chancen und dass der Gegner erst in der Nachspielzeit das Siegtor schoss. Um ehrlich zu sein, hatte Deutschland aber eine sehr gute Weltmeisterschaft.
Glaubst du, dass Deutschland ein verdienter Weltmeister ist?
Schlussendlich hat jeder seine eigene Meinung dazu abhängig davon, wie man gewisse Dinge sieht. Wenn man Weltmeister wird, kann dir das niemand wegnehmen und sagen, dass du es nicht verdienst. In diesem Fall ist es Deutschland, die eine sehr gute WM hatten, aber auch Argentinien hatte eine gute WM. Beide sind verdienterweise im Finale gestanden.
Der Start des Jahres 2015 war schwierig, welche Auswirkungen haben die Aussagen in den Medien?
Ich kann nicht leugnen, dass es einen stört, wenn die Medien zu viel über etwas schreiben, was außerhalb des Spielfelds passiert und sie nicht über Fußball sprechen. Man muss versuchen, darüber nicht weiter nachzudenken. Denn meistens erzählen sie nicht die Wahrheit und das ist etwas, was einen irgendwann auch besorgt. Wir wissen aber, dass wir bei einem Klub sind, bei dem alles sofort aufgebauscht wird, wo jeder eine Meinung hat und wo vieles passiert. Wenn es dann auf dem Spielfeld nicht gut läuft, müssen wir uns mit solchen Dingen auseinandersetzen. Die einzige Formel dagegen, um die Menschen wieder zu beruhigen, ist guten Fußball zu spielen und zu gewinnen. Das lässt die Menschen alles andere vergessen und wieder auf das Spiel konzentrieren.
Was hat Iniesta am meisten von all dem überrascht, was gesagt wurde? Der mögliche Abgang von Messi?
Ich hoffe und wünsche es mir sehr, dass Leo für eine sehr lange Zeit bei Barça bleiben kann, denn er war, ist und wird auch immer wichtig für unseren Erfolg sein. Das ist mein einziger Wunsch.
Welche Ziele hat Barça im Jahr 2015?
Barça ist bereit, um alles zu gewinnen. Wir haben viele Herausforderungen vor uns und auch eine großartige Mannschaft. Wir hatten ein enttäuschendes Jahr 2014 und das muss eine Motivation für uns sein, um im Jahr 2015 noch besser zu sein und die Saison mit Titel zu beenden, um die Leute glücklich zu machen und auch um unser Spiel wieder genießen zu können.
Im Alter von 30 Jahren hat sich der Spielstil von Iniesta verändert: Läuft er jetzt weniger, dafür effizienter?
Nein! Es ist eher das Gegenteil der Fall. Man muss noch mehr laufen. Der Fußball ist sehr konkurrenzfähig und verlangt sehr viel ab. Man muss immer sein Bestes geben. Die Spiele sind sehr ausgeglichen und die Gegner werden immer besser und das sowohl in der Liga als auch in der Champions League. Mit dem Alter hat man eine gewisse Erfahrung für bestimmte Situationen und um das Spiel besser zu interpretieren. Glücklicherweise kann ich sagen, dass ich die Eigenschaften habe, um mich weiter zu verbessern und auf dem höchsten Level zu halten.
Wir wissen, dass du dir jedes Jahr Gesundheit wünscht, aber was wünschst du dir in diesem Jahr aus sportlicher Sicht?
Ich glaube, dass alles von der Gesundheit abhängig ist, egal ob man ein Sportler ist oder nicht. Es ist der Schlüssel für alles, was man macht. Darüber hinaus wünsche ich mir alles, was aus sportlicher Sicht möglich ist. Und das nicht deshalb, weil ich es mir so wünsche, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass unsere Mannschaft diese Erfolge erzielen kann.