4:0 lautet das Endergebnis zwischen dem Gastgeber Paris Saint-Germain und dem FC Barcelona. Und ja: Nicht der FC Barcelona hat dieses Ergebnis erzielt, sondern die Pariser. Also, explizit nochmal für diejenigen gesagt, die es noch nicht fassen können. Aber so richtig mitgenommen hat mich dieses Ergebnis ehrlich gesagt nicht. Einige Culés schrecken gerade bestimmt auf: „Wie kannst du von dem Ergebnis nicht mitgenommen sein?“ Vielleicht deswegen, weil ich es erwartet habe? Ich überlege und mir fällt auf, dass es tatsächlich schwierig ist, Gründe für mein Empfinden zu nennen.
„Wen hat es gewundert?“, fragte ich mich nach dem Champions-League-Debakel gegen Paris Saint-Germain. Dass die Blaugranas früher oder später so richtig auf die Schnauze fallen würden, ist kein Geheimnis gewesen! In der laufenden Saison konnte kaum ein Gegner der Katalanen vollkommen in die Schranken gewiesen werden. Selbst vermeintliche Selbstläufer entpuppten sich als echte Schreckgespenster. Der Albtraum eines jeden Culés ist Realität geworden: Barça ist gegen stärkere Mannschaften kaum mehr der Favorit auf den Sieg. Man hofft auf den Sieg, gibt sich allerdings mit einem Unentschieden zufrieden. Selbst Niederlagen werden gegebenenfalls hingenommen. „Der Gegner hat stark gespielt.“, sagt man sich und geht dabei nicht näher auf die Leistung der eigenen Mannschaft ein. Nun stellt man lediglich eine Art Stolperstein für Gegner á la Real Madrid, Bayern München oder wie zuletzt Paris Saint-Germain dar, die in dieser Saison oft selbst alles andere als souverän agiert haben.
Wir müssen uns eingestehen: Es ist nicht mehr der FC Barcelona zu bewundern, der seine Gegner in Grund und Boden spielt sowie in komplizierten Phasen dennoch einen Plan aus dem Hut zaubert. Der FC Barcelona hat sich nun zu einer Mannschaft bestehend aus Individualisten entwickelt, bei der die Arbeitsteilung zwischen Offensive und Defensive nicht mehr reibungsfrei abläuft. Die Arbeitsteilung – ein wichtiger Punkt in der Ära von Luis Enrique. Denn war sie es – gepaart mit der physischen Stärke in der entscheidenden Phase seiner ersten Spielzeit als Trainer beim FC Barcelona –, die den Erfolg in der Saison 2014/15 gesichert hat. „Wie soll man diesen FC Barcelona noch aufhalten?“, fragten sich viele. Es war auch die Arbeitsteilung, die Barça in der vergangenen Spielzeit zum Double verhalf. Und es ist auch diesmal die Arbeitsteilung, die damit verbundene Stagnation und die von Trainer sowie dessen Mitarbeitern versäumte Weiterentwicklung von Spielsystem und Spielweise, die dafür sorgt, dass die erkennbaren negativen Entwicklungen aus der letzten Spielzeit nun regelmäßig Enttäuschungen verursachen.
Dass der Fußball lebt, wurde nach dem Triple-Erfolg verkannt. Die Spielweise und Handhabe des FC Barcelona zeichnet sich seitdem von einer fahrlässigen Haltung aus: „Es wird schon gut gehen.“ Die Protagonisten haben vergessen, dass es Mannschaften gibt, die Pläne schmieden, um Barça zu besiegen. Es wurde vergessen, dass sich Mannschaften immer weiterentwickeln. Während sich andere Mannschaften taktisch immer mehr auf diesen FC Barcelona eingestellt haben, machte sich beim katalanischen Traditionsverein eine Gemütlichkeit breit, die in ihrer Art und Weise an Arroganz nur schwer zu übertreffen ist.
Und was ist mit mir? Nach dem Spiel saß ich vor dem Laptop und wunderte mich nicht. Nicht einmal enttäuscht bin ich gewesen. Nun bin ich in meinen Überlegungen weiter als noch eingangs erwähnt: Es liegt wohl daran, weil ich diese Niederlage als eine Art deutliches und wichtiges Signal an alle Beteiligten deute. Nun, zwei Tage später, während ich diesen Kurzkommentar hier verfasse, türmt sich vor mir eine Freeway-Fanta-Flasche auf. Die Flasche ist leer, der Deckel liegt irgendwo rum. Eine bessere Metapher für die aktuelle Leistung und die Spielweise des Titelverteidigers der ersten spanischen Liga gibt es vielleicht nicht. Ich gönne mir dann eben marokkanischen Minz-Tee. Immerhin hat er Geschmack und überzeugt mich.