Barça: Als Ernesto Valverde kam und die Fans „durchdrehten“

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Ernesto Valverde ist der neue Coach des FC Barcelona und die Fans sind erzürnt. Zumindest wollte das so manches Klatschblatt dem gemeinen Anhänger weismachen. Dabei wurde der Spanier ja noch nicht einmal offiziell vor heimischem Publikum präsentiert. Ganz so stark, wie es die „Kollegen“ von ‚Mopo‘ und ‚BILD‘ proklamierten, hat uns Barças Offenbarung von Valverde dann also doch nicht vom Hocker gehauen. In der Tat handelte es sich bei der personellen Enthüllung am Montagabend um ein Geheimnis, das längst keines mehr war. 

Was bisher geschah: Mission Impossible

Dass Valverde und nicht etwa Jorge Sampaoli oder Ronald Koeman fortan den Dirigentenstab in Katalonien schwingen wird, ist nach den wochenlangen Spekulationen und Aussagen etwa so überraschend wie die Nachricht, dass ein gewisser Arsené Wenger beim (fast) gleichnamigen Verein seines Herzens verlängern wird. Was beim FC Arsenal zum guten Ton oder traditionellen Selbstverständnis zu gehören scheint, nämlich das der Cheftrainer saisonal seine Arbeitspapiere bestätigt bekommt, ist heuer in Barcelona undenkbar. Der Trainerposten beim vierfachen CL-Sieger schlaucht Gemüt und Seele ungemein. Das bestätigte unter anderem Barças jüngster Ex-Lehrmeister Luis Enrique Martínez García. Luis Enrique, dem man in seiner dritten Spielperiode bei den Blauroten Erschöpfung und Entnervtheit nachsagte, ist nur einer von vielen Erfolgstrainern, deren Akkuleistung irgendwann gen null tendierte. So konstatierte Pep Guardiola nach seinem Weggang: „Ich konnte Barcelona nicht mehr motivieren.“ Meinungsverschiedenheiten mit Vorstand und Spielern seien sowohl bei Guardiola als auch bei Luis Enrique mal außen vorgelassen; denn auch unabhängig vom sportlichen und wirtschaftlichen Konfliktpotenzial verspricht der vielleicht heißbegehrteste Job im europäischen Vereinsfußball pure Anstrengung.  

Der Verdacht liegt nahe, dass man in Barcelona im Drei-Jahres-Rhythmus nicht nur eine neue Spielidee, sondern einen Katalysator sucht, der die Auswirkungen von Medienirrsinn, Personalentscheidungen und Sportergebnissen wie ein Seelsorger auffängt und in Energie und Motivation umwandelt. Ein Barça-Trainer muss mit Herz und Verstand dabei sein, muss sich auf den Sport fokussieren können, ohne die Leidenschaft für das runde Leder zu verlieren. Dazu muss er ein offenes Ohr für die Wehleiden und Wünsche der Messis und Neymars haben, ohne bei all den abenteuerlichen Transfer- und Gehaltssummen Barcelonas die Talentschmiede ‚La Masia‘ zu vernachlässigen. Unlösbar ist die Aufgabe nicht, in der vergangenen Dekade war es jedoch nur ‚Pep‘, den es vier Jahre (2008-2012) und somit am längsten beim FCB hielt. Möglicherweise steht auch jetzt, nach der Ära Luis Enrique, wieder ein Mann mit dem gewünschten Anforderungsprofil in den Startlöchern und am Donnerstag zur feierlichen Präsentation auf dem Rasenplatz des Camp Nou.

Valverde: Was ist das für 1 Typ?

Fußball ist Emotion, und wenn das Zwischenmenschliche nicht stimmt, dann können Statistiken und Titel nicht den Mangel an sozialer Kompetenz übertünchen. Das Charakterliche spielt also, insofern man einen Haufen kickender Millionäre nicht nur dressieren, sondern auch zu ihren persönlichen Höchstleistungen animieren möchte, eine nicht gänzlich unwichtige Rolle. Die Wesenszüge von Ernesto, dem Mann mit dem melodisch klingenden Nachnamen, werden von der ‚Sport‘ als „schüchtern, intelligent und ruhig“ umschrieben. Im Gegensatz zu seinem Rad fahrenden Vorgänger meditiert er in seiner Freizeit gern und hat ein geübtes Auge für die Fotografie. Valverde gilt als einer, der Momente auch mal in stiller Einsamkeit genießt und neue Orte Stück für Stück erschließen möchte.

„Er hat sich nie beschwert, nicht einmal als er wusste, dass er nicht gegen Leverkusen (UEFA Cup Finale mit Espanyol) starten würde“, meint Bernardo Atxaga, der mal ein Buch über den im südwestlichen Viandar de la Vera geborenen Spanier schrieb. Laut Atxaga sei Valverde diskret und pazifistisch veranlagt: „Fire is put out with water, not petrol“, sagte Valverde einst. Heute ist der 53-Jährige verheiratet und Vater von drei Kindern. Seinen Spitzname ‚Txingurri‘ (Anm.: Ameise im Baskischen) bekam er aufgrund seiner Körpergröße verliehen und verbreitet sich spätestens seit Montag wie ein Lauffeuer.

