Unter Luis Enrique hat sich das Spielsystem des FC Barcelona in gewissen Details verändert, dazu gehört auch die Rolle der Mittelfeldspieler. Wie alle Taktiken im Fußball bringen diese Änderungen sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich, die im Folgenden analysiert werden wie auch die Option einer Doppelsechs.
Luis Enriques Ansatz
Neymar, Lionel Messi und Luis Suárez – Barcelonas Offensivreihe gehört zu den stärksten in Europa und da ist es nur verständlich, dass man als Trainer versucht, die Stärke von allen drei Spielern voll zur Geltung zu bringen. Dazu müssen gerade Neymar und Suárez die Möglichkeit erhalten, nah am gegnerischen Tor zu spielen, um so ihre Torgefahr einbringen zu können. Wie wichtig dabei eine Positionierung im zentralen Bereich ist und nicht weit außen auf dem Flügel, zeigt der Vergleich von Neymars Torstatistik von dieser Saison mit der letzten. Erzielte der Brasilianer im vergangenen Jahr unter Tata Martino in 25 Ligaspielen insgesamt neun Tore, so hat er aktuell schon nach acht Spielen dieselbe Anzahl an Toren erzielt. Natürlich liegt das aber nicht nur an der Taktik, sondern auch daran, dass er sich nun schon besser in Barcelona und in Europa eingefunden hat. Dennoch spielt seine zentralere Positionierung eine Rolle, schließlich ist er so näher am gegnerischen Tor positioniert und näher an Lionel Messi dran, was dem Zusammenspiel der beiden sehr gut tut. Bei Luis Suárez darf man Ähnliches erwarten.
Da die Stürmer unter Luis Enrique sehr zentral stehen, muss man auf andere Weise Breite ins Spiel bringen, was aktuell die Aufgabe der Außenverteidiger ist. Dies birgt natürlich auch Risiken, da beide hinten fehlen. Daher werden beide durch die zentralen Mittelfeldspieler abgesichert, die sich weit außen positionieren, um dabei zu helfen, die Außenbahnen defensiv zu stabilisieren. Diese Grundidee ist verständlich und ein Spieler wie Ivan Rakitić hilft der Mannschaft so auch sehr weiter, da er gegen den Ball sehr stark ist. Auf der anderen Seite führt dieser Spielansatz dazu, dass das Mittelfeld selbst entblößt wird und man Sergio Busquets oder Javier Mascherano alleine lässt. Ist ein Gegner nun schnell und konterstark, kann das ins Auge gehen. Unter Pep Guardiola war Barça so stark, weil man das Mittelfeld kontrollierte, sowohl mit als auch ohne den Ball. Die Spieler standen sehr eng beieinander und konnten sich so immer gegenseitig helfen. Das ist aktuell nicht so, weil die Mittelfeldspieler zu weit auseinander stehen und ihnen so zu oft der Zugriff auf das Zentrum fehlt.
Lösungsvorschlag
Man könnte natürlich einfach die Stürmer wieder nach außen ziehen, was die Außenverteidiger und damit auch die Mittelfeldspieler entlasten würde. Man würde sich jedoch so offensiv schwächen, da man im Zentrum nur noch Messi hätte, der durch seine Pässe viel mehr Gefahr erzeugen kann, wenn er ein oder zwei Spieler vor sich hat, die die gegnerischen Abwehrspieler binden. Eine denkbare Option wäre eine Art Doppelsechs, was aber untypisch für Barça ist. Pep Guardiola, selbst Sechser bei den Katalanen gewesen, sagte einmal, dass ihn ein weiterer Sechser neben sich gestört hätte, weil er seinen Bewegungsradius eingeschränkt hätte. Barcelona könnte dies dennoch versuchen, da man so das Mittelfeld kompakter gestalten könnte. Eine mögliche Grundformation könnte dann wie folgt aussehen:
In einem solchen System wäre es sinnvoll, nur mit einem Außenverteidiger voll anzugreifen, während der jeweils andere sich ein wenig zurückhält. Der jeweils seitennahe Sechser könnte mit aufrücken und so das Zentrum sowie die Außenbahn abdecken. Somit wäre der ausgerückte Außenverteidiger abgesichert und der jeweils andere Sechser wäre im Zentrum nicht komplett alleine, da die Spieler sich alle relativ nah beieinander befinden würden. Der seitenferne Stürmer muss dann darauf achten, sich nicht nur ins Zentrum zu orientieren, sondern auch, falls es nötig ist, nach außen zu rücken und selbst für die Breite zu sorgen, falls das Spiel verlagert wird. Beispielhaft könnte eine Spielsituation dann wie folgt aussehen:
Der Angriff läuft über die rechte Seite. Dani Alves ist weit aufgerückt und verleiht Barças Offensivspiel die nötige Breite. Mascherano rückt auf, um ihn abzusichern, bleibt aber dennoch in mittelbarer Nähe zu Sergio Busquets. Dieser deckt den Raum zwischen ihm und Jordi Alba ab, während dahinter die beiden aufgerückten Innenverteidiger bereitstehen. Das ganze Team steht relativ kompakt, was verhindert, dass einzelne Spieler zu weite Wege gehen müssen. Man ist zudem so positioniert, dass praktisch alle relevanten Zonen abgesichert sind, oder zumindest ein Spieler in der Nähe steht. Der Vorteil hierbei wäre, dass nicht ein Sechser die ganze Zeit alles alleine machen muss, sondern sich immer einer zurückhalten kann, je nachdem über welche Seite der Angriff geht. In einem solchen System würde man zwar einen kreativen Mittelfeldspieler weiter vorne opfern, dafür stünde man aber im Zentrum kompakter, ohne sich der Breite im Spiel oder der zentral positionierten Stürmer zu berauben.
Ein solches System einzuüben braucht Zeit, da hier viele Automatismen ineinandergreifen müssen. Luis Enrique kündigte bei seiner Präsentation schon an, dass sein Team variantenreich und taktisch flexibel sein soll. Mundo Deportivo spekuliert aktuell, ob Barça demnächst mit einer Doppelsechs spielen wird. Sollte es so kommen, wird sich zeigen, ob ein solches System auch in der Praxis zu mehr Stabilität führt. Solche Tüfteleien könnte man sehr lange weiterführen, aber im Endeffekt sind es einfach nur Zahlenspiele und man muss abwarten, wie sich diese in der Praxis umsetzen lassen. Ein System, wie das oben beschriebene, wäre mit dem aktuellen Spielermaterial sicherlich möglich, ob man es in Zukunft sehen wird, weiß aber nur Luis Enrique.