Kommentar: Trägt Tata Martino tatsächlich die Verantwortung?

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Wird der Trainer bei Barça eingeschränkt? Diese Frage stelle ich mir nicht erst seit dieser Saison. Ich stelle sie mir schon seit Titos Engagement bei der Blaugrana. Laut Cruyff haben die Trainer des FC Barcelona schon seit vier Jahren weniger zu melden. Auch letzte Gerüchte lassen nichts anderes vermuten. Nun wird ein Rauswurf von Tata Martino gefordert, doch wie viel kann der Trainer für die aktuelle Misere im Club?

Schon unter Tito agierte der Vorstand schlampig

Wenn an die Ereignisse der letzten Jahre zurückdenke, dann muss ich sagen, dass der Vorstand einen mehr als wesentlichen Anteil an der derzeitigen Misere der Mannschaft hat. Schon während Pep Guardiolas letzter Saison wurde ein neuer Innenverteidiger gefordert. Tito Vilanova wusste das. Schließlich hatte man Probleme, eine Verletzung auf dieser Position zu kompensieren – die Mannschaft war schon damals auf dieser Position nicht breit aufgestellt. Der Wunschspieler Vilanovas? Thiago Silva! Ein fantastischer Innenverteidiger, damals vielleicht sogar der beste der Welt. Von diesem Wunsch wusste der Vorstand. Bereits in der Saison 2011/12, als schon klar war, wer Peps Nachfolger wird, sickerte durch, dass Tito unbedingt diesen Spieler haben möchte. Die Reaktion von Sandro Rosell, Zubizarreta und Co.? Ja, die war äußerst professionell. Thiago Silva wurde erst dann ein Angebot unterbreitet, als es schon zu spät war; dabei war die Gelegenheit schon da gewesen, bevor es zum Ende der Saison 2011/12 kam. PSG agierte schneller und sicherte sich die Dienste des Brasilianers. Auch Silva und sein Berater ließen später verlauten, dass der FC Barcelona zu spät auf sie zukam und Silva, obwohl er gerne zu Barça gewechselt wäre, sein Wort hält und PSG nicht den Rücken kehren wird. So musste eine Notlösung her, diese hieß Alexandre Song. Gelobt wurde er. Er könne in der Innenverteidigung als auch auf der Sechserposition spielen. Davon sah und sieht man auch heute noch wenig. Dabei ist er eigentlich ein klasse Spieler. Dennoch: Dass Song der Wunschspieler Titos war, bezweifle ich. Es geht aber noch weiter.

Die Saisonvorbereitung – oder einfach nur eine Marketingreise?

Schauen wir uns doch mal die fantastische(n) Saisonvorbereitung(en) an. Saisonvorbereitung? Kann man sie noch so nennen? Für mich ist das schlichtweg eine Weltreise, in welcher der Vorstand den Klub einfach nur so gut wie möglich vermarkten möchte. Eine Saisonvorbereitung soll eine Mannschaft so gut wie möglich auf die kommende Spielzeit vorbereiten. Dass Langstreckenflüge ein Jetlag verursachen können und die Spieler an Schlafstörungen leiden könnten, die Nachwirkungen auf die Saison haben, wird gar nicht beachtet. Na super! Was ich angesichts dieser Vorbereitung erwartet habe, wird gerade Realität. Die Spieler sind physisch und anscheinend auch psychisch am Ende. Natürlich gab es auch fantastische Spiele, doch sind diese an einer Hand abzuzählen. Eine gute Saisonvorbereitung ist ein enorm wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, eine gute Saison zu spielen. Das ist so wie in der Schule: Bereite ich mich gut vor, ohne dass ich mich zu sehr anstrenge und an mein Leistungsmaximum und darüber hinausgehe (Bsp.: Man lernt die ganze Nacht, was suboptimal ist, da zu wenig Schlaf), schreibe ich eine gute Klausur. Bereitet sich ein Schüler allerdings nicht gut vor, dann muss ja sogar schon ein Atheist zu Gott beten, damit es klappt. Ohne eine gute Saisonvorbereitung wird kein Blumentopf gewonnen. Zu Beginn der Saison werden zwar gute Ergebnisse eingefahren, doch spätestens in der Rückrunde, oder besser gesagt: in der wichtigen Phase der Saison ist zu sehen, in was für einem Zustand sich die Mannschaft befindet. War die Saisonvorbereitung gut oder nicht?