Die Vita von ‚der Ameise‘: Klein, aber fein

Valverde hat in der Vergangenheit bereits eine Hülle und Fülle an Erfahrung im Vereinsfußball sammeln dürfen. Das neue Gesicht des FC Barcelona begann seine Karriere zunächst in der Jugendsparte, ehe sein Name zum Begriff im spanischen Raum heranwuchs. 1997 trainierte er zunächst den Nachwuchs von Athletic Club, bevor er die B-Mannschaft und anschließend das erste Team übernahm. In seiner Premieren-Saison holte er mit den baskischen Profis den fünften Platz und erreichte den UEFA Cup. In der Saison 2004/05 landete er auf Platz neun und führte sein Team in das Halbfinale der Copa del Rey. Nachdem er ein Jahr pausierte, führte Valverdes Weg nach Barcelona. So musste er mit Espanyol im UEFA-Cup-Finale eine Niederlage gegen Sevilla im Elfmeterschießen hinnehmen. In der Liga erreichte Barças Stadtrivale zwischen 2006 und 2008 unter seiner Federführung den elften und zwölften Platz. Es folgte eine Saison in Griechenland, in welcher er durch einen markanten Angriffsstil mit Olympiacos das Double (Liga und Pokal) einfahren konnte. Zur Saison 2009/10 landete er dann wieder in Spanien, konnte mit Villarreal aber nur einen enttäuschenden zehnten Platz erzielen. So ging es anschließend von 2010 bis 2012 wieder rüber zu den Griechen, mit denen er in jenem Zeitraum zwei Ligatitel und einen Pokal in die Höhe stemmen konnte. In den vergangenen fünf Jahren machte Valverde auf sich aufmerksam, als er den FC Valencia von einem 15. Tabellenplatz auf Rang fünf pushte. Anschließend sorgte er mit Athletic Club für Schlagzeilen, nachdem der Verein aus dem stolzen Baskenland zwei Copa-del-Rey-Finals erreichte und 2015 den spanischen Super Cup gegen niemand Geringeres als Barça gewann.

In Barcelona hat man Valverde, außer aus seiner aktiven Spielerkarriere, vor allem als klassischen Flügelflitzer auf dem Zettel. Schon damals (und auch heute) zeichnete Valverde seine herausstechende Adaption aus. Sein Stil ist nicht radikal, sondern anpassungsfähig. Dafür stehen die unterschiedlichen taktischen Formationen, mit denen er in der Vergangenheit seine Mannschaften auf das Rasengrün schickte. Ob 3-4-3, 4-2-3-1 oder 4-3-3 sollten den erprobten Taktikfuchs kaum vor Probleme stellen.

Erwartungshaltung: Gewohnt hoch

Für Barça wird Valverdes gesammelte Erfahrung innerhalb Spaniens und in Europa ausschlaggebend für dessen Verpflichtung gewesen sein. Dass seine Trainerstationen zuvor eher im mittleren Leistungssektor zu verorten sind, scheint jedoch keine relevante Rolle zu spielen. Mit Valverdes Ankunft kann man sich vermutlich auf ein kompakteres Pressing und Verteidigen der gesamten Mannschaft freuen. Zudem wird der Umgang mit den Neuankömmlingen aus der Saison 2016/17 spannend zu beobachten sein. Vor allem, wenn im Sommer neue Akteure zum Kader hinzustoßen sollten und Säulen wie Mascherano und Iniesta immer stärker wegbröseln, müssen Gomes, D. Suárez und Paco aus ihren anfänglichen Welpenstatus befreit werden. Klar ist auch, dass sich Barça nicht erneut mit dem Gewinn der Copa del Rey begnügen wird. Nachdem man den Ligatitel an den ungeliebten Erzrivalen aus Madrid abgeben musste, wird es Valverdes Aufgabe sein, mindestens das Double zu holen und bestenfalls in die Endrunde der Königsklasse, inklusive des Titelgewinns, einzuziehen.

„Valverde besitzt Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung. Er beruft Spieler aus den Jugendmannschaften und hat einen Arbeitsstil, wie der unsere. […] Wir glauben, dass sein Stil, seine Arbeitsweise und seine Fußballphilosophie zu uns passt. Er ist ein sehr harter Arbeit und ist immer bemüht, neue Methoden sowohl im Training als auch in den Spielen anzuwenden.“  – Josep Maria Bartomeu nach der Bekanntgabe des neuen Trainers.

Ob Bartomeu und das Board Valverde tatsächlich als “langfristige” Personalie oder insgeheim nur als Übergangslösung eingeplant haben, steht in den Sternen. Stand jetzt wird der ehemalige Barça-Spieler jedenfalls einen Zweijahresvertrag unterschreiben – mit einer Option auf ein weiteres Jahr. So oder so – mit seinem Wechsel hat Valverde den nötigen Schritt eingeleitet, um persönlich in die Kategorie der ganz großen Player des Trainerbusiness einzusteigen. Grund zum Durchdrehen gibt es für die Culés aufgrund der fotovernarrten, introvertierten ‚Ameise‘ bislang trotzdem noch nicht.

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