Wir alle sind uns einig: Der FC Barcelona spielt eine Saison, mit der in dieser Form nicht zu rechnen war. Die Meisterschaft kann in den nächsten Wochen klargemacht werden und im spanischen Pokalfinale bezwang man den FC Sevilla souverän mit 5:0. Einzig das unerwartete Ausscheiden in der Champions League gegen den AS Rom trübt die Stimmung und machte die Hoffnungen auf eine weitere perfekte Saison des FC Barcelona zunichte. Doch so wirklich will keine Zufriedenheit unter den Culés aufkommen. Grund dafür dürfte die Spielphilosophie des neuen Coaches Ernesto Valverde sein, welche zwar immer noch sehr ballbesitzlastig ist, jedoch wenig Spielraum für eben jene magische Momente lässt, mit welchen uns beispielsweise die Mannschaften eines Pep Guardiola verwöhnten. Zentrum dieses Spielstils war das Mittelfeld, welches in den letzten Jahren erheblich an Glanz verlor. Warum trotzdem berechtigter Anlass zur Hoffnung besteht, wieder Zeiten wie die damaligen erleben zu dürfen, soll hier erläutert werden.
Der Status Quo
Nicht, dass ich hier falsche verstanden werde: Barça hat ein enorm starkes Mittelfeld. Die Achse um Iniesta, Busquets und Rakitić war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Baustein im Spiel des FC Barcelona. Auch in dieser Saison verrichteten die drei zuverlässig ihren Job in der Zentrale und trugen einen großen Teil zum voraussichtlichen Double-Gewinn des Klubs bei. Auch der vor der Saison nach Barcelona gewechselte Brasilianer Paulinho fügte sich gut in das Team ein und übertraf die in ihn gesteckten Erwartungen. Dahinter wird es allerdings sehr schnell ziemlich dünn. Mit Denis Suárez und André Gomes tummeln sich dort zwei Spieler, welche nicht im Ansatz das Potential bieten, bei einem Klub wie dem FC Barcelona zu spielen. Das vorhandene Spielermaterial brachte Coach Ernesto Valverde schlussendlich dazu, das als fast heilig geltende 4-3-3 des FC Barcelona durch ein 4-4-2-System zu ersetzen und oftmals Busquets, Paulinho und Rakitić gleichzeitig aufzubieten – drei Spieler, welche für einen ballbesitzlastigen Fußball immer noch relativ gut geeignet sind, ihre Stärken jedoch eher in der physischen Präsenz sowie der damit verbundenen Balleroberung haben. Der einzige Ballkünstler der drei genannten ist Busquets. Folge dieser Entwicklung war, dass Lionel Messi, welcher nominell als Stürmer agiert, seinen ohnehin schon absurd hohen Einfluss auf das Spiel der Mannschaft weiter ausbauen und somit noch mehr Verantwortung im Mittelfeld übernehmen musste. Somit kann man die momentanen Erfolge des Klubs zu einem großen Teil den überirdischen Leistungen des G.O.A.T zuschreiben. Auf Dauer wird dies nur kaum reichen, um international konkurrenzfähig zu bleiben und den spielerischen Anforderungen aller Culés gerecht zu werden, zumal mit Andrés Iniesta ein weiterer Baustein der Ära Guardiola wohl seine Koffer packen wird.
Die Hoffnung kam im Winter
Was für ein Glück für alle Fans, dass der FC Barcelona in der letzten Wintertransferperiode eine Verpflichtung bekannt gab, welche sich für die Zukunft der Mannschaft als enorm wichtig herausstellen könnte. Für geschätzte 140 Millionen verpflichtete man Philippe Coutinho vom FC Liverpool und damit den ersten Baustein, um für die Zukunft wieder auf ein dominanteres Mittelfeld zu bauen. Bereits zur Rückrunde war der Einfluss des Brasilianers nicht zu übersehen. Anfangs genutzt um Altmeister Iniesta mehr Pausen geben zu können, standen Coutinho und Iniesta im weiteren Verlauf der Saison immer öfter gleichzeitig auf dem Platz und brachten so ein lange vermisstes spielerisches Element in die Mannschaft. Besonders im Finale der Copa del Rey gegen den FC Sevilla war diese Spielfreude deutlich zu sehen. Coutinho hat damit das Potential, das Spiel der Mannschaft zukünftig auf ein neues Level zu heben und seinen Teil zur Kompensierung des Iniesta-Abgangs beizutragen. Auch die Verpflichtung eines weiteren Brasilianers, des Spielgestalters Arthur Melo, macht deutlich, wo es in den nächsten Jahren mit dem Mittelfeld des FC Barcelona hingehen soll. Und auch wenn der Spieler, welcher von seinem Profil her bereits mit Xavier Hernández i Creus verglichen wird, dem FC Barcelona vermutlich nicht auf Anhieb helfen kann, zeigt er doch, dass das Spielerische wieder im Zentrum bei Barça stehen soll.
Auch La Masia im Fokus
Ein weiterer Faktor für die Erfolge der letzten Dekade war die herausragende Jugendarbeit, für die der FC Barcelona auf der ganzen Welt (vielleicht mit Ausnahme der spanischen Hauptstadt) bewundert wurde. Iniesta, Busquets, Xavi, Messi, Fabregas… Die Liste ließe sich ewig fortführen und muss hier nicht nochmals aufgezeigt werden. Unter Pep Guardiola bildeten die Spieler aus der katalanischen Jugendakademie die Basis für das beste Mittelfeld aller Zeiten, welches den schönsten Fußball zelebrierte, den die Welt jemals gesehen hatte. Genau dieser Geist ist es, welcher wieder Einzug in die Mannschaft des FC Barcelona halten muss. Die Jugendabteilung des Klubs muss zwingend wieder mehr Spieler produzieren, welche das Zeug haben, in der ersten Mannschaft zu spielen. Die gute Nachricht: Die Ansätze sind da. Bekanntermaßen wird besonders Carles Aleñá eine große Karriere bei Barça zugetraut. Er könnte der Spieler sein, welcher langfristig das Spiel des großartigsten Klubs der Welt prägen könnte. Auch der wiederkehrende Sergi Samper könnte in den Planungen des Coaches eine zentrale Rolle spielen. Beide Spieler sind in den Augen vieler Culés für höhere Aufgaben bereit und tragen einen Großteil der Hoffnungen auf ihren Schultern. Man kann sich nur wünschen, dass ihnen die verdiente Chance zugestanden wird, der Mannschaft ihren Stempel aufzudrücken. In diesem Fall bestünde berechtigter Anlass zum Optimismus und die damit verbundene Hoffnung auf bessere Zeiten für das Mittelfeld des FC Barcelona.