Gerardo ‘Tata’ Martino kommt zum FC Barcelona

Weil Tito leider zurücktreten musste, kam während der “Saisonvorbereitung” ein neuer Trainer. Schnell war klar: Tata Martino, ein „Marcelo Bielsa-Jünger“, kommt. Die Mannschaft, welche sich an Tito gewöhnt und taktisch umgestellt hat (kein aggressives Offensivpressing mehr, stattdessen Mittelfeldpressing; vertikalere Spielzüge), muss sich nun wieder ändern. Mit Martino kam ein Trainer, der das schnelle Umschalten liebt. Mit seinen Teams spielt er gerne ein Offensivpressing, ohne allerdings die Defensive zu vernachlässigen. Unter Tata Martino entwickelte sich der FC Barcelona allerdings zur konterstärksten Mannschaft der Liga. Die Spiele (speziell in der Hinrunde) wurden eindrucksvoll gewonnen. Von der Spielweise her war dieses Barça nicht mit dem von Tito oder Pep zu vergleichen. Es wurde nun wesentlich pragmatischer gespielt. Anstatt zwanzig Pässe zu spielen, überbrückte man das Spielfeld nun öfter mit einer einzigen Flanke. Auch der Ballbesitz war nicht mehr die wichtigste Komponente im Spiel. Unter ihm wusste Barça auch ohne Ball zu überzeugen. Beispiele? Könnt ihr haben! Gegen Real Madrid wurde das Spiel dem Gegner angepasst. Tata Martino war klar, dass Real Madrid ohne Ball besser spielt als mit Ball. So überließ der FC Barcelona Real Madrid die Kugel, ohne dass sie wirklich gefährlich werden konnten. Zwischenzeitlich hatte der FC Barcelona sogar nur 54% Ballbesitz. Auch dieses Spiel zeichnete sich von einer geordneten Defensive und einem schnellen Umschaltspiel beim FC Barcelona aus. Gegen Real Betis hatte man weitestgehend auf das Tiki Taka verzichtet, und trotzdem gewann Barça mit 1:4! Gegen Rayo Vallecano hatte Barça sogar weniger als 50% Ballbesitz – man gewann die Partie eindrucksvoll mit 4:0! Das war Tatas Handschrift! In den vergangenen Saisons wurde Barça jedes Mal dafür kritisiert, mit zu viel Ballbesitz zu wenig anzufangen. Unter Tata wusste die Blaugrana nun endlich mit wenig Ballbesitz zu überzeugen. Und trotzdem hagelte es Kritik? Ernsthaft? Die Culés fordern eine Systemänderung. Dann kommt ein Trainer, der das durchziehen möchte und er wird trotz fantastischer Ergebnisse mit einer wesentlich pragmatischeren Spielweise kritisiert? Und jetzt? Jetzt spielt Barça wie in den letzten beiden Jahren. Man ist wieder in alte Muster gefallen. Das übliche Hin- und Hergeschiebe der Kugel. Was fordern die Fans? „Das System muss verändert werden!“ Gott, entscheidet euch mal! Macht eure Augen auf. Für eine Systemänderung sind viele anscheinend noch nicht bereit. Mehr als Gelaber hört man nicht. Das Tiki-Taka ist nicht mehr effizient. Die Teams haben sich zu gut auf diese Spielweise eingestellt. Nur noch für eine Spielverwaltung ist sie nützlich. Dabei ging das Tiki-Taka auch unter ihm nicht verloren – trotz vieler Flanken in der ersten Saisonhälfte.

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„Gerardo ‘Tata’ Martino muss gehen“ – Warum?

Hier will ich zunächst einmal meinen Standpunkt klarstellen: Ich bin gegen einen Rauswurf des Trainers. In meinen Augen würde es mehr Nach- als Vorteile bringen. Natürlich haben mich auch die letzten Ergebnisse in Skepsis verfallen lassen, doch muss man sagen, dass Tata auch ziemlich miese Voraussetzungen hat, um eine erfolgreiche Saison zu spielen. Mir war spätestens nach der tragischen Wiedererkrankung Titos klar, dass das Team wieder bei null anfangen wird und muss. Um die derzeitige Situation zu beurteilen, muss man in meinen Augen das Gesamtbild betrachten. Unter welchen Umständen kam Tata und unter welchen musste er arbeiten?

Gerardo Tata Martino konnte quasi nicht mehr auf den Transfermarkt zugreifen. Er kam und musste die Mannschaft erst kennenlernen, um überhaupt die Probleme zu erkennen. Was er aus dieser Mannschaft herausgeholt hat, war bis hierhin, und da bin ich mir sicher, quasi das Maximum – so schlecht es auch derzeit aussieht. Dazu kommt noch das Transferdrama um Neymar, der Steuerhinterziehungsprozess um Messi, die mediale Hetzjagd gegen Messi, der Rücktritt Sandro Rosells, viele Verletzungen und jetzt auch noch die Transfersperre – in nur einer einzigen Saison! Kein Trainer würde unter solchen Umständen erfolgreich arbeiten können. Ich bezweifle sogar, ob Trainergrößen unter solchen Umständen überhaupt arbeiten wollen würden.

Dass Tata die Probleme bis hierhin nicht erkannt hat, daran zweifle ich auch. Diesbezüglich gehe ich auf zwei Gerüchte ein, welche auffällig oft in den Medien kursierten: Der Trainer will einen Box-to-Box-Spieler und einen Neuner. Etwas, was auch viele Fans gefordert haben und auch immer noch fordern. Nicht wenige Sport-Zeitschriften stellten deswegen die Vermutung auf, dass Tata Martinos Wunschspieler Arturo Vidal sei. Der Spieler könne mit seiner dynamischen Spielweise die Defensive als auch die Offensive stärken. Für Martino sei die Problemzone das Mittelfeld, welches tatsächlich zu leicht von dem Gegner überbrückt wird. Weiterhin forderte Martino anscheinend auch einen echten Neuner, um auch mal etwas wie einen ‘Plan B’ in den eigenen Reihen zu haben.

Entscheidet der Vorstand, welche Spieler gekauft werden?

Laut der Sport will der Vorstand rund um Bartomeu und seinen Kumpanen sechs Spieler verpflichten. Gerardo Martino soll den Klub verlassen. Weiterhin werde über ein Verkauf von Alexis oder Pedro nachgedacht. Wie bitte? Was soll der wohl kommende Trainer vorfinden? Wieso sollen Alexis oder Pedro, die eine fantastische Saison spielen, verkauft werden? Wird der kommende Trainer keinen Einspruch einlegen dürfen oder was will der Vorstand? Ich dachte, für die Kaderplanung sei der Trainer verantwortlich. Ist es nicht so, dass der Trainer entscheidet, mit welchen Spielern er in die Saison geht und welche er nicht braucht? Anscheinend ist es beim FC Barcelona eher andersherum. Ein Haufen Ahnungslose, wie Lionel Messi es mal überraschend deutlich formulierte, führen den Klub. Es ist offensichtlich, dass Bartomeu, Faus und Co. nichts vom Fußball verstehen. Ich will hier Gerardo Martino nicht von jeglicher Schuld freisprechen, denn auch er hat, wie jeder andere Trainer der Welt auch, Fehler begangen. Doch sehe ich das Problem an der Spitze. Deswegen sage ich: Bevor der Trainer rausgeschmissen wird, muss der ahnungslose Vorstand raus!

